Leitsatz (amtlich)

Werden im zeitlichen Zusammenhang mit einer (Teil-)Betriebsveräußerung Aufwendungen zur Beendigung von Schuldverhältnissen gemacht, die dem laufenden Betrieb des Unternehmens dienten, so handelt es sich hierbei um keine den Veräußerungsgewinn belastenden Betriebsausgaben; diese Aufwendungen mindern vielmehr den laufenden Gewinn. Das gilt insbesondere für eine Abfindung an einen Pächter, die geleistet wird, um den Pächter zu einer vorzeitigen Aufgabe seines Pachtrechts an einem Betriebsgrundstück zu bewegen.

 

Normenkette

EStG 1975 § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 34

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, die u. a. eine Brauerei betreibt. Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörte ein Hotel, das sie verpachtet hatte.

Am 7. Oktober 1975 verkaufte sie das Hotelgrundstück (X, A-Str. 1) samt Inventar nebst einem Garagengrundstück (X, B-Str. 2) an die Stadtgemeinde X, wobei sie sich verpflichtete, die an den Hotel- und Garagengrundstücken bestehenden Miet- und Pachtverhältnisse bis zum 1. Januar 1976 zu beenden.

Am 21. Oktober 1975 schloß die Klägerin mit dem Pächter des Hotels einen Vertrag, durch den das - bis zum 30. November 1979 unkündbare - Pachtverhältnis zum 30. November 1975 gegen eine Entschädigung aufgehoben werden sollte. Die Klägerin erstattete dem Pächter aufgrund dieses Vertrages die Aufwendungen für die Betriebsaufnahme (Werbung, Drucksachen, Ausstattung, Konzessionsgebühr usw.); sie leistete ferner Ersatz für das - von der Klägerin zu übernehmende - Pächterinventar. Schließlich zahlte sie an den Pächter eine Pauschalabfindung für Verdienstausfall, Umzugskosten, Bewerbungsaufwand in Höhe von 40 000 DM (zuzüglich Mehrwertsteuer).

Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns für 1975 sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Veräußerung des Hotelbetriebs als eine nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung an. Die von der Klägerin an den früheren Pächter geleistete Pauschalabfindung berücksichtigte das FA in gewinnmindernder Weise bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns.

Die Klägerin begehrte dagegen, die Zahlung der Abfindung bei der Ermittlung des laufenden Gewinns als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, die Pächterabfindung könne nicht zu den "Kosten der Veräußerung" des Hotelbetriebs (§ 16 Abs. 1 EStG) gerechnet werden. Zwischen der Hotelveräußerung und der Beendigung des Pachtverhältnisses bestehe zwar eine enge Beziehung. In einem noch engeren sachlichen Zusammenhang stehe jedoch die Pächterabfindung zu der bisherigen Bewirtschaftung des Hotelbetriebs durch den Einsatz von Pächtern. Die Gewährung einer Abfindung an einen Pächter mit dem Ziel, ihn zur Aufgabe seines Pachtrechts zu bewegen, gehöre bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu den Werbungskosten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Februar 1975 VIII R 115/70, BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730); ebenso seien Aufwendungen, die einem Vermieter infolge der Räumung eines Mietwohngrundstücks entstünden, Werbungskosten (BFH-Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 56/68, BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880). Auch wenn diese Aufwendungen gemacht würden, um die betreffenden (im Privatvermögen befindlichen) Grundstücke veräußern zu können, handele es sich nicht um Kosten der - nur in Ausnahmefällen der Besteuerung unterliegenden - Veräußerung. Die Abfindung belaste die bisherigen Pacht (bzw. Miet-)einnahmen und nicht die zukünftigen (steuerfreien) Einnahmen aus der Veräußerung des Pachtobjekts. Bei der im Streitfall vorzunehmenden Abgrenzung zwischen den laufenden Betriebsausgaben und den durch die Veräußerung veranlaßten außerordentlichen Betriebsausgaben könne nichts anderes gelten. Laufende Betriebsausgaben seien demnach die durch die laufende Bewirtschaftung des Betriebs veranlaßten Aufwendungen, während als "besondere" Betriebsausgaben die durch den Veräußerungsvorgang wirtschaftlich veranlaßten Aufwendungen anzusehen seien. Im Streitfall seien deshalb die als Pächterabfindung geleisteten Beträge als laufende Betriebsausgaben zu erfassen. Als Folge der Erfassung dieses Betrags beim laufenden Gewinn (und einer entsprechenden Minderung des Gewerbeertrags) müsse allerdings die vom FA zugrunde gelegte Gewerbesteuerrückstellung herabgesetzt werden. Dementsprechend erhöhe sich der für das Streitjahr auszuweisende laufende Gewinn.

Mit der - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Auffassung, daß die Pächterabfindung den Veräußerungskosten zuzurechnen sei und deshalb den Veräußerungsgewinn mindere. Der Ansicht des FG, die Pächterabfindung sei in rechtsähnlicher Anwendung der BFH-Urteile in BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880, und in BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730 den laufenden Betriebsausgaben zuzurechnen, könne nicht gefolgt werden. Den genannten BFH-Urteilen habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Der BFH habe in diesen Entscheidungen darüber zu befinden gehabt, ob Abstandszahlungen im Privatbereich zu den sofort abzugsfähigen Werbungskosten gehörten. Diese Frage stelle sich im Streitfall nicht, da die Abstandszahlungen unstreitig Betriebsausgaben seien. Entscheidend sei, daß alle mit der Betriebsveräußerung in Zusammenhang stehenden Aufwendungen den Veräußerungsgewinn minderten.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die von der Klägerin geleistete Abfindung an den bisherigen Pächter des Hotels als Betriebsausgabe den laufenden Gewinn - und nicht den Veräußerungsgewinn - mindert.

1. Wird ein Teilbetrieb veräußert, so gehört der hierbei erzielte Gewinn zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Veräußerungsgewinn ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 34 EStG als außerordentlicher Gewinn steuerbegünstigt. Er muß deshalb gegenüber dem laufenden Gewinn abgegrenzt werden.

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein einzelner Geschäftsvorfall die Höhe des laufenden Gewinns oder des Veräußerungsgewinns beeinflußt, kommt es darauf an, in welchem Zusammenhang der Geschäftsvorfall steht.

a) Der laufende Gewinn, der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 4 bis 7e EStG) zu ermitteln ist, wird durch die zur normalen Geschäftstätigkeit gehörenden Vorgänge und deren Abwicklung bestimmt (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1981 IV R 136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798).

b) Den Veräußerungsgewinn können nur solche Vorgänge beeinflussen, die mit der Veräußerung des Betriebs (bzw. Teilbetriebs) in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Als Veräußerungsgewinn wird vom Gesetz (§ 16 Abs. 2 EStG) der Betrag bezeichnet, "um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt". Im Veräußerungsgewinn sollen alle im Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven erfaßt (und begünstigt besteuert) werden.

Es wäre allerdings zu eng, wenn man sich bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf die rechnerische Gegenüberstellung von Veräußerungspreis, Veräußerungskosten und Buchwert des veräußerten Betriebes beschränken würde. Denn der Veräußerungsgewinn wird nicht nur durch die "Veräußerungskosten", d. h. die in unmittelbarer sachlicher Beziehung zum Veräußerungsgeschäft stehenden Kosten wie Notar- und Grundbuchgebühren, Maklerprovisionen und die durch den Veräußerungsvorgang selbst entstehenden Steuern (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1977 IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100) gemindert. Nach der Rechtsprechung des BFH kann der Veräußerungs-(bzw. Betriebsaufgabe-)gewinn z. B. auch gemindert werden durch Buchverluste, die durch die entschädigungslose Überlassung eines Wirtschaftsguts an einen Dritten als Folge der Veräußerung (Betriebsaufgabe) eingetreten sind (Urteil vom 19. Mai 1971 I R 46/70, BFHE 102, 380, BStBl II 1971, 688). Auch andere Fälle einer Minderung des Veräußerungsgewinns durch wirtschaftlich eng mit der Veräußerung zusammenhängende Vorgänge sind denkbar.

2. Zur Annahme eines den Veräußerungsgewinn beeinflussenden Vorgangs genügt allerdings ein nur zeitlicher Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung nicht. Macht der Veräußerer eines Betriebs (Teilbetriebs) im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung Aufwendungen zur Beendigung von Schuldverhältnissen, die bisher dem laufenden Betrieb dienten, so handelt es sich hierbei um keine den Veräußerungsgewinn belastenden Betriebsausgaben. Das gilt insbesondere für Entschädigungen, die für Abfindungen an ausscheidende Arbeitnehmer gezahlt werden (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., Anm. 152 zu § 16 EStG; Klein/Flockermann/Kühr, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., Rdnr. 87 zu § 16) sowie für Abfindungen an einen Pächter, die geleistet werden, um den Pächter zur vorzeitigen Aufgabe seines Pachtrechts zu bewegen. In diesen Fällen ist zwar die Veräußerung der äußere Anlaß für die Aufwendungen. Gleichwohl handelt es sich um Ausgaben, die die Beendigung eines bisher den laufenden Gewinn beeinflussenden Rechtsverhältnisses betreffen. Die Ausgaben mindern deshalb den laufenden Gewinn.

Diese rechtliche Würdigung steht - wie das FG zutreffend angenommen hat - in Einklang mit der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Aufwendungen, die ein nicht gewerblich tätiger Verpächter (oder Vermieter) zur vorzeitigen Auflösung eines Pacht(Miet-)verhältnisses macht, um auf diese Weise seinen vertraglichen Verpflichtungen aus einem das Pacht(bzw. Miet-)objekt betreffenden Veräußerungsgeschäft zu entsprechen. Diese Aufwendungen mindern als Werbungskosten die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; sie werden also nicht dem hieran anschließenden (von der Einkommensteuer nicht erfaßten) Veräußerungsgeschäft zugerechnet (vgl. Urteile in BFHE 196, 532, BStBl II 1972, 880 und in BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730).

3. Aus den dargelegten Erwägungen ist auch im Streitfall die von der Klägerin geleistete Abfindung an den bisherigen Pächter des Hotels als eine den laufenden Gewinn des Klägers betreffende Betriebsausgabe anzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74368

BStBl II 1982, 691

BFHE 1983, 209

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