Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung wegen Steuerhehlerei für Spirituosen aus Schmuggelsprit

 

Leitsatz (NV)

1. Aus eingeschmuggeltem Sprit hergestellte Spirituosen als Gegenstand der Steuerhehlerei.

2. Anforderungen an die Inhaftungnahme wegen Steuerhehlerei (1.).

3. Revisionsrechtliche Bindung an Folgerungen des Tatrichters.

 

Normenkette

AO §§ 112, 398 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger war wie sein Sohn H Komplementär der X-KG, die sich mit dem An- und Verkauf von Spirituosen befaßte; bei ihr angestellt war der (zweite) Sohn des Klägers, R. Zwischen der KG und V bestanden im Jahre 1974 Geschäftsbeziehungen. Nach Feststellungen der Zollfahndung lieferte V, unter falschem Namen bzw. für nicht bestehende Unternehmen auftretend, 1974 Spirituosen an die KG, die im inländischen Trinkbranntweinherstellungsbetrieb der Ehefrau des V durch einfaches Zusetzen von Wasser und Essenzen aus über die DDR - durch Z - eingeschmuggeltem Sprit hergestellt worden waren: letzteres - die Herstellung aus Schmuggelsprit - sei dem Kläger als Komplementär bekannt gewesen. Der Kläger wurde vom Landgericht wegen Steuerhinterziehung, begangen durch unberechtigten Vorsteuerabzug der in den Rechnungen des V ausgewiesenen Umsatzsteuer, rechtskräftig verurteilt. Ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Hinterziehung von Eingangsabgaben wurde wegen Verjährung eingestellt. Z wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts wegen Steuerhinterziehung (Schmuggel) verurteilt.

Durch Steuerhaftungsbescheide des Hauptzollamts - HZA - wurde der Kläger als Steuerhehler (§ 112 der Reichsabgabenordnung - AO -) zur Haftung für verkürzte Eingangsabgaben herangezogen. Unter Zurückweisung der Einsprüche des Klägers erweiterte das HZA die Bescheide in den Einspruchsentscheidungen ,,in (der) Begründung" dahin, daß der Kläger wegen der in seiner Person entstandenen Abgabenschulden auch (,,alternativ") als weiterer Schuldner gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 des Zollgesetzes (ZG) in Anspruch genommen werde.

Die Klage hatte nur hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Haftungsansprüche teilweise Erfolg. Die Abweisung im übrigen begründete das Finanzgricht (FG) damit, daß der Kläger als Täter einer Steuerhehlerei (§ 398 Abs. 1 AO in der zur Tatzeit geltenden Fassung) formell und materiell rechtmäßig in Anspruch genommen worden sei. Der Schmuggel des Sprits und dessen Lieferung an den Betrieb V ständen nach dem in das Verfahren eingeführten Strafurteil gegen Z fest. Frau V habe in der maßgebenden Zeit zwar auch Monopolsprit bezogen, sie habe aber außer der KG noch andere Abnehmer beliefert; es sei nicht anzunehmen, daß aus dem bei der Monopolverwaltung erheblich teurer eingekauften Alkohol Spirituosen hergestellt und zu Lasten der Gewinnspanne an die KG geliefert worden seien. Deshalb sei davon auszugehen, daß der gesamte von V an die KG gelieferte Branntwein aus Schmuggelsprit gestammt habe. Dessen Zollguteigenschaft habe sich auf die Spirituosen erstreckt; demzufolge seien auch sie Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuer und Zoll hinterzogen worden seien. Der Kläger habe als Komplementär der KG die Spirituosen an sich gebracht, selbst wenn er weder für den Einkauf noch für den Verkauf, sondern nur für die finanzielle Geschäftsabwicklung zuständig gewesen sei. Der Kläger habe auch gewußt, jedenfalls aber damit gerechnet, daß die Spirituosen aus Schmuggelsprit stammten. Der Zollfahndungsbeamte Y habe schriftlich eine Äußerung des V festgehalten, nach der dieser ,,Herrn . . ., Inhaber der X-OHG" über die Herstellung der gelieferten Spirituosen aus Schmuggelsprit unterrichtet hätte. Dieser von Y als Zeuge bestätigten Äußerung komme indizieller Beweiswert zu. Zwar lasse sie nicht erkennen, welcher ,,Herr . . ." gemeint sei; wenn aber nicht der Kläger selbst, so sei nicht anzunehmen, daß der von V unterrichtete . . . (Familienangehöriger) die für das Spirituosengeschäft entscheidend wichtige Information für sich behalten hätte. Die Verwertung der Äußerung des V auf Grund des Aktenvermerks und der Aussage des Zeugen Y sei möglich, da - wie das FG näher begründet - V nicht als Zeuge vernommen werden könne. Internationale Rechtshilfe komme weder nach zwischenstaatlichem Recht noch nach Gemeinschaftsrecht in Betracht. Der Kläger - vor dem FG anwaltlich vertreten - habe zu diesem Beweisthema (Unterrichtung über die Herstellung der Spirituosen aus Schmuggelsprit) auch keinen Antrag auf Vernehmung des V gestellt. Für die Kenntnis des Klägers spreche eine Reihe von (näher bezeichneten) Indizien, die im Urteil des Landgerichts aufgeführt seien. Gegen die einzelnen Feststellungen habe der Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben und auch keine entsprechenden Beweisanträge gestellt. In ihrer Gesamtheit zeigten diese Indizien einen erheblich vom üblichen, gegenüber anderen Lieferanten anscheinend auch in der KG eingehaltenen abweichenden Geschäftsablauf. Die Abweichungen seien vernünftigerweise nur dadurch erklärbar, daß sich der Kläger - ebenso wie seine Söhne - bewußt gewesen sei oder er zumindest damit gerechnet und in Kauf genommen habe, aus Schmuggelsprit hergestellte Spirituosen in der KG umzusetzen. Als Komplementär habe der Kläger auch mit der Kalkulation (Preisgestaltung der Verkaufspreise) und damit den Bedingungen für den Einkauf der Spirituosen zu tun gehabt. Des weiteren sei es höchst unwahrscheinlich, daß der Kläger von der sehr ungewöhnlichen Art und Weise der Geschäftsabwicklung des Spirituoseneinkaufs sowie der Bezahlung des V keine Kenntnis gehabt haben sollte. Seines Vorteils wegen habe der Kläger gehandelt, weil er als Gesellschafter der KG an deren Gewinn beteiligt gewesen sei. Die angefochtenen Bescheide erfaßten keine bereits in anderen Bescheiden berücksichtigten Alkoholmengen. Dies lasse sich anhand eines Vergleichs der Bescheide rechnerisch feststellen und ergebe sich im übrigen aus einem Erläuterungsschreiben des HZA. Da Schmuggelalkohol so schnell wie möglich umgeschlagen werde, sei es durchaus vorstellbar, daß hergestellte Spirituosen bereits zwei Tage nach dem Spritschmuggel ausgeliefert worden seien; dem Einwand des Klägers, daß zum Teil das Einfuhrdatum der falschen Spirituosenlieferung zugerechnet worden sei, sei nicht zu folgen.

Ob der Kläger die Abgaben zugleich als weiterer Steuerschuldner nach § 57 Abs. 2 Satz 2 ZG schulde, könne dahingestellt bleiben. Soweit die Klage sich auch gegen diese - erstmalige - Steuerfestsetzung in den Einspruchsentscheidungen richte, sei sie unzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren nicht stattgefunden habe.

Gegen dieses Urteil erhebt die Revision des Klägers mehrere Sach- und Verfahrensrügen.

Bei den Spirituosen handele es sich nicht um Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuer oder Zoll hinterzogen worden sei, sondern um ein aliud. Selbst wenn die Spirituosen Zollgut gewesen sein sollten, könne vom Täter eine Parallelwertung in der Laiensphäre in zollstatusrechtlicher Hinsicht nicht erwartet werden. Die Haftungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen ließen nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, welche Ankaufsmengen welchen Vortaten zuzuordnen seien. Zu der erforderlichen Individualisierung sei das FG erst auf Grund des nach Klageerhebung eingereichten Schreibens des HZA vom 24. Juni 1985 in der Lage gewesen.

Verfahrensfehlerhaft sei, daß das FG es unterlassen habe, von sich aus V zu der Frage zu vernehmen, ob die X-KG von ihm in Kenntnis und unter Mitwirkung des Klägers aus Schmuggelsprit hergestellte Spirituosen bezogen habe. Das FG hätte den Beteiligten auch Gelegenheit geben müssen, eine schriftliche Auskunft des V beizubringen. Ferner hätte das FG dem HZA aufgeben müssen, seinerseits zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Soweit das FG ausführe, der Kläger habe als Komplementär auch mit der Kalkulation zu tun gehabt, habe es diese Sachverhaltserkenntnis in unzulässiger Weise gewonnen. Bei der gebotenen Aufklärung hätte sich ergeben, daß der Kläger weder mit der Kalkulation noch mit den Bedingungen des Einkaufs der Spirituosen befaßt gewesen sei. Nicht genügend aufgeklärt worden sei ferner, ob am . . . geschmuggelter Alkohol - nach Verarbeitung - zwei Tage später an die X-KG geliefert worden sei. Schließlich hätte das FG Frau V als Zeugin dazu hören müssen, ob sie in der fraglichen Zeit . . . l Monopolsprit sowie am . . . noch vorhandene Monopolspritvorräte zu Spirituosen verarbeitet habe, die der X-KG geliefert worden seien.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich dagegen richtet, daß das FG die Klage gegen die angefochtenen Haftungsbescheide abgewiesen hat. Die gegen die Vorentscheidung erhobenen Rügen greifen nicht durch. Das FG hat ohne Verfahrens- und sonstige Rechtsfehler entschieden, daß der Kläger den objektiven Tatbestand von § 398 Abs. 1 AO - Grundlage seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner - verwirklicht hat.

a) Die Sachrügen der Revision gehen fehl.

Nach den Feststellungen der Vorinstanz war der Sprit, aus dem die an die X-KG gelieferten Spirituosen hergestellt wurden, eingeschmuggelt worden. Auch die Spirituosen sind Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuer oder Zoll hinterzogen worden ist. Insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 26. Juni 1990 VII R 5/88, BFHE 161, 225, verwiesen. Wie darin entschieden, läßt sich aus dem von der Revision angeführten Senatsurteil vom 29. Juli 1969 VII R 68/66 (BFHE 96, 372) nichts anderes entnehmen. Das zum Vorsatz des Steuerhehlers gehörende Wissen braucht sich nur darauf zu erstrecken, daß hinsichtlich ,,der" Sache Zoll oder Verbrauchsteuer hinterzogen worden ist (vgl. zum jetzigen Tatbestand der Steuerhehlerei Franzen / Gast / Samson, Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 1985, § 374 AO 1977 Rdnr. 23; Senat, Urteil vom 8. November 1988 VII R 78/85, BFHE 155, 17, 20, BStBl II 1989, 118). Die dafür erforderlichen Feststellungen hat das FG getroffen. Die (zollrechtlichen) Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung der Nämlichkeit der Waren herangezogen werden, braucht der Hehler nicht zu kennen. Einer ,,Parallelwertung" bedarf es nicht.

Der für Haftungsbescheide geltende Bestimmtheitsgrundsatz (zu ihm Senat, Urteil vom 8. März 1988 VII R 6/87, BFHE 152, 418, 420 f., BStBl II 1988, 480, mit Rechtsprechungsnachweisen) ist entgegen der Ansicht der Revision nicht verletzt. Die Anforderungen an den Inhalt von Haftungsbescheiden bestimmen sich nicht nach allgemeinen Kriterien; vielmehr ist die Frage, inwieweit in einem Haftungsbescheid die Haftungsschuld selbst bestimmt sein muß, je nach Art des Haftungsbescheids unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Bei der Inhaftungnahme wegen Steuerhehlerei braucht der Bescheid nicht erkennen zu lassen, welche angekaufte Menge welcher einzelnen Einfuhr (aus von denselben Schmugglern bewirkten Einfuhren gleichartiger Waren innerhalb eines Jahres) zuzuordnen ist; er ist auch hinreichend bestimmt, wenn die betreffende Menge einer nicht näher spezifizierten Einfuhr innerhalb des Gesamtzeitraums zugerechnet wird. Abgesehen davon hat das FG, soweit es entschieden hat, die angefochtenen Bescheide erfaßten keine anderweit berücksichtigten Alkoholmengen, maßgebend auf einen Vergleich der ursprünglichen Haftungsbescheide und der Änderungsbescheide abgestellt und sich auf das nachträgliche Erläuterungsschreiben des HZA nur unterstützend berufen.

b) Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.

Revisionsrechtlich unangreifbar ist das FG auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, daß an die KG insgesamt nur aus Schmuggelsprit hergestellte Spirituosen geliefert worden waren und daß der Kläger über die Herkunft der Waren unterrichtet war. Vergeblich rügt die Revision, das FG habe nicht genügend aufgeklärt, ob nicht zur Herstellung der Spirituosen auch Monopolsprit verwendet worden sei, und zur Frage einer Unterrichtung des Klägers den V nicht selbst vernommen. Insoweit ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung. Da das FG sich nicht veranlaßt sehen mußte, V zu vernehmen, und sich - unter Berücksichtigung weiterer Indizien - mit der Aussage des Zeugen Y begnügen durfte, brauchte es auch nicht auf die Beibringung einer schriftlichen Auskunft des V oder die Durchführung eines Rechts- oder Amtshilfeverfahrens durch das HZA hinzuwirken.

Mangels entsprechenden Beweisantrags bedurfte es auch keiner weiteren Aufklärung hinsichtlich der Frage, ob am . . . an die KG gelieferte Spirituosen aus zwei Tage zuvor eingeschmuggeltem Sprit stammen konnten. Die von dem FG insoweit gewonnene Überzeugung beruht auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Würdigung sowohl der Erfahrung, daß Schmuggelalkohol so rasch wie möglich umgeschlagen wird, als auch des Umstandes, daß Trinkbranntwein einfachster Art ohne größeren Zeitaufwand hergestellt werden kann. Die Folgerung des FG ist nachvollziehbar und denkgesetzlich möglich, mithin für das Revisionsgericht bindend (vgl. auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, 10, BStBl II 1988, 944).

Der Rüge, das FG habe sich auf die in unzulässiger Weise gewonnene Erkenntnis gestützt, der Kläger habe als Komplementär auch mit der Kalkulation und den Einkaufsbedingungen zu tun gehabt, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Die Vorentscheidung beruht - selbständig - auf der vom FG aus einer Gesamtheit von Indizien - Unterrichtung des . . . durch V; ggf. Weiterunterrichtung eines anderen . . .; (im Strafverfahren) festgestellte Besonderheiten der Geschäftsabwicklung mit V - gewonnenen Überzeugung, daß (auch) der Kläger von der Herkunft der Spirituosen Kenntnis hatte, er zumindest mit einer Herstellung aus Schmuggelsprit rechnete (allgemein zu den Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Tatrichters Senat, Urteil vom 24. März 1987 VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560, 562).

Zu dieser Überzeugung ist das FG unabhängig davon gelangt, welche besondere Zuständigkeit der Kläger als Komplementär innerhalb der KG hatte.

2. Ohne Rücksicht auf eine besondere Revisionsrüge aufzuheben ist die Vorentscheidung, soweit das FG eine - nicht erhobene - Klage gegen (tatsächlich nicht erfolgte) erstmalige Abgabenfestsetzungen in den Einspruchsentscheidungen abgewiesen hat (vgl. Senatsurteil in VII R 5/88).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417430

BFH/NV 1991, 650

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