Leitsatz (amtlich)

Die Mitwirkung eines Schauspielers an der Herstellung eines Fernsehfilms ist in der Regel eine nichtselbständige Arbeit. Aus dem Umstand, daß ein Schauspieler in einem Streitjahr daneben noch andere Tätigkeiten ausübt, kann noch nicht geschlossen werden, seine Mitwirkung an einem Fernsehfilm sei eine selbständige Arbeit.

 

Normenkette

DBA AUT Art. 8-10, 13; EStG §§ 18-19; LStDV § 1 Abs. 3

 

Tatbestand

Der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) ist Schauspieler. Außer Einnahmen in Höhe von 21 736,26 DM für Filmaufnahmen, Werbefilme, Filmsynchronisierungsarbeiten beim Fernsehen und seine Tätigkeit am Theater bezog der Steuerpflichtige für Fernsehaufnahmen in Wien vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) 12 204,62 DM. Der Steuerpflichtige erhielt diese Vergütung für seine Mitwirkung als Schauspieler in zwei vom WDR in Gemeinschaftsproduktion mit dem Österreichischen Fernsehen in der Zeit vom 22. Februar bis 29. März 1961 und 17. September bis 21. Oktober 1961 gedrehten Fernsehfilmen.

Das FA behandelte die streitigen Einkünfte als solche aus nichtselbständiger Arbeit und unterwarf sie der inländischen Besteuerung. Die dagegen eingelegte Sprungberufung, mit der der Steuerpflichtige die Auffassung vertrat, er habe Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bezogen, hatte Erfolg. Die Vorinstanz führte aus:

Das Besteuerungsrecht für Einkünfte stehe der Republik Österreich zu, da es sich um eine freiberufliche künstlerische Tätigkeit gehandelt habe. Die höchstrichterliche Rechtsprechung gehe wohl davon aus, daß die Mitwirkung von Schauspielern bei Filmaufnahmen grundsätzlich im Rahmen einer weisungsgebundenen nichtselbständigen Tätigkeit stattfinde. Bei der steuerlichen Beurteilung einer künstlerischen Tätigkeit - wie die Mitwirkung des Steuerpflichtigen bei den Filmaufnahmen in Wien -, die ihrem Wesen nach vorwiegend freiberuflich im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt werde, könne sich aus dem Gesamtbild der Tätigkeit eines Schauspielers jedoch etwas anderes ergeben. So habe der Steuerpflichtige im Streitjahr 23 Aufträge erhalten und ausgeführt und dabei die verschiedensten Tätigkeiten übernommen. Die Verträge, die der Steuerpflichtige mit dem WDR als alleinigem Auftraggeber geschlossen habe, seien nicht grundsätzlich als Arbeitsverträge zu beurteilen. Es liege in ihnen die Verpflichtung zu einem Werk, zur Darstellung von Personen. Es sei kein Unterschied, ob diese Leistung als Direktsendung oder als Vorbereitung für einen Fernsehfilm erbracht werde. Die Leistung werde nur einmal bewirkt, anders als bei der Verpflichtung, Theater zu spielen. Bei der Durchführung von Filmarbeiten müßten zwar ebenfalls Zeit, Ort und dergleichen mehr zuvor mit dem Auftraggeber abgesprochen werden. Daraus folge aber keine derartige Weisungsgebundenheit, daß die Tätigkeit als nichtselbständig anzusehen sei. Der Steuerpflichtige sei auch nicht durchgehend zeitlich gebunden gewesen; denn er sei vom 24. bis 27. September 1961 auch für eine Filmgesellschaft in München tätig gewesen. Auch der WDR als Auftraggeber habe die Tätigkeit als selbständig angesehen; denn er habe keine Lohnsteuer einbehalten. Das Gesamtbild der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Streitjahr spreche für eine freiberufliche (künstlerische) Tätigkeit.

Mit der vom Landesfinanzamt Berlin - jetzt OFD Berlin - für das FA eingelegten Rechtsbeschwerde (Revision) wird die Verletzung der §§ 18, 19 EStG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 LStDV gerügt. Das FA trägt vor:

Das Verwaltungsgericht sei ohne ausreichende Begründung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen. Das Gesamtbild der für den WDR erbrachten schauspielerischen Tätigkeit weise weit mehr auf einen Arbeitsvertrag als auf eine freiberufliche Tätigkeit.

Mit Schriftsatz vom 26. August 1968 legte das FA Revision ein mit dem Antrag, wegen Versäumung der Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdefrist, die durch die unzulässige Vertretung durch die OFD eingetreten sei, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung seiner Revision wiederholte das FA den Vortrag der OFD. Mit Vollmacht vom 8. August 1969 hat das FA die OFD Berlin bevollmächtigt, es im gesamten steuergerichtlichen Verfahren zu vertreten.

Das FA beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Berufung (Klage) zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die vom Landesfinanzamt (OFD) eingelegte Rechtsbeschwerde (Revision) ist zulässig. Das FA hat den zunächst vorhanden gewesenen Mangel in der Vertretungsmacht der OFD dadurch geheilt, daß es dessen Prozeßführung durch Erteilung einer Prozeßvollmacht genehmigt hat (§ 62 Abs. 3, § 155 FGO, § 89 Abs. 2 ZPO). Dadurch ist der früher eingegangene Antrag des FA auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenstandslos geworden.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Der Steuerpflichtige ist aufgrund seines Wohnsitzes in Berlin (West) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Die hier strittigen Einkünfte wären steuerfrei, sofern das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich - (BStBl I 1955, 370) das Besteuerungsrecht der Republik Österreich zuweisen würde (§ 3 Nr. 41 EStG, § 9 StAnpG). Das träfe dann zu, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezogen hätte (Art. 8 DBA-Österreich). Sind die Einkünfte dagegen solche aus nichtselbständiger Arbeit, so sind die Art. 9 und 10 DBA-Österreich zu beachten. Art. 9 regelt die Besteuerung von Bezügen einer "im privaten Dienst beschäftigten Person" (Nr. 22 des Schlußprotokolls). Art. 10 DBA-Österreich hat die Besteuerung bestimmter Einkünfte aus einem öffentlichen Dienstverhältnis zum Gegenstand. Im Streitfall kann es indessen dahinstehen, ob der Steuerpflichtige beim WDR in einem privaten oder einem öffentlichen Dienstverhältnis beschäftigt war. Im ersten Fall greift die das Besteuerungsrecht des Ursprungsstaats (Österreich) begründende Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 nicht durch, da die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DBA-Österreich erfüllt sind, die der Anwendung des Art. 9 Abs. 1 entgegenstehen. Im zweiten Fall - bei Annahme eines öffentlichen Dienstverhältnisses - ergibt sich aus Art. 10 DBA-Österreich keine Zuteilung des Steuerguts an die Republik Österreich; denn sowohl Zahlstelle wie auch Wohnsitz des Steuerpflichtigen liegen im Inland. Ergibt also die Beurteilung, daß der Steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat, so steht in jedem Falle nach der Generalklausel des Art. 13 DBA-Österreich das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland als dem Wohnsitzstaat zu, da das DBA-Österreich für Einkünfte dieser Art keine besondere Regelung getroffen hat.

Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz tragen nicht den von ihr gezogenen Schluß, daß im Streitfall Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzunehmen seien.

Ob Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit vorliegen, bestimmt sich auch für die Auslegung eines Doppelbesteuerungsabkommens nach den Vorschriften des innerdeutschen Rechts, da die Doppelbesteuerungsabkommen die Abgrenzung der Einkunftsarten nicht regeln (Urteil des BFH I 216/64 vom 29. November 1966, BFH 88, 370, BStBl III 1967, 392). Im Unterschied zur selbständigen (freiberuflichen) Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) liegt ein Dienstverhältnis im Sinne des § 19 EStG dann vor, wenn jemand einem anderen seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn der Beschäftigte in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 3 LStDV). Entscheidend ist das Gesamtbild der vertraglichen Vereinbarung und deren Durchführung (vgl. BFH-Urteil VI 385/65 vom 6. November 1970, BFH 100, 320, BStBl II 1971, 22). Der erkennende Senat hat unter Anwendung dieser Grundsätze die Mitwirkung eines Filmschauspielers bei der Herstellung eines Spielfilmes in der Regel als nichtselbständige Tätigkeit angesehen (BFH-Urteile I 116/61 U vom 27. November 1962, BFH 76, 266, BStBl III 1963, 95; I 216/64, a. a. O.; I 215/64 vom 30. November 1966, BFH 88, 378, BStBl III 1967, 400).

Der Auffassung der Vorinstanz, daß im Streitfall eine von den Grundsätzen der Rechtsprechung abweichende Beurteilung gerechtfertigt sei, kann nicht gefolgt werden.

Das Verwaltungsgericht weist darauf hin, daß der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Tätigkeit als Schauspieler im Streitjahr 23 Aufträge übernommen habe. Ob indes im Streitjahr mehrere Tätigkeiten ausgeübt worden sind - und gegebenenfalls wie viele - kann für die rechtliche Einordnung jeder einzelnen dieser Tätigkeiten nicht entscheidend sein. Jede Tätigkeit muß für sich selbst nach dem sich für sie ergebenden Gesamtbild beurteilt werden.

Daß der Steuerpflichtige seine schauspielerische Leistung in jedem der beiden Filme nur einmal erbracht hat, ist keine Stütze für die Annahme, der Steuerpflichtige habe eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Denn auch bei einem auf einen einmaligen Spielerfolg gerichteten Rechtsverhältnis wird der Schauspieler in der Regel im Zusammenspiel mit den anderen beteiligten Schauspielern weitgehend in den Organismus der Filmproduktion eingegliedert sein. Ort und Zeit seiner Tätigkeit werden wesentlich vom filmproduzierenden Unternehmen bestimmt werden. Auf die Dauer der Filmtätigkeit kommt es dabei nicht an (BFH-Urteil I 116/61 U, a. a. O.). Es spricht auch nicht entscheidend gegen eine Eingliederung in ein fremdes Unternehmen, daß der Steuerpflichtige im Streitfall nicht durchgehend zeitlich an die Filmobjekte des WDR gebunden war, sondern vom 24. bis 27. September 1961 auch für eine andere Filmgesellschaft tätig gewesen ist. Es folgt schon aus der Natur der Tätigkeit eines Filmschauspielers, daß er nicht in ständig gleichbleibendem Maße, sondern je nach seiner Rolle und nach dem Ablauf des Produktionsprogramms unterschiedlich für die Filmarbeit in Anspruch genommen wird.

Schließlich kann die Beurteilung der ausgeübten Tätigkeit auch nicht davon abhängen, ob der WDR Lohnsteuer einbehalten hat. Denn die rechtliche Würdigung der Tätigkeit ist objektiv nach den Vorschriften der Steuergesetze vorzunehmen; die Vorstellungen der Beteiligten spielen dabei keine ausschlaggebende Rolle.

Die von diesen Grundsätzen abweichende Vorentscheidung ist aufzuheben. Das Vorbringen der Beteiligten und die vom Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgelegten Unterlagen über die vertraglichen Vereinbarungen geben keinen Anlaß zu weiteren Ermittlungen darüber, ob das Rechtsverhältnis des Steuerpflichtigen mit dem WDR vom Regelfall abweichend gestaltet und durchgeführt worden ist. Die Sache ist daher spruchreif. Die Klage (Sprungberufung) des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau wird als unbegründet abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412997

BStBl II 1972, 88

BFHE 1972, 421

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