Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungszahlung an Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft als außerordentliche Einkunft

 

Leitsatz (NV)

Wird der Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft, der bereits gekündigt ist, ein Jahr vor dem Kündigungsdatum aufgehoben und dem Vorstandsmitglied als Abfindung u. a. ein Betrag gezahlt, auf den es nach Ablauf der Kündigungsfrist einen vertraglichen Anspruch gehabt hätte, so ist dieser Betrag mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 31. März 1979, zuletzt aufgrund des Vorstandsvertrages (,,Anstellungsvertrages") vom 1. April 1975, ordentliches Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft.

Nach § 1 des Vorstandsvertrages war der Kläger auf fünf Jahre zum Vorstandsmitglied der Gesellschaft bestellt worden. Nach § 2 des Vertrages sollte letzterer stillschweigend nach Vertragsablauf für weitere fünf Jahre weiterlaufen, sofern er von keiner Seite mit mindestens jährlicher Kündigungsfrist vor seinem Ablauf gekündigt werde. Außerdem heißt es in § 7 des Vertrages wie folgt: ,,Wird der Vertrag nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit von seiten der . . . Aktiengesellschaft gekündigt, erhält Herr . . . (Der Kläger) neben der in § 6 geregelten laufenden Versorgung eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe des letzten vollen Jahreseinkommens, also Gehalt einschl. Tantieme."

Entsprechend diesen Vertragsbestimmungen hatte die Gesellschaft mit Schreiben vom 20. November 1978 den Vorstandsvertrag mit dem Kläger zum 31. März 1980 gekündigt. Ungeachtet dieses Kündigungsschreibens und der sich daraus ergebenden Wirkungen trafen die Vertragspartner unter dem 31. März 1979 (mithin ein Jahr vor dem Kündigungsdatum) eine Vereinbarung, nach der der Anstellungsvertrag zwischen den Vertragspartnern einverständlich zum 31. März 1979 beendet wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger das monatliche Gehalt in Höhe von 15 000 DM - ohne die anteilige garantierte Tantieme - weitererhalten. Sodann heißt es unter Nr. 2 der genannten Vereinbarung: ,,Als Abfindung für den von der . . . Aktiengesellschaft veranlaßten Verlust des Arbeitsplatzes und als Ersatz für zukünftige Einnahmen bis zum 31. März 1980 sowie in Erfüllung der einmaligen Ausgleichszahlung gemäß § 7 des Anstellungsvertrags erhält Herr . . . (Der Kläger) eine einmalige Abfindung in Höhe von 725 000 DM. Die gesamte Abfindung ist in einer Summe, spätestens 10 Tage nach Abschluß dieser Vereinbarung, auszuzahlen. Im Hinblick auf § 3 Ziff. 9 EStG ist ein Betrag von 24 000 DM brutto = netto auszuzahlen."

Bei der Einkommensbesteuerung des Klägers für das Kalenderjahr 1979 hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zuletzt in der Einspruchsentscheidung vom 27. November 1981 die genannte Ausgleichszahlung in Höhe von 725 000 DM wie folgt der Besteuerung unterworfen. Es ist dabei aufgrund eines Schreibens der Gesellschaft vom Dezember 1979 davon ausgegangen, daß der genannte Betrag sich aufteile auf 700 000 DM Zahlung nach § 2 des Aufhebungsvertrages, 21 000 DM Verrechnung für den überlassenen Dienstwagen und 4 000 DM nachgezahlte Tantieme aus 1977. Der Betrag von 700 000 DM - so meint das FA weiter - ließe sich noch weiter aufteilen, denn nach § 7 des Anstellungsvertrages hätte dem Kläger eine Ausgleichszahlung in Höhe des letzten vollen Jahreseinkommens zugestanden. Dieses habe 350 000 DM betragen. Demnach setze sich die Summe von 725 000 DM wie folgt zusammen:

350 000 DM als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und Ersatz für zukünftige Einnahmen bis 31. März 1980,

350 000 DM gemäß Vereinbarung in § 7 des Anstellungsvertrages,

21 000 DM Überlassung des Dienstwagens und

4 000 DM nachgezahlte Tantieme für 1977.

Danach ergebe sich folgende Besteuerung der Beträge:

350 000 DM (Entschädigung)

+ 21 000 DM

371 000 DM

./. 24 000 DM steuerfrei nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG)

347 000 DM steuerbegünstigt nach § 34 Abs. 2 EStG

4 000 DM in 1979 voll zu versteuern und

350 000 DM (§ 7 Anstellungsvertrag) nach § 34 Abs. 3 EStG auf drei Jahre zu verteilen.

Diese auf drei Jahre angesetzte Verteilung nach § 34 Abs. 3 EStG ist jedoch unterblieben, weil sie zu einer höheren Einkommensteuer geführt hätte.

In der Revisionsinstanz ist nur noch die Besteuerung des zuletzt genannten Abfindungsbetrages von 350 000 DM streitig. Der Kläger hatte vor dem Finanzgericht (FG) mit seiner Klage insoweit vergebens die begünstigte Besteuerung für Entschädigungen, die als Ersatz für entgehende oder entgangene Einnahmen gewährt worden seien, nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 und § 24 Nr. 1 a EStG begehrt. Das FG ist in seiner Entscheidung den Ausführungen des FA gefolgt und hat, gestützt auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Oktober 1978 VI R 107/77 (BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176), die genannten Vorschriften auf den Streitfall nicht für anwendbar gehalten, weil - anders als von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert - die streitige Zahlung hier in Erfüllung eines bereits bestehenden Anspruchs des Klägers geleistet worden sei. Entgegen der Auffassung des Klägers habe sie nämlich nicht auf der Vereinbarung vom 31. März 1979 beruht, sondern sie sei dem Kläger aufgrund der Kündigung vom 20. November 1978 zugeflossen. Dies ergebe sich aus dem oben zitierten § 7 des Anstellungsvertrages. Durch die einvernehmliche Beendigung des Anstellungsvertrages zum 31. März 1979 werde diese Vorschrift nicht berührt. Denn mit dieser Vereinbarung hätten die Vertragsparteien lediglich die Nichtgeltung der einjährigen Kündigungsfrist in Abänderung des § 2 des Anstellungsvertrages formgerecht festlegen wollen. Bei dieser Sachlage könne auf sich beruhen, ob die nach § 7 des Anstellungsvertrages geschuldete Leistung bereits als Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 a EStG gedacht gewesen sei, denn auch bei einer solchen Betrachtungsweise hätte die Zuwendung nicht auf einer neuen, selbständigen Rechtsgrundlage beruht. Schließlich habe der Kläger damit nur etwas erhalten, worauf er schon einen Anspruch gehabt habe. Im übrigen sei die Klage aber auch dann abzuweisen gewesen, wenn das FG die Auffassung des Klägers, die Vereinbarung vom 31. März 1979 sei eine neue Rechtsgrundlage gewesen, geteilt hätte. Der Anspruch nach § 7 des Anstellungsvertrages wäre dann durch die Vereinbarung beseitigt worden und dem Kläger somit nicht entgangen i. S. von § 24 Nr. 1 a EStG. ,,Entgangen" könnten einem Steuerpflichtigen Einnahmen zwar auch dann sein, wenn er an dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis mitgewirkt habe; dies aber nur unter der Voraussetzung, daß er unter einem nicht unerheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt habe. Daß es sich so verhalten habe, sei vom Kläger nicht einmal schlüssig behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt worden.

Mit seiner Revision erstrebt der Kläger nach wie vor, daß auch der zweitgenannte Teilbetrag von 350 000 DM aus der ihm zugeflossenen Abfindung dem ermäßigten Steuersatz nach § 24 Nr. 1 a i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 EStG unterworfen wird. Er macht geltend, die ihm gewährte Abfindung habe arbeitsrechtlich allein auf der Vereinbarung vom 31. März 1979 beruht. Sie könne mit dem hier streitigen Teilbetrag von 350 000 DM nur dann auf § 7 des Anstellungsvertrages zurückgeführt werden, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich durch Kündigung der Aktiengesellschaft beendet worden wäre. Das sei aber nicht der Fall. Das Dienstverhältnis sei nicht durch Kündigung zum 31. März 1980, sondern durch die Vereinbarung vom 31. März 1979 beendet worden. Hierdurch sei der sonst zum 31. März 1980 entstehende Ausgleichsanspruch nach § 7 des Anstellungsvertrages gegenstandslos geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG hat zu Unrecht den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG nicht auf den hier streitigen Teil der Abfindung von 350 000 DM angewandt. Danach sind (vgl. § 24 Nr. 1 a EStG) Entschädigungen, die gewährt worden sind, als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigt zu besteuern. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil in BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176) setzt der Begriff der Entschädigung in diesem Sinne voraus, daß der Steuerpflichtige, der bei der Auflösung des Dienstverhältnisses mitwirkt, unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Ferner muß die Zuwendung einen Schaden ausgleichen, der durch den Wegfall von Einnahmen entstanden ist. Die Zahlungen dürfen mithin nicht in Erfüllung eines Anspruchs des Empfängers erfolgen, sondern müssen auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen.

Diese Voraussetzungen liegen nach der Auffassung des Senats hier vor. Hätte nämlich der Kläger die gegen ihn ergangene Kündigung vom 20. November 1978 gegen sich gelten lassen, so hätte er erst zum 31. März 1980 aus der kündigenden Gesellschaft ausscheiden müssen. Bis dahin hätte er demnach sein normales Gehalt und zusätzlich den hier streitigen Betrag von 350 000 DM erhalten. Aufgrund der Vereinbarung vom 31. März 1979 schied der Kläger indessen mit sofortiger Wirkung aus den Diensten der Gesellschaft aus, erhielt dafür aber eine einmalige Abfindung in Höhe von 725 000 DM. Damit ist, wie schon der Zeitfaktor zeigt, eine neue Grundlage für das Ausscheiden des Klägers aus der Firma geschaffen worden. Der Vertrag vom 31. März 1979 war eine dem Kläger aufgezwungene Folge der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung zum 31. März 1980. Aufgrund der Kündigung vom 20. November 1978 war dem Kläger nicht mehr zuzumuten, noch weiterhin für die Aktiengesellschaft tätig zu sein, weil der Kläger hierdurch jedes Ansehens in dem Betrieb beraubt worden wäre.

Damit ist die Auflösung des Arbeitsvertrages auch hier durch den Arbeitgeber veranlaßt worden. Das, was der Kläger für die vorzeitige Aufgabe seiner Anstellung erhalten hatte, stellte somit einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 a EStG dar. Eine solche Entschädigung unterliegt nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG der begünstigten Besteuerung. Da die Sache entscheidungsreif ist, entscheidet der Senat nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst. Die auf den Kläger entfallende Einkommensteuer für das Jahr 1979 errechnet sich danach wie folgt . . .

 

Fundstellen

Haufe-Index 414987

BFH/NV 1987, 572

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