Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzabhängige Rückvergütung an Mitglieder einer Genossenschaft als nachträgliche Entgeltserhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

Gewährt eine Genossenschaft ihren Mitgliedern mit Gutschriften eine umsatzabhängige Rückvergütung für die an die Genossenschaft erbrachten Lieferungen, handelt es sich um eine nachträgliche Erhöhung des Entgelts mit der Folge, dass die Genossenschaft insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

 

Normenkette

UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG (Entscheidung vom 30.08.2000; Aktenzeichen 6 K 4562/98; EFG 2001, 242)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Genossenschaft, deren Zweck die "Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb" ist; vor allem ist Gegenstand die Anpassung der Erzeugung und des Absatzes von Schlachtvieh an die Erfordernisse des Marktes (§ 2 Abs. 2 der Satzung). U.a. kauft die Klägerin Schlachtvieh von ihren Mitgliedern und z.T. auch von Nichtmitgliedern zu jeweils gültigen wöchentlichen Marktpreisen; den Lieferanten erteilt sie Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis.

Nach ihrer Satzung (§ 42a Abs. 1) können Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, welcher Teil des Überschusses als genossenschaftliche Rückvergütung ausgeschüttet wird. Dabei ist auf einen angemessenen Reingewinn Rücksicht zu nehmen. Auf die vom Vorstand und vom Aufsichtsrat beschlossene Rückvergütung haben die Mitglieder einen Rechtsanspruch. Über die Verwendung des Reingewinnesbeschließt die Generalversammlung; er wird an die Mitglieder nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsguthaben am Schluss des vorangegangenen Geschäftsjahres verteilt (§ 43 der Satzung).

Aufgrund des Beschlusses vom 2. Februar 1995 erhielten die Mitglieder für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 1994 eine genossenschaftliche Rückvergütung von 0,5 % "auf das gelieferte Schlachtvieh"; d.h. das einzelne Mitglied erhielt 0,5 % seines gesamten "Nettoerlöses" aus den Schlachtviehlieferungen an die Klägerin zuzüglich Umsatzsteuer. Auch hierüber erteilte die Klägerin ihren Mitgliedern entsprechende Gutschriften mit ausgewiesener Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer (5 808,99 DM) machte sie in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1995 als Vorsteuerbeträge geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) stimmte der Steuererklärung zunächst zu, vertrat aber im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, die Rückvergütung berühre nicht die Bemessungsgrundlage für die Schlachtviehlieferungen; vielmehr handele es sich um eine Gewinnausschüttung. Er änderte dementsprechend den Umsatzsteuerbescheid für 1995.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 242 abgedruckt.

Zur Begründung führt das FG im Wesentlichen aus, Genossenschaften seien nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Werde ein Überschuss erzielt, sei den Mitgliedern zuviel verlangt bzw. zu wenig bezahlt worden. Die zunächst bezahlten Preise für das angelieferte Vieh seien bei den Mitgliedern deshalb als vorläufig zu beurteilen. Dementsprechend sei die Rückgewährung auch am jeweiligen Leistungsbeitrag des Mitglieds ―der Schlachtviehlieferung― und nicht ―wie bei der Gewinnverteilung― nach dem Umfang der Geschäftsanteile orientiert.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es macht geltend, die Rückvergütung hänge nicht mit dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis zusammen; sie sei vielmehr von Merkmalen geprägt, die vom Umfang des Leistungsaustausches unabhängig seien. Die Satzung schreibe in § 42 die Art der Überschussverteilung nicht vor. Eine Ausschüttung nach dem Umsatzvolumen sei möglich, aber nicht zwingend; eine Gewinnverteilung könne sich auch nach anderen Kriterien richten. Für die Unterstellung des FG, es handele sich um vorläufige Marktpreise, gebe es keinen Anhaltspunkt. Es handele sich auch nicht um eine freiwillige Erhöhung der Gegenleistung für die Schlachtviehlieferungen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit den Rückvergütungen das Entgelt für das an sie gelieferte Vieh nachträglich erhöht hat und deshalb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt war.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die ihm von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Als Rechnung gilt auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird (§ 14 Abs. 5 Satz 1 UStG). Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen.

2. Als Vorsteuerbetrag abziehbar ist allerdings nur die für einen ausgeführten, berechneten Umsatz geschuldete Umsatzsteuer (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. April 2002 V R 26/01, Deutsches Steuerrecht 2002, 992; vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, und vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BFH/NV 2001, 991). Die in den streitigen Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge sind deshalb nur abziehbar, wenn die Rückvergütung an die Mitglieder der Genossenschaft als nachträgliche Erhöhung des vereinbarten Entgelts für die Schlachtviehlieferungen zu beurteilen ist (§ 10 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG). Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des FA vor.

a) Eine Zahlung/Aufwendung ist grundsätzlich (nur) dann Entgelt/Gegenleistung für eine bestimmte Leistung, wenn sie "für die Leistung" bzw. "für diese Umsätze" gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält. Entscheidend ist, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus dem "Rechtsverhältnis", d.h. in der Regel aus den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt (z.B. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 V R 48/00, BFHE 196, 376, m.w.N. der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH―). Grundsätzlich bestimmt der Leistungsempfänger, ob er das "Entgelt für die Leistung" erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1972 V R 118/71, BFHE 105, 79, BStBl II 1972, 405 ―Trinkgeld―).

b) Für die Beurteilung von Leistungen zwischen Personenvereinigungen und ihren Mitgliedern gelten insoweit keine Besonderheiten. Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen zwischen einer Gesellschaft und deren Gesellschafter danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung an Gewinn oder Verlust ausgeglichen werden oder um Leistungen, die gegen Entgelt ausgeführt werden und damit auf einem Leistungsaustausch beruhen. Gleiches gilt für die Beurteilung von Leistungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern einer Genossenschaft und der Genossenschaft. Steuerbare Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 UStG liegen daher vor, wenn Grundlage hierfür konkrete Leistungsbeziehungen eines Mitgliedes der Genossenschaft zur Genossenschaft sind, die auf den Austausch der Leistungen des Genossenschaftsmitgliedes gegen Entgelt gerichtet sind (vgl. BFH-Urteile vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757; vom 5. Mai 1994 V R 76/92, BFH/NV 1995, 356; vom 8. November 1995 V R 8/94, BFHE 179, 186, BStBl II 1996, 176, jeweils m.w.N.). Diese Unterscheidung entspricht der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil vom 27. Januar 2000 Rs. C-23/98 ―Heerma― Slg. I-2000, 419, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 2000, 121, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht ―UVR― 2000, 141 Rz. 13). Ohne Bedeutung für die Beurteilung ist dabei, ob die Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruhen (BFH-Urteil in BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757).

c) Die genossenschaftliche Rückvergütung ist eine spezielle, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Form der genossenschaftlichen Überschussverteilung, die sich auf verschiedene Geschäftssparten (Bezugs-, Absatz-, Leistungs- oder Kreditgeschäfte) beziehen kann (vgl. z.B. Lang/Weidmüller/Metz/ Schaffland in Genossenschaftsgesetz, Kommentar, 33. Aufl. 1997, § 19 Rz. 42). Sie richtet sich ―anders als die Verteilung des Reingewinnes― nicht nach der Anzahl der von dem Mitglied gezeichneten Geschäftsanteile oder nach der Höhe der Einzahlungen darauf und ist keine Form der Gewinnverteilung (vgl. z.B. Müller, Genossenschaftsgesetz, Kommentar, § 19 Rz. 20; Lang/ Weidmüller/Metz/Schaffland, a.a.O, § 19 Rz. 20). Dementsprechend unterscheidet auch die Satzung der Klägerin zwischen genossenschaftlicher Rückvergütung einerseits (§ 42a der Satzung der Klägerin) und der Verteilung des Reingewinns (§ 43 der Satzung), der an die Mitglieder nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung an der Genossenschaft verteilt wird.

d) Umsatzsteuerrechtlich allein entscheidend für die Beurteilung der Rückvergütung ist, ob durch sie die Entgelte für bestimmte Umsätze geändert werden - sei es als Entgeltsrückzahlung für Leistungen der Genossenschaft an ihre Mitglieder oder als nachträgliches Entgelt für Lieferungen der Mitglieder an die Genossenschaft. Entgegen der Auffassung des FA ist für den Streitfall ohne Bedeutung, ob die Rückvergütung in anderer Form hätte gewährt werden können. Entscheidend sind grundsätzlich die konkreten rechtlichen Beziehungen. Richtet sich die Rückvergütung ―wie im Streitfall mit "5% auf das gelieferte Schlachtvieh"― nach dem Umfang bestimmter entgeltlicher Lieferungen des einzelnen Mitgliedes an die Genossenschaft, stellt die Rückvergütung eine nachträgliche Erhöhung des Entgelts i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG dar (vgl. Lang/ Weidmüller/Metz/Schaffland, a.a.O., § 19 Rz. 55).

3. Der Senat erkennt gemäß §§ 121 Satz 1, 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.

 

Fundstellen

Haufe-Index 792259

BFH/NV 2002, 1402

BStBl II 2003, 215

BFHE 199, 45

BFHE 2002, 45

BB 2002, 2003

DB 2002, 2252

DStRE 2002, 1259

DStZ 2002, 686

HFR 2002, 1116

UR 2002, 475

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