Leitsatz (amtlich)

1. Ein die Erstattung (Nichterhebung) der Grunderwerbsteuer auslösender Rückerwerb im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG liegt nicht bereits vor, wenn die Übereignung als solche rückgängig gemacht, sondern erst dann, wenn auch die Übereignungspflicht aus dem vorangegangenen Verpflichtungsgeschäft aufgehoben worden ist.

2. Durch die Vergünstigungsvorschrift des § 17 Abs. 1 und 2 GrEStG sollen Härten beseitigt werden, die daraus erwachsen, daß die einmal entstandene Grunderwerbsteuerpflicht von der späteren Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges an sich nicht berührt wird. Diese Vorschrift ist nicht auch dazu geschaffen, Härten anderer Art auszuräumen, etwa deshalb, weil bei anders gewählter Vertragsgestaltung sich eine neue oder günstigere Befreiungsmöglichkeit eröffnet hätte.

 

Normenkette

GrEStG § 17 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger, Vertriebener, erwarb durch notariellen Kaufvertrag nebst Auflassung vom 30. März 1962 (Vertrag I) ein Erbbaurecht. Auf den Kaufpreis zahlte er sofort bar 30 000 DM. Auf Grund des Erlasses des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 1958 S 4545-23700/VC - 3 (DB 1959, 12) hatte das FA gemäß § 131 AO 50 000 DM von der Gegenleistung abgesetzt. Die durch Steuerbescheid vom 4. Juni 1962 (Bescheid I) festgesetzte Steuer ist entrichtet. Der Kläger wurde am 23. Juli 1962 im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 7. Juli, beim FA eingegangen am 10. Juli 1962, beantragte der Kläger unter Berufung auf den Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 1962 S 4545-5-VC 2 (inhaltlich wiedergegeben in DB 1962, 888) eine Erstattung der Grunderwerbsteuer in Höhe von 3 500 DM, da das Erbbaurecht von seiner Ehefrau miterworben worden sei, der als Vertriebener ebenfalls ein Freibetrag von 50 000 DM zustehe. Das FA lehnte den Antrag am 17. Juli 1962 ab, da der Kläger das Erbbaurecht allein erworben habe.

Am 28. Juli 1962 schlossen der Kläger, seine Ehefrau und der frühere Erbbauberechtigte einen notariellen Vertrag (Vertrag II), in dem es u. a. heißt:

"Ich (d. h. der Kläger) übertrage dieses Erbbaurecht im Einverständnis mit dem früheren Erbbauberechtigten und in dessen Auftrage, gleichbedeutend mit der Rückübertragung an den bisherigen Erbbauberechtigten an mich und meine Ehefrau ... zu gleichen Teilen.

Für die Übertragung gelten gegenüber dem früheren Erbbauberechtigten ... die im Vertrage vom 30.3.1962 (Urkr. - Nr. ...) vereinbarten Bedingungen.

Ich, Frau ..., übernehme als Gesamtschuldnerin mit meinem Ehemann die in dem Vertrag vom 30.3.1962 übernommenen Verpflichtungen...."

Anschließend erklärten die Beteiligten die Auflassung an die Eheleute als Erbbauberechtigte zu gleichen Teilen. Der frühere Erbbauberechtigte stimmte allen Vereinbarungen zu.

Unter Bezugnahme auf den Vertrag II beantragte der Kläger am 1. August 1962 Erstattung der bisher gezahlten Grunderwerbsteuer und Erteilung eines neuen Steuerbescheids unter Gewährung eines Freibetrages von 2x 50 000 DM. Aus erbrechtlichen Gründen habe seine Ehefrau das Erbbaurecht von vornherein gleichberechtigt miterwerben wollen. Entgegen ihrer Annahme sei dies wegen der Eilbedürftigkeit des durch einen Bevollmächtigten geschlossenen Vertrags I unterblieben. Der Irrtum sei durch den Vertrag II ausgeräumt worden.

Das FA lehnte auch diesen Erstattungsantrag durch Bescheid vom 28. August 1962 (Bescheid II) ab, da der Vertrag II zur Steuerumgehung geschlossen worden sei. Wegen Weiterveräußerung des hälftigen Erbbaurechts durch den Kläger setzte es gegen die Ehefrau unter Gewährung des Vertriebenen-Freibetrags von 50 000 DM durch Steuerbescheid vom 24. Oktober 1962 (Bescheid III) eine Grunderwerbsteuer fest, gegen die Einspruch eingelegt worden ist.

Gegen den Ablehnungsbescheid II legte der Kläger Sprungberufung ein, die nur insoweit Erfolg hatte, als das FG den zu erstattenden Betrag wegen Kaufpreisminderung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf 70 DM festsetzte.

Die Rechtsbeschwerde begründet der Kläger im wesentlichen damit, daß der Vertrag I durch den Vertrag II - entgegen der Auffassung des FG - rückgängig gemacht worden und daß eine Steuerumgehung wegen des besonders gelagerten Ausnahmefalles zugunsten Vertriebener zu verneinen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - muß der Erfolg versagt bleiben.

In diesem Verfahren ist nur darüber zu entscheiden, ob das FA (Beklagter) den Antrag auf Erstattung der auf Grund des Bescheids I entrichteten Grunderwerbsteuer mit Bescheid II zu Recht abgelehnt hat. Nur hierzu ist das FG-Urteil ergangen.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß in den Fällen, in denen der Eigentumsübergang an einem Grundstück (Erbbaurecht) auf schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft beruht, ein die Steuererstattung auslösender Rückerwerb im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nicht bereits vorliegt, wenn die Übereignung als solche rückgängig gemacht, sondern erst dann, wenn auch die Übereignungspflicht aus dem vorangegangenen Verpflichtungsgeschäft aufgehoben worden ist. § 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG bringt insoweit nur eine notwendige Ergänzung zu § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, als auch die Steuer für den wegen des vollzogenen Eigentumsübergangs erforderlich gewordenen Rückerwerb nicht erhoben wird. Die gleichfalls vorgeschriebene Erstattung der Steuer für den vorausgegangenen schuldrechtlichen (oder auch dinglichen) Erwerbsvorgang rechtfertigt sich nur, weil auch dieser Erwerbsvorgang - wie in § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gleichlaufend vorgesehen - beseitigt worden sein muß (vgl. bereits zu § 23 Abs. 1 Buchst. a Nr. 3 GrEStG 1919 Urteil des RFH II A 21/28 vom 7. Februar 1928, RFH 23, 7). Diese innere Verknüpfung zeigt sich darin, daß folgerichtig die Zweijahresfrist auch des § 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG bereits mit Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen schuldrechtlichen Erwerbsvorgang zu laufen beginnt (vgl. insoweit Urteil des Senats II 33/59 U vom 14. Juni 1961 BFH 73, 747, BStBl III 1961, 538; Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 17, Tz. 124).

2. Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, daß durch den Vertrag II allenfalls die dingliche Übertragung des Erbbaurechts im Sinne des § 17 GrEStG rückgängig gemacht, nicht aber der schuldrechtliche Kaufvertrag im Vertrag I aufgehoben worden ist. Bei dieser Auslegung von Vereinbarungen handelt es sich um die Feststellung innerer Tatsachen, die den Senat bindet (§ 288 Nr. 1, § 296 Abs. 1 AO in der Fassung vor Inkrafttreten der FGO; vgl. § 118 Abs. 2 FGO), wenn das FG auf Grund seiner freien Beweiswürdigung ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und ohne Rechtsirrtum zu seinem Ergebnis kommen konnte; nicht erforderlich ist, daß es dazu kommen mußte (vgl. insoweit Urteile des Senats II 78/62 U vom 21. Juli 1965, BFH 83, 166, BStBl III 1965, 561; II 149/63 vom 21. Dezember 1966, BFH 87, 458, BStBl III 1967, 189). Verfahrensrügen - etwa des Inhalts, daß das FG seine Aufklärungspflicht nicht ausreichend erfüllt habe - sind nicht erhoben und hätten nach Ablauf der bis zum 25. April 1964 verlängerten Rechtsbeschwerde-(Revisions-)begründungsfrist auch nicht mehr wirksam geltend gemacht werden können (§ 288 Nr. 2, § 290, § 296 Abs. 2 Satz 1 AO a. F.; vgl. §§ 118 Abs. 2, 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Die Folgerungen des FG waren im obigen Sinne möglich. Es erscheint schon fraglich, ob die dingliche Übertragung des Erbbaurechts als wirksam rückgängig gemacht bezeichnet werden kann. Statt der - nicht ausdrücklich aufgehobenen - Auflassung im Vertrag I auf den Kläger ist im Vertrag II die Auflassung auf den Kläger und seine Ehefrau erklärt worden. Der Passus "gleichbedeutend mit einer Rückübertragung an den bisherigen Erbbauberechtigten" kann nach seinem Wortsinn zumindest ebensogut als Fiktion oder im Sinne "anstelle der (in Wirklichkeit gerade nicht erfolgten, auch nicht gewollten) Rückübertragung" gedeutet werden. Das mag dahinstehen. Jedenfalls läßt der gesamte Wortlaut des Vertrags II nicht zwingend auf eine Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags schließen, sondern eher umgekehrt darauf, daß der Vertrag II den Vertrag I lediglich ergänzt, dessen weitere Wirksamkeit aber geradezu voraussetzt. So werden nicht nur für die Übertragung des Erbbaurechts auf die Eheleute die im Vertrag I vereinbarten Bedingungen als maßgebend bezeichnet. Insbesondere spricht auch die Formulierung, daß die Ehefrau als Gesamtschuldnerin mit ihrem Ehemann die im Vertrag I übernommenen Verpflichtungen übernahm, für die Weiterexistenz dieses Vertrags. Letztlich war der Wille aller Beteiligten nicht auf eine Aufhebung des Kaufvertrags zwischen dem Kläger und seinem Vorgänger unter Entlassung aus allen Rechten und Pflichten dieses Vertrags gerichtet, sondern - wie der Kläger selbst vorträgt - auf einen Miterwerb des Erbbaurechts durch seine Ehefrau.

Ob das letztere Ergebnis erreicht worden ist nur durch einen Schuldbeitritt der Ehefrau zur bereits bestehenden Verpflichtung des Klägers (vgl. außer Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Aufl., Überblick vor § 414, Anm. 2a Soergel-Reimer Schmidt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., vor § 414, Bem. 5, 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I. Bd., Allgemeiner Teil, 8. Aufl., § 31 II) in Verbindung mit Absprachen nur zwischen den Eheleuten hinsichtlich des hälftigen Erwerbs des Erbbaurechts - wie das FG meint - oder letzteres in Verbindung mit einer (Teil-)Abtretung der Rechte im Benehmen mit dem früheren Erbbauberechtigten oder auch durch einen sog. Vertragsbeitritt der Ehefrau unter Zustimmung aller Beteiligten als einen "dreiseitigen Vertrag eigener Art" (vgl. Soergel-Reimer Schmidt, a. a. O., vor § 398 BGB, Tzn. 4, 5; Larenz, a. a. O., § 31 III a. E., beide mit weiteren Nachweisen), ist als für diesen Rechtsstreit unerheblich nicht zu prüfen. Grunderwerbsteuerrechtlich ist für dieses Verfahren allein entscheidend, daß bei all diesen denkbaren Rechtsgestaltungen der rechtliche Bestand des Vertrags I nicht in Frage gestellt wird, sondern unberührt bleibt.

Das Ergebnis, daß mangels Rückgängigmachung des ursprünglichen Erwerbsvorganges die hierfür zu Recht festgesetzte Steuer nicht erstattet werden kann, erscheint nach dem Sinn des § 17 GrEStG auch nicht unbillig. Unbeschadet des Umstandes, daß unter bestimmten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen, insbesondere bei sofortiger Weiterveräußerung, jedoch nach vorheriger echter Vertragsaufhebung - abweichend vom Regelfall (vgl. hierzu Urteil des Senats II 33/59 U vom 14. Juni 1961, BFH 73, 747, BStBl III 1961, 538) - eine Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auch ohne (nur formale) Zwischeneintragung des ursprünglichen Eigentümers im Grundbuch möglich sein kann (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 17 Tz. 106, 113, mit weiteren Nachweisen), setzt § 17 Abs. 1 und 2 GrEStG im Grunde voraus, daß die Beteiligten, auch der Veräußerer, aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden und der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt. Der tiefere Sinn und eigentliche Zweck des § 17 Abs. 1 und 2 GrEStG liegt darin, Härten zu beseitigen, die daraus erwachsen, daß nach dem grunderwerbsteuerrechtlichen Stichtagsprinzip die einmal entstandene Grunderwerbsteuerpflicht an sich nicht davon berührt wird, daß der Erwerbsvorgang später rückgängig gemacht wird. Von einer solchen Härte, die durch § 17 GrEStG zu beseitigen ist, kann somit nur dann gesprochen werden, wenn der steuerpflichtige Erwerbsvorgang in seinen rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen schlechthin im oben bezeichneten Sinne beseitigt worden ist. § 17 Abs. 1 und 2 GrEStG ist also nicht auch dazu geschaffen, Härten anderer Art auszuräumen, etwa deshalb, weil bei anders gewählter Vertragsgestaltung sich eine neue oder günstigere Befreiungs-(Vergünstigungs-)möglichkeit eröffnet hätte. Der Umstand, daß es sich im vorliegenden Fall um den Erwerb durch Vertriebene handelt, rechtfertigt es für sich nicht, einen - wie der Kläger meint - besonders gelagerten Ausnahmefall im Sinne des § 17 GrEStG zu bejahen. Die Vertriebeneneigenschaft ist im Wege des § 131 Abs. 1 Satz 2 AO dadurch berücksichtigt, daß für jeden Erwerbsvorgang Freibeträge von je 50 000 DM gewährt worden sind. Nun ist zwar die durch den oben angegebenen Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 1962 geänderte Anordnung des Erlasses vom 18. Dezember 1958, daß bei gemeinsamem Grundstückserwerb durch Ehegatten der Freibetrag von 50 000 DM nicht nur für einen, sondern für jeden der Ehegatten zu gewähren ist, ohne Rücksicht auf die Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids auch für Erwerbe zu gewähren, für die die Steuerschuld nach dem 31. Dezember 1960 entstanden ist. Ob unter diesen Umständen die Finanzverwaltungsbehörde auch in Fällen der Vertragsgestaltung wie im Streitfall Anlaß zu einer weiteren Billigkeitsmaßnahme nach § 131 AO hätte, hat das Gericht in diesem Erstattungsverfahren nicht zu prüfen.

3. Die Behauptung des Klägers, der Vertrag I beruhe auf einem Irrtum, weil seine Ehefrau nicht als Miterwerberin aufgeführt worden sei, hat der Kläger mit der Revision nicht wiederholt. Das FG hat unwidersprochen festgestellt, daß der Vertrag I nicht angefochten worden ist. Es hat auch zutreffend ausgeführt, daß allenfalls ein Irrtum des Vertreters - der aber nicht vorlag - einen Anfechtungsgrund hätte geben können (§§ 119, 166, Abs. 1 BGB).

4. Da der Vertrag I weder rückgängig gemacht worden noch als von Anfang an nichtig anzusehen, ein anderer Erstattungsgrund im Sinne des § 17 Abs. 1 und 2 GrEStG nicht geltend gemacht ist, mußte die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückgewiesen werden (§ 126 Abs. 2 FGO), ohne daß darauf einzugehen war, ob mit der Vertragsgestaltung eine Steuerumgehung im Sinne des § 6 des Steueranpassungsgesetzes beabsichtigt war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68601

BStBl II 1969, 556

BFHE 1969, 197

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