Entscheidungsstichwort (Thema)

Maschinengebundene Werkzeuge: Investitionszulage, keine geringwertigen Wirtschaftsgüter

 

Leitsatz (amtlich)

Maschinengebundene Werkzeuge sind in aller Regel keine geringwertigen Wirtschaftsgüter i.S. von § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG. Trotz fehlender selbständiger Nutzbarkeit bilden sie dann auch keine (zulagen-)rechtliche Einheit mit den Maschinen, an denen sie verwendet werden; d.h. sie sind auch zulagenbegünstigt, wenn ihr Anschaffungswert unter (derzeit) 800 DM liegt.

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der "abgeschlossenen" Investition wird in § 3 InvZulG 1991 lediglich zur Bestimmung des Begünstigungszeitraumes verwendet. Er sagt nichts über die Zulagenbegünstigung maschinengebundener Werkzeuge oder anderer (nur) selbständig bewertbarer Wirtschaftsgüter, die erst nach Abschluß der "Hauptinvestition" --hier der Anschaffung der Maschinen-- angeschafft werden.

2. Für die investitionszulagenrechtliche Beurteilung maschinengebundener Werkzeuge ist es unschädlich, ob es sich um sog. kurzlebige Wirtschaftsgüter handelt und/oder der Antragsteller sie in eine Festwertbildung einbezogen hat. Sie gehören auch zum Anlagevermögen, es sei denn, sie wären nur zur Durchführung eines einzigen Auftrags angeschafft worden (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

InvZulG 1991 § 2 Sätze 1, 2 Nr. 1; EStG 1990 § 6 Abs. 2; InvZulG 1991 § 3

 

Verfahrensgang

Thüringer FG (Entscheidung vom 14.07.1993; Aktenzeichen I K 3/93)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhält in A (Thüringen) eine mechanische Werkstatt. Für diese tätigte er im Jahre 1991 (Streitjahr) Investitionen in Höhe von insgesamt ... DM. Von diesem Betrag entfielen ... DM auf maschinengebundene Werkzeuge (eine Entgraterwalze, verschiedenartige Bohrer und Fräser, Wendeplatten und dergleichen).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) entsprach dem vom Kläger über die gesamte Investitionssumme gestellten Zulagenantrag nicht in vollem Umfang. Es blieben insbesondere die Aufwendungen für die maschinengebundenen Werkzeuge unberücksichtigt. Das FA war der Auffassung, daß es sich dabei um geringwertige Wirtschaftsgüter handele.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 742 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus, daß die umstrittenen Werkzeuge zwar keine geringwertigen Wirtschaftsgüter seien, da sie in einen Nutzungszusammenhang mit den Werkzeugmaschinen eingebunden und auf diese technisch abgestimmt seien. Sie seien jedoch nicht neu i.S. des § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991, da sie zum bestimmungsgemäßen Einsatz an Maschinen vorgesehen gewesen seien, die zum Zeitpunkt der Anschaffung der Werkzeuge ihrerseits nicht mehr neu gewesen seien. Darauf, ob die Werkzeuge selbständig bewertbar seien, komme es nicht an. Außerdem sollten Ersatz- und Reparaturteile nach dem Zweck des InvZulG 1991 nicht gefördert werden. Schließlich folge der Senat auch nicht dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. März 1979 III R 20/78 (BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578).

Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die Revision des Klägers, mit der dieser eine Verletzung von § 2 InvZulG 1991 sowie des Rechts auf rechtliches Gehör rügt. Er führt dazu im wesentlichen aus: Bei den von ihm angeschafften Werkzeugen handele es sich um selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter. Diese verlören auch nach der Verbindung mit einer Werkzeugmaschine nicht ihre Selbständigkeit, da die Verbindung nie dauerhaft sei und das äußere Erscheinungsbild nicht berührt werde. Die Werkzeuge seien entgegen der Auffassung des FG nicht wie Ersatzteile zu behandeln, die eine dauerhafte Verbindung mit dem Wirtschaftsgut, in dem sie verwendet würden, eingingen. Das FG habe den Unterschied zwischen Ersatzteilen und maschinengebundenen Werkzeugen verkannt. Entgegen der Rechtsauffassung des FG komme es nicht darauf an, ob derartige Werkzeuge zusammen mit der Maschine, an der sie eingesetzt werden sollen, angeschafft werden oder nicht. Die Werkzeuge gehörten auch zum Anlagevermögen, da sie nicht zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt gewesen seien.

Sein, des Klägers, Recht auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, daß das FG eine angebotene Aufstellung der umstrittenen Werkzeuge mit dem Hinweis abgelehnt habe, sie sei für die Urteilsfindung ohne Bedeutung. Das FG habe dann jedoch im angefochtenen Urteil zur Überraschung des Klägers darauf abgehoben, ob die Werkzeuge für neue oder für alte Maschinen angeschafft worden seien. Da die Werkzeuge zum großen Teil für zwei neue, im Jahre 1991 angeschaffte Maschinen erworben worden seien, wäre die Aufstellung für den Ausgang des Verfahrens sehr wohl bedeutsam gewesen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und eine weitere Investitionszulage von ... DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Festsetzung der Investitionszulage in der vom Kläger begehrten Höhe (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht der selbständigen Bewertbarkeit der Werkzeuge keine Bedeutung beigemessen.

Wird diese jedoch berücksichtigt, dann ist die Anschaffung der Werkzeuge zulagenbegünstigt, da auch die übrigen Voraussetzungen des § 2 InvZulG 1991 erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift ist die Anschaffung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (zulagen-)begünstigt, wenn --neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- diese Wirtschaftsgüter nicht geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind.

a) Zutreffend ist das FG (zwar) davon ausgegangen, daß die vom Kläger angeschafften maschinengebundenen Werkzeuge keine geringwertigen Wirtschaftsgüter i.S. von § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG sind, die schon nach § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 nicht (zulagen-)begünstigt wären.

Die Werkzeuge können ihrer Zweckbestimmung nach nämlich nur zusammen mit den betreffenden Bohr-, Fräs- usw. -maschinen genutzt werden; sie sind auch technisch auf diese Maschinen abgestimmt. Damit sind sie einer selbständigen Nutzung i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht fähig (§ 6 Abs. 2 Satz 2 EStG; siehe aus jüngerer Zeit auch das BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 57/86, BFHE 164, 324, BStBl II 1991, 682, zur Beurteilung von Lithographien im Druckereigewerbe).

b) Zu Unrecht hat das FG aus dieser fehlenden --tatsächlichen-- selbständigen Nutzbarkeit jedoch den Schluß gezogen, die Werkzeuge bildeten auch (zulagen-)rechtlich eine Einheit mit den betreffenden Maschinen.

aa) Im Gegensatz zur Auffassung des FG hat der BFH --gerade im Zulagenrecht-- in ständiger Rechtsprechung der Frage, ob ein Wirtschaftsgut selbständig bewertbar ist, entscheidende Bedeutung beigemessen (so schon in den Urteilen vom 21. Juli 1966 IV 231/65, BFHE 87, 178, BStBl III 1967, 58, und IV 289/65, BFHE 87, 180, BStBl III 1967, 59, sowie vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238; später siehe insbesondere die Urteile des erkennenden Senats in BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578, sowie vom 28. September 1990 III R 77/89, BFHE 164, 156, BStBl II 1991, 361). Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Insbesondere spielt es --entgegen der Auffassung des FA in der Revisionserwiderung-- keine Rolle, daß bei Beachtung dieser Rechtsprechung für (lediglich) selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter mit einem Anschaffungswert unter 800 DM Investitionszulage zu gewähren ist, während sie für geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG --bei sonst gleichen Verhältnissen-- nicht in Betracht kommt. Zu dieser Differenzierung hat der BFH schon wiederholt Stellung genommen; er hat sie in ständiger Rechtsprechung für gerechtfertigt gehalten, weil der Gesetzgeber eine Doppelbegünstigung durch die "Sofortabschreibung" nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG (siehe hierzu z.B. das BFH-Urteil vom 19. Januar 1984 IV R 224/80, BFHE 140, 270, BStBl II 1984, 312, Nr. 2 b der Entscheidungsgründe) und durch die Gewährung von Investitionszulagen vermeiden wollte (siehe hierzu schon die Urteile in BFHE 87, 180, BStBl III 1967, 59, und vom 29. Juli 1966 VI 302/65, BFHE 87, 310, BStBl III 1967, 151; später in BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578, Nr. 3 der Entscheidungsgründe, sowie --aus jüngerer Zeit-- vom 8. Juli 1994 III R 13/93, BFHE 175, 178, BStBl II 1994, 869, Nr. 2 6. Absatz der Entscheidungsgründe, zur Investitionszulagenverordnung vom 4. Juli 1990).

Da im Streitfall --wie oben dargelegt-- eine "Sofortabschreibung" nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in Betracht kommt, steht der Zulagengewährung der Gesichtspunkt der Doppelbegünstigung nicht entgegen.

bb) Gegen die zulagenrechtliche Begünstigung lediglich selbständig bewertbarer Wirtschaftsgüter sprechen im Streitfall auch nicht etwa Vorschriften des InvZulG 1991 selbst. Der vom FG in diesem Zusammenhang genannte § 3 InvZulG 1991 verwendet den Begriff der "abgeschlossenen" Investitionen lediglich zur Bestimmung des Begünstigungszeitraumes. Er sagt nichts über die Zulagenbegünstigung maschinengebundener Werkzeuge oder anderer (nur) selbständig bewertbarer Wirtschaftsgüter aus, die erst nach Abschluß der "Haupt"investition --hier der Anschaffung der Maschinen-- angeschafft werden. Ob insoweit ein gesonderter Begünstigungstatbestand erfüllt ist, richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Regeln.

cc) Die vom Kläger angeschafften Werkzeuge sind schließlich auch nicht --worauf die Argumentation des FG im Ergebnis hinausläuft-- unselbständige Teile der Maschinen geworden, für die sie angeschafft worden waren. Sie haben vielmehr ihre selbständige Bewertbarkeit behalten. Entsprechend den vom Senat im Urteil vom 28. September 1990 III R 178/86 (BFHE 162, 177, BStBl II 1991, 187) aufgestellten Grundsätzen erscheinen die betreffenden Maschinen ohne die jeweils dazugehörigen Werkzeuge nicht unvollständig oder haben gar ein negatives Gepräge. Die hier zu beurteilenden Werkzeuge werden --nach den betrieblichen Erfordernissen-- auch nur vorübergehend und im Wechseleinsatz verwendet; an ein und derselben Maschine sind Werkzeuge verschiedener Art und Größe verwendbar. Nach dem Vortrag des FA in der Revisionserwiderung können die Werkzeuge auch an mehreren Maschinen eingesetzt werden.

Diese Würdigung im Streitfall entspricht der ständigen Rechtsprechung, die maschinengebundene Werkzeuge allgemein als selbständig bewertbar beurteilt hat (siehe z.B. schon BFH-Urteile vom 28. Februar 1961 I 13/61 U, BFHE 73, 318, BStBl III 1961, 383, und I 195/60 U, BFHE 73, 322, BStBl III 1961, 384; auch in BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238, und vom 19. Oktober 1972 IV R 102/68, BFHE 107, 217, BStBl II 1973, 53, sowie in BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578).

c) Nach denselben Urteilen handelt es sich bei den vom Kläger angeschafften Werkzeugen auch um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Dafür, daß sie der Kläger zur Durchführung nur eines einzigen Auftrages angeschafft hätte und sie deswegen zum Umlaufvermögen gehörten (siehe hierzu z.B. das BFH-Urteil vom 28. Oktober 1977 III R 72/75, BFHE 123, 538, BStBl II 1978, 115), ist nichts ersichtlich.

Zulagenunschädlich ist schließlich, daß es sich bei den Werkzeugen möglicherweise weitgehend um sog. kurzlebige Wirtschaftsgüter handelte und/oder der Kläger sie in eine Festwertbildung einbezogen hat (siehe hierzu insbesondere das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578).

d) Das angefochtene Urteil ist nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen aufzuheben. Auf den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kommt es nicht mehr an.

Die Sache ist spruchreif. Die Aufwendungen für die umstrittenen Werkzeuge sind in die Bemessungsgrundlage zur Gewährung der Investitionszulage einzubeziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65485

BFH/NV 1996, 75

BFH/NV 1996, 75-76 (LT)

BStBl II 1996, 166

BFHE 179, 522

BFHE 1996, 522

BB 1996, 421

BB 1996, 759 (L)

DB 1996, 556 (L)

DStR 1996, 300-301 (KT)

DStZ 1996, 248 (KT)

HFR 1996, 260-261 (L)

StE 1996, 8 (K)

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