Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Haushaltsführung bei beidseits berufstätigen Ehe gatten mit gemeinsamer Wohnung am Beschäftigungsort

 

Leitsatz (NV)

Bei beidseits berufstätigen Ehegatten liegt eine doppelte Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auch dann vor, wenn sie außer der gemeinsamen Wohnung an ihrem Lebensmittelpunkt während der Woche am Beschäftigungsort gemeinsam eine Wohnung bewohnen, von der aus sie ihre jeweilige Arbeitsstätte aufsuchen (Bestätigung der Rechtsprechung in dem Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430; Änderung der Rechtsprechung in dem Urteil vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren zunächst beide in A beschäftigt. Dort bewohnten sie eine selbstgenutzte Eigentumswohnung. Wegen Stillegung des Werkes in A wurden beide Kläger nach B versetzt. Sie behielten ihre bisherige Wohnung bei und mieteten am neuen Beschäftigungsort zum 1. Oktober 1985 eine Wohnung an.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1986 machten die Kläger die Miete am neuen Beschäftigungsort und Fahrt kosten in Höhe von 6 832 DM (365 km × 104 Fahrten × 0,18 DM) als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt C berücksichtigte Fahrtkosten von 1 713 DM (52 Fahrten × 183 km × 0,36 DM) und die Mietaufwendungen. Der kraft Vereinbarung zuständige Beklagte und Revisionsbeklagte (das Fi nanzamt -- FA --) nahm in der Einspruchsentscheidung eine vorher angekündigte Verböserung dahin vor, daß er nur Aufwendungen in Höhe von 5 782 DM für Fahrtkosten (44 Fahrten × 365 km × 0,36 DM) und keine Mietkosten mehr anerkannte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger neben den Mietkosten Fahrtkosten in Höhe von 10 775 DM als Werbungskosten geltend machten, nach vorangegangener Beweisaufnahme als unbegründet ab und führte aus: Die Kläger hätten nicht den ihnen obliegenden Nachweis erbracht, tatsächlich mehr als 44 Fahrten durchgeführt zu haben. Die Mietkosten seien nicht zu berücksichtigen, weil die Voraussetzungen einer doppelten Haushalts führung nicht vorgelegen hätten. Der Haushalt der Kläger sei nicht aufgespalten, sondern die Kläger hätten einen gemeinsamen Zweitwohnsitz innegehabt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338, 341, rechte Spalte).

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor: Das FG habe nicht beachtet, daß nach der Rechtsprechung des BFH die Fahrtaufwendungen eines Arbeitnehmers, der zwei Wohnungen innehabe, von der weiter entfernt liegenden Wohnung zur Arbeitsstätte als Werbungskosten anerkannt werden könnten, wenn diese Wohnung der ört liche Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sei. Außerdem könnten Kosten für eine Unterkunft am Beschäftigungsort für eine Übergangszeit als Werbungskosten abziehbar sein, solange ein Umzug nicht zumutbar sei. Das FG nehme weder zu der Frage, ob die Kläger eine angemessene Wohnung gefunden hätten, noch dazu Stellung, in welcher der von den Ehegatten benutzten Wohnungen der Mittelpunkt ihrer Lebens interessen bestanden habe. Hätte das FG die Frage geprüft, ob eine angemessene Wohnung am neuen Beschäftigungsort hätte gefunden werden können, und den Sachverhalt entsprechend aufgeklärt, wäre es möglicherweise zu dem Ergebnis gekommen, daß die Mietaufwendungen als Werbungskosten abziehbar seien. Bei Aufklärung des Sachverhaltes wäre dem FG auch bewußt geworden, daß der Mittelpunkt der Lebensinteressen beispielsweise nach wie vor in A gelegen habe. Es werde mangelnde Sachaufklärung (§ 76 Abs. 2 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --) als Verfahrensmangel gemäß § 118 Abs. 2 FGO gerügt.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und ihrem Klagebegehren (Miete: 4 570 DM, Fahrtkosten: 10 775 DM) zu entsprechen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es macht geltend: Die Revision ist unzulässig, weil die nach Ansicht der Kläger verletzte Rechtsnorm nicht bezeichnet worden sei. Soweit als Verfahrensfehler mangelnde Sachaufklärung gerügt worden sei, sei nicht dargestellt worden, welche vom Urteil abweichende materiell-rechtliche Folgerung sich daraus ergebe.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig. Die Kläger sehen eine Rechtsverletzung durch das finanzgerichtliche Urteil nicht nur darin, daß die Fahrtkosten nicht in der begehrten Höhe anerkannt worden sind, sondern rügen außerdem, daß die Mietkosten am Beschäftigungsort nicht wegen einer doppelten Haushaltsführung anerkannt worden sind. Auch wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausdrücklich als die verletzte Rechtsnorm bezeichnet worden ist, ist den weiteren Ausführungen der Kläger doch zu entnehmen, daß sie einen Verstoß der Vorentscheidung gegen diese Vorschrift rügen. Die Angabe eines bestimmten Paragraphen ist gemäß § 120 Abs. 2 FGO für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung nicht unbedingt erforderlich, wenn eindeutig erkennbar ist, welche Norm der Kläger für verletzt hält (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 31). Durch die Verwendung des Begriffs der doppelten Haushaltsführung haben die Kläger eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie sich gegen die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wenden.

2. Die Revision ist zum Teil begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz können die Mietkosten am Beschäftigungsort gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abgezogen werden. Die Entscheidung des FG, die Fahrtkosten nur für 44 Fahrten anzuerkennen, ist hingegen nicht zu beanstanden.

a) Das FG ist auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen, daß die Kläger keinen doppelten Haushalt i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG geführt haben, weil während ihres Aufenthalts am Beschäftigungsort in der Wohnung in A, wo sich auch nach Ansicht des FG und des FA der Lebensmittelpunkt der Kläger befand, kein -- stellvertretendes -- hauswirtschaftliches Leben herrschte. Der Senat hat mit Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 340, seine bisherige Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung geändert. Er hält nicht mehr daran fest, daß das Unterhalten eines eigenen Hausstandes am Mittelpunkt der Lebensinteressen voraussetzt, daß dort auch während der berufsbedingten Abwesenheit des Steuerpflichtigen hauswirtschaftliches Leben durch die Anwesenheit von Familienangehörigen herrschen muß. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil Bezug genommen.

Daraus folgt zwangsläufig, daß auch nicht mehr an der in dem BFH-Urteil in BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338 vertretenen Ansicht festgehalten werden kann. Danach liegt eine doppelte Haushaltsführung bei beidseits berufstätigen Ehegatten dann nicht vor, wenn sie außer der Wohnung an ihrem Lebensmittelpunkt während der Woche am Beschäftigungsort gemeinsam eine Wohnung bewohnen, von der aus sie ihre jeweilige Arbeitsstätte aufsuchen. Aus den in dem Urteil VI R 62/90, BFHE 175, 340, aufgestellten Grundsätzen folgt, daß nunmehr in einem derartigen Fall für die Annahme einer doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG bei Verheirateten ebenso wie bei Ledigen entscheidend ist, daß die bisherige Wohnung weiterhin den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden muß.

Die Vorentscheidung ist aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG liegen vor. Die Kläger hatten in A einen eigenen Hausstand und dort auch den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen beibehalten. Die zweite Wohnung am Beschäftigungsort in B war aus beruflichem Anlaß, nämlich wegen der Versetzung dorthin, angemietet worden. Da über die Höhe der Mietkosten am Beschäftigungsort kein Streit besteht, sind Mietaufwendungen in Höhe von 4 570 DM als zusätzliche Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG zu berücksichtigen.

b) Die Revision ist hingegen unbegründet, soweit die Kläger höhere als die bereits anerkannten Fahrtkosten geltend machen. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Kläger nicht den Nachweis erbracht haben, im Streitjahr mehr als 44 Heimfahrten durchgeführt zu haben. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, tragen die Kläger die Feststellungslast für das Vorliegen von Werbungskosten. Darüber hinaus könnte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ohnehin nur eine Heimfahrt pro Woche berücksichtigt werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 585

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