Leitsatz (amtlich)

Zahlungen von Werbeprovisionen für die Vermittlung von Belieferungsverträgen über Lesezirkel sind keine eindeutig abgrenzbaren Aufwendungen, die zur Anerkennung eines selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsguts führen können.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 54

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte betreibt einen Lesemappenverleih und in kleinerem Umfang einen Buchhandel. Er schließt Belieferungsverträge über Lesemappen mit einer Mindestlaufzeit von 26 Wochen ab. Die Laufzeit verlängert sich jeweils um einen Monat, wenn der Bezieher nicht kündigt. Das FA (Revisionskläger) bewertete bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die aus diesen Verträgen sich ergebenden Belieferungsrechte entsprechend der durchschnittlichen Werbeprovision für jede Vertragsvermittlung zum Feststellungszeitpunkt 1955 mit je 13 DM und zu den Feststellungszeitpunkten 1956, 1957 und 1958 mit je 15 DM, weil nach den Feststellungen der Betriebsprüfung Belieferungsrechte im Lesemappenverleih gehandelt würden.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Steuerausschuß hat beim Verband Deutscher Lesezirkel e. V. eine Auskunft darüber eingeholt, welche Tausch- oder Verkaufsgeschäfte über Kunden, Kundenstämme und Lesezirkelunternehmen bei den Mitgliedern des Verbandes in der streitigen Zeit vorgekommen seien. Der Verband teilte mit, daß Tauschgeschäfte aus Rationalisierungsgründen zur Gebietsbereinigung vorkämen. Dabei sei es nicht ausgeschlossen, daß die Spitzen der getauschten Bestände in Geld ausgeglichen würden, und zwar etwa in Höhe der üblichen Werbeprovision. Kaufverträge über einzelne Belieferungsrechte habe es so gut wie gar nicht gegeben. Der Verkauf ganzer Lesezirkelunternehmen habe dagegen wegen der Konkurrenz durch das Fernsehen zugenommen.

Die Berufung führte dazu, daß die Einheitswerte des Betriebsvermögens des Revisionsbeklagten ohne die vom FA bewerteten Belieferungsrechte festgestellt wurden. In der Begründung seiner Entscheidung ging das FG von dem Urteil des RFH III 132/37 vom 26. Januar 1939 (RStBl 1939, 553) aus, wonach auch Rechte aus gegenseitigen Verträgen selbständig bewertungsfähig seien, wenn sie durch eine feste allgemeine Verkehrsauffassung als Wirtschaftsgüter anerkannt seien. Die in diesem Urteil für den Zeitschriftenhandel aufgestellten Grundsätze müßten zwar auch für den Lesemappenverleih gelten. Die Verhältnisse im Zeitschriftenhandel und Lesemappenverleih hätten sich jedoch nach dem zweiten Weltkrieg so geändert, daß eine Bewertung der Belieferungsrechte auf Lesemappen ausscheide. Bezüglich des Zeitschriftenhandels werde in der Rechtsprechung und in der Literatur allgemein die Auffassung vertreten, daß die Belieferungsrechte heute nicht mehr selbständig bewertungsfähig seien. Dies sei darin begründet, daß Belieferungsverträge jetzt nur noch kurzfristig abgeschlossen würden mit einer üblichen Laufzeit von sechs Monaten; diese Verträge hätten deshalb keinen besonderen Handelswert mehr. Die Verhältnisse im Lesemappenverleih seien nicht anders zu beurteilen. Die Auskunft des Verbandes Deutscher Lesezirkel e. V. stehe dem nicht entgegen. Denn der Verkauf ganzer Lesezirkelunternehmen habe auf die hier streitige Rechtsfrage keinen Einfluß. Im übrigen habe aber der Verband bestätigt, daß Verkäufe von einzelnen Verträgen so gut wie gar nicht vorkämen.

Das FA rügt mit der Revision mangelnde Aufklärung des Sachverhalts und unrichtige Anwendung bestehenden Rechts.

Es bezweifelt zunächst, daß die Verhältnisse im Zeitschriftenhandel mit denen des Lesemappenverleihs gleichgestellt werden können. Ein Unterschied zwischen dem Zeitschriftenhandel und dem Lesemappenverleih bestehe nach dem Gegenstand, der Aufmachung und der Lieferart. Der Zeitschriftenhandel vertreibe überwiegend nur die allgemein bekannten Unterhaltungs- und Modeillustrierten. Der Lesemappenverleih biete seinen Kunden eine Vielzahl von Zeitungen, die in besonderen Mappen geheftet seien. Diese Mappen würden in das Haus geliefert und nach der üblichen Ausleihzeit von einer Woche wieder abgeholt. Der Preis von Zeitschriften stehe allgemein fest, während die Leihgebühren für Lesemappen nach Klassen gestaffelt seien, und zwar nach dem Zeitpunkt des Erscheinens der verliehenen Zeitschriften. Der Kundenkreis des Zeitschriftenhändlers sei weniger bestimmt als der des Lesemappenverleihers. Letzterer könne sich vor allem auf Ärzte, Zahnärzte und ähnliche Berufe stützen, die die Zeitschriften in ihren Wartezimmern auslegten, aber auch auf Friseure. In rechtlicher Hinsicht bestehe insofern ein Unterschied, als der Zeitschriftenhändler die einzelnen Zeitschriften verkaufe und seinen Kunden übereigne, während der Lesemappenverleiher die Zeitschriften nur vermiete. Das FG gehe in seiner Entscheidung von einer Änderung der Verhältnisse nach dem Kriege aus, habe diese Ansicht aber nicht begründet. Richtig sei lediglich, daß der Zeitschriftenhandel neue Wege der Werbung habe beschreiten müssen; denn seit 1944 sei der Vertrieb von Zeitschriften, mit deren Bezug eine Lebensversicherung verbunden ist, verboten. Auf den Lesemappenverleih habe diese für den Zeitschriftenhandel einschneidende Maßnahme keine Auswirkung gehabt. Er habe auf seine Stammkundschaft (Ärzte usw.) auch nach dem Kriege zurückgreifen können. Das FG habe dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, daß die Verträge heute nur noch kurzfristig abgeschlossen würden. Tatsächlich beständen bezüglich der Vertragsdauer aber keine wesentlichen Unterschiede gegenüber dem vom RFH mit Urteil III 132/37 (a. a. O.) entschiedenen Fall. Entgegen der Auffassung des FG dürfe sogar davon ausgegangen werden, daß die vom Revisionskläger abgeschlossenen Verträge wegen des Kündigungserfordernisses eine wesentlich längere Laufzeit als 26 Wochen hätten. Hierauf komme es allerdings weniger an. Entscheidend sei dagegen, daß die Belieferungsrechte tatsächlich gehandelt würden. Das FA sei jedoch wegen des Steuergeheimnisses gehindert, die ihm bekanntgewordenen Fälle von Verkäufen einzelner Belieferungsrechte offenzulegen. Es habe aber auf solche Fälle hingewiesen. Unter diesen Umständen wäre das FG verpflichtet gewesen, die Frage des Handels von Belieferungsrechten besonders aufzuklären. Dies hätte durch gutachtliche Äußerung der Handelskammer sowie durch Befragen der ansässigen Lesezirkelunternehmen erfolgen können, deren Anschrift das FA vorlegen könne. Nach den Erfahrungen des FA seien allein in seinem Bezirk Tausende von Belieferungsrechten übertragen worden. Denn auch die Übertragung ganzer Kundenstämme könne bürgerlich-rechtlich nur durch Einzelübertragung von Rechten und Pflichten aus den einzelnen Verträgen erfolgen; sie sei deshalb dem Kauf einzelner Verträge gleichzustellen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Revisionsbeklagte ist der Auffassung, bei den Werbeprovisionen handele es sich um Vertriebskosten, die laufend in etwa gleicher Höhe aufgewendet werden müßten. Laufende Betriebsausgaben eines Unternehmens könnten aber nie zur Anerkennung oder Schaffung eines immateriellen Wirtschaftsguts führen. Er verweist auf das Urteil des BFH I 93/64 vom 29. Oktober 1969 (BFH 97, 350, BStBl II 1970, 178). Mit diesem Urteil habe der I. Senat entschieden, daß Provisionen an Werber einer Buchvertriebsfirma für die Vermittlung von Abonnementverträgen nicht aktivierungspflichtig seien. Die Aktivierung sei sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechnungsabgrenzung abgelehnt worden als auch aufgrund der Erwägung, daß die gezahlten Provisionen keinen Aufwand für ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut darstellten.

Der Revisionsbeklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist nicht begründet.

1. Bei dem sog. Belieferungsrecht auf Lesemappen handelt es sich um die obligatorische Rechtsstellung des "Lesemappenverleihers" aufgrund eines Dauerschuldverhältnisses mit dem Bezieher der Lesemappen. Dieses Schuldverhältnis ist bürgerlich-rechtlich als Miete zu qualifizieren. Es unterscheidet sich von den üblichen Mietverhältnissen dadurch, daß der Gegenstand der Miete während der Dauer des Vertrages laufend wechselt. Es handelt sich also um ein Dauerschuldverhältnis, das ein vorübergehendes in sich abgeschlossenes, aber wiederkehrendes Verhalten zum Gegenstand hat (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 24. Aufl., Einleitung vor § 241, Anm. 5). Der Hauptverpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren, steht die Hauptverpflichtung des Mieters gegenüber, den vereinbarten Mietzins zu zahlen (§ 535 BGB). Das sog. Belieferungsrecht des Lesezirkelunternehmers erschöpft sich damit bürgerlich-rechtlich in der Verpflichtung des Kunden, die "Leihgebühr" für die Lesemappen zu zahlen. Es ist kein einseitiges Recht des Lesezirkelunternehmers.

2. Das zwischen dem Revisionsbeklagten und seinen Kunden bestehende Schuldverhältnis ist steuerlich ein schwebendes Geschäft. Hierunter werden gegenseitige Verträge verstanden, die zwar abgeschlossen, aber noch nicht erfüllt sind (vgl. BFH-Entscheidung IV 159/53 U vom 2. September 1954, BFH 59, 266 [268], BStBl III 1954, 314). Dauerschuldverhältnisse auf wiederkehrende Leistungen sind auch dann schwebende Geschäfte, wenn mit der Erfüllung der einzelnen wiederkehrenden Leistung jeweils noch von keiner Seite begonnen wurde.

Die schwebenden Verträge eines Unternehmens stellen betriebliche Vorteile dar und sind damit immaterielle Werte. Derartige immaterielle Werte sind nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bei der Vermögensbewertung im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens aber nur dann als selbständig bewertungsfähige immaterielle Wirtschaftsgüter zu erfassen, wenn sie als geldwerte Realität in Erscheinung treten. Dies ist der Fall, wenn

a) entweder die selbständige Bewertungsfähigkeit durch die allgemeine Verkehrsanschauung anerkannt wird oder

b) das immaterielle Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wurde oder

c) die selbständige Bewertungsfähigkeit durch Aufwendungen anerkannt wird, die auf das zu bewertende Wirtschaftsgut gemacht worden sind

(BFH-Entscheidung III 65/62 U vom 27. Juli 1962, BFH 75, 460 [464], BStBl III 1962, 436). Für den Geschäftswert ist die Einschränkung zu beachten, daß nur ein entgeltlich erworbener, nicht dagegen ein selbst geschaffener Geschäftswert als selbständig bewertungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut behandelt werden kann.

3. Der Revisionsbeklagte hat durch die Zahlung einer Werbeprovision für die Vermittlung der Verträge über die Belieferung von Kunden mit Lesemappen nicht ein immaterielles Wirtschaftsgut entgeltlich erworben. Bei den an Werber gezahlten Abschlußprovisionen handelt es sich um laufende Ausgaben im Vertriebsbereich, die ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren und sich auch in ihrer Höhe, wenn auch mit gewissen Schwankungen, im wesentlichen gleichmäßig entwickeln. Der Senat stimmt dem Revisionsbeklagten darin zu, daß laufende Betriebsausgaben nicht geeignet sind, den Erwerb eines selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsguts zu begründen. Für einen derartigen Erwerb sind eindeutige und klar abgrenzbare Aufwendungen erforderlich, die sich erkennbar von den laufenden Aufwendungen abheben. Aus diesem Grund hat der I. Senat des BFH im Urteil I 93/64 vom 29. Oktober 1969 (a. a. O.) unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung der Ertragsteuersenate die Aktivierung der Abschlußprovisionen für die Vermittlung von Abonnementverträgen sowohl unter dem Gesichtspunkt der aktiven Rechnungsabgrenzung als auch im Hinblick auf den entgeltlichen Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts erneut abgelehnt.

4. Die Rechtsstellung des Revisionsbeklagten aufgrund der bestehenden Belieferungsverträge ist auch nicht durch eigene Aufwendungen oder durch Aufwendungen Dritter als selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut anerkannt worden. Auch unter dieser Sicht gelten für die Provisionen für die Vermittlung von Abonnementverträgen die obigen Ausführungen über den entgeltlichen Erwerb. Der erkennende Senat ist allerdings davon ausgegangen, daß immaterielle Werte aufgrund von gegenseitigen Verträgen selbständig bewertungsfähig seien, wenn sich aus diesen Verträgen eindeutig besondere Aufwendungen zur Anerkennung des immateriellen Wirtschaftsguts ergäben. Aus diesem Grund hat er entschieden, im Falle der Verpachtung einer Apotheke könne beim Verpächter ein Firmenwert anzusetzen sein, wenn sich aus der Höhe der Pachtzahlungen eindeutig ergebe, daß sie zum Teil auch für den überlassenen Geschäftswert geleistet werden (BFH-Entscheidungen III 65/62 U, a. a. O., und III R 15/67 vom 28. August 1968, BFH 93, 486, BStBl II 1969, 2). In diesem Fall wurde das immaterielle Wirtschaftsgut nicht erst durch den gegenseitigen Vertrag in Gestalt der sich daraus ergebenden Gewinnmöglichkeiten begründet, sondern dieser Vertrag führte nur zur Anerkennung eines vorher schon bestehenden Wirtschaftsguts durch Aufwendungen. Diese Fälle sind mit der hier zu treffenden Entscheidung, ob die Rechtsstellung aus einem gegenseitigen Vertrag auf laufende Belieferung mit Lesemappen ein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut ist, nicht vergleichbar.

5. Das FA ist, dem RFH im Urteil III 132/37 vom 26. Januar 1939 (a. a. O.) folgend, der Meinung, bezüglich der sog. Belieferungsrechte auf Lesemappen habe die allgemeine Verkehrsanschauung die Bewertungsfähigkeit anerkannt. Dies ergebe sich daraus, daß diese Rechte Gegenstand des Handelsverkehrs seien, da sie selbständig gegen Entgelt veräußert würden. Deshalb sei es gerechtfertigt, die in den Verträgen liegende Gewinnmöglichkeit als selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut zu behandeln und zu erfassen.

Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.

a) Das sog. Belieferungsrecht des Revisionsbeklagten besteht, wie oben dargelegt, bürgerlich-rechtlich aus der obligatorischen Rechtsstellung aufgrund der schwebenden Dauerschuldverhältnisse mit seinen Kunden. Diese Rechtsstellung umfaßt sowohl Rechte als auch Pflichten. Eine Abtretung dieser Rechtsstellung als Ganzes ist damit bürgerlich-rechtlich nicht möglich; abtretbar sind nur die einzelnen Rechte und die einzelnen Pflichten. Hierzu ist die Zustimmung des Lesemappenbeziehers notwendig (§ 415 BGB). Schon daraus ergibt sich, daß die Rechtsstellung aus einem gegenseitigen Vertrag, die sowohl Rechte wie auch Pflichten umfaßt, im einzelnen grundsätzlich nicht Gegenstand des Handelsverkehrs in dem Sinne sein kann, daß der Handel, wie es der RFH forderte, einen gewissen Umfang erreicht. Damit stimmt auch die vom Steuerausschuß des FA beim Verband Deutscher Lesezirkel e. V. erholte Auskunft überein, wonach die entgeltliche Veräußerung von einzelnen Belieferungsverträgen so gut wie gar nicht vorkommt.

Dieser Annahme der mangelnden Verkehrsfähigkeit der Rechtsstellung aus einem gegenseitigen Vertrag im Sinne der Begründung eines selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsguts steht die Tatsache nicht entgegen, daß zur Gebietsbereinigung örtlich begrenzte Teile eines Kundenstammes getauscht und die Spitzen in Geld ausgeglichen werden, und bei Aufgabe von Lesezirkelunternehmen der Kundenstamm auf andere Unternehmen entgeltlich übertragen wird. Wenngleich dem FA darin zuzustimmen ist, daß auch in diesen Fällen Berechtigungen und Verpflichtungen bürgerlich-rechtlich einzeln übertragen werden müssen, so können sie doch nicht der Einzelveräußerung von Verträgen gleichgestellt werden. Zahlungen werden in diesen Fällen nicht in erster Linie in Anerkennung der Gewinnmöglichkeit aus dem einzelnen Vertrag geleistet, sondern mehr im Interesse der Verbesserung der inneren Betriebsverhältnisse des erwerbenden Unternehmens (z. B. Kostensenkung durch rationellere Belieferungsmöglichkeit oder durch Erweiterung des Kundenkreises). Derartige Übertragungsfälle mögen zwar zur selbständigen Bewertungsfähigkeit eines immateriellen Wirtschaftsguts infolge entgeltlichen Erwerbs führen, sie beweisen indessen nicht die Verkehrsfähigkeit des einzelnen Vertrages. Das FG hat deshalb auch seine Aufklärungspflicht nicht verletzt, wenn es entgegen der Anregung des FA von einer weiteren gutachtlichen Äußerung und Auskunft bei den Lesezirkelunternehmern im Bereich des FA abgesehen hat. Denn das FA hat den für die Bewertungsfähigkeit erforderlichen größeren Umfang des Handels mit einzelnen Verträgen damit begründet, daß auch bei Übertragung von ganzen Kundenstämmen letztlich eine Vielzahl von Einzelübertragungen vorläge. Diese Argumentation ist aber nach Auffassung des Senats nicht schlüssig.

b) Noch wesentlicher erscheint dem Senat, daß die Behandlung der Gewinnmöglichkeit aus schwebenden Geschäften als immaterielles Wirtschaftsgut lediglich aufgrund einer allgemeinen Verkehrsanschauung zu einer unzulässigen Erfassung des originären Geschäftswerts oder zumindest von Teilen des Geschäftswerts führen würde. Nach den Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre ist der Geschäftswert eines Unternehmens die Kapitalisierung des über die Normalrendite hinausgehenden Mehrertrages der Zukunft. Der I. Senat des BFH hat den Geschäftswert dahingehend definiert, es handele sich dabei um den Mehrwert, der einem Unternehmen über die sonstigen aktivierten Wirtschaftsgüter (abzüglich der Schulden) hinaus innewohne und dessen Bedeutung darin liege, daß er aufgrund der in ihm enthaltenen Vorteile (Ruf des Unternehmens, Kundenkreis, Absatzorganisation usw.) die Erträge des Unternehmens höher oder zumindest gesicherter erscheinen lasse als bei einem anderen Unternehmen mit sonst gleichen Wirtschaftsgütern, bei dem jene Vorteile fehlten (vgl. BFH-Urteil I 77/64 vom 18. Januar 1967, BFH 88, 198, BStBl III 1967, 334). Dieser Mehrwert substantiiert sich in den Beziehungen zu den Kunden. Damit wird der Geschäftswert eines Unternehmens, wenn schon nicht ausschließlich, so doch entscheidend durch den Kundenstamm und die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden bestimmt. Die Summe der in den einzelnen schwebenden Geschäften begründeten Gewinnmöglichkeiten ist dementsprechend der entscheidende Ausdruck des Geschäftswerts. Dieser Geschäftswert oder Teil des Geschäftswerts würde, wenn man der Auffassung des RFH in seinem Urteil III 132/37 vom 26. Januar 1939 (a. a. O.) folgen würde, als selbständig bewertungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut erfaßt werden, ohne daß er entgeltlich erworben oder durch sonstige Aufwendungen als selbständig bewertungsfähig anerkannt worden wäre. Das verstößt nach Auffassung des Senats gegen die Grundsätze über die vermögensteuerliche Erfassung des Geschäftswerts.

Dem steht nicht entgegen, daß nach der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des BFH nur beim Erwerb eines lebenden Unternehmens im ganzen ein nicht abschreibungsfähiger Geschäftswert angenommen wird, während bei Käufen außerhalb eines solchen Gesamterwerbs je nach Begrenzungsmöglichkeit der zeitlichen Nutzungsdauer ein abschreibungsfähiges immaterielles Einzelwirtschaftsgut oder ein nicht abschreibungsfähiges firmenwertähnliches Wirtschaftsgut angenommen wird (vgl. BFH-Entscheidung I 206/65 vom 1. August 1968, BFH 94, 52, BStBl II 1969, 66). Diese ertragsteuerliche Differenzierung wird vom Gebot der Gleichverteilung eines Aufwandes getragen, dessen Wert für das Unternehmen sich innerhalb einer ungefähr bestimmbaren Zeit erschöpft. Aus diesem Grund hat der I. Senat des BFH den Eintritt eines Kaufmanns in die schwebenden Geschäfte eines anderen und die Zahlung eines Geldbetrages für die mit diesen Geschäften verbundenen Gewinnchancen nicht einem Geschäftswert gleichgesetzt (vgl. BFH-Urteile I 207/57 U vom 9. Juli 1958, BFH 67, 370, BStBl III 1958, 416, und I 266/61 U vom 20. November 1962, BFH 76, 164, BStBl III 1963, 59). Graß ist der Meinung, diese Auffassung könne schwerlich dogmatisch gestützt werden, sie sei vielmehr durch praktische Gesichtspunkte der steuerlichen Vernunft bestimmt (Deutsches Steuerrecht 1969 S. 313). Hieraus ergibt sich aber, daß diese durch das Ertragsteuerrecht im Interesse einer zutreffenden Ermittlung des Periodengewinns gebotene Differenzierung für die Vermögensbesteuerung weder verbindlich noch möglich ist. Bei der Einheitsbewertung können vielmehr immaterielle Einzelwirtschaftsgüter, die Komponenten oder Ausdruck des Geschäftswerts sind, ungeachtet der zeitlichen Abgrenzungsmöglichkeit der Nutzungsdauer nur als selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter erfaßt werden, wenn sie erworben worden sind.

Der Revisionsbeklagte hat nach den Feststellungen des FG, die nicht angegriffen wurden, und an die der Senat deshalb gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), die vom FA bewerteten schwebenden Geschäfte nicht erworben, sondern durch eigene unternehmerische Tätigkeit abgeschlosen. Die Gewinnmöglichkeiten aufgrund dieser Verträge können deshalb für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht als selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter erfaßt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69005

BStBl II 1970, 489

BFHE 1970, 50

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