Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang eines Schätzungslandwirts zur Buchführung

 

Leitsatz (NV)

Zur Bewertung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beim Übergang eines Schätzungslandwirts von der Schätzung nach Richtsätzen zur Buchführung.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 163; AO § 217

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger ist Landwirt und führte bis zum 30. Juni 1978 einen Pachtbetrieb.

Da der Kläger seit Jahren buchführungspflichtig war, seinen Gewinn aber nicht aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft unter Anwendung von Richtsätzen bis zum Wirtschaftsjahr 1974/75. Zum 1. Juli 1975 legte der Kläger eine ,,Eröffnungsbilanz" vor, führte von diesem Zeitpunkt an Bücher und ermittelte seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Anschluß an eine die Wirtschaftsjahre 1975/76 bis 1977/78 umfassende Außenprüfung blieben die in die Anfangsbilanz zum 1. Juli 1975 eingestellten Buchwerte für folgende landwirtschaftliche Maschinen streitig:

Baujahr Buchwert angenommene

Restnutzungsdauer (Jahre)

Schlepper 1962 5 000 4

Mähdrescher 1965 15 000 5

Der Kläger hatte die Buchwerte im Wege der Schätzung ermittelt, weil Unterlagen über Anschaffung und Anschaffungskosten nicht mehr vorhanden waren.

Demgegenüber ging der Prüfer und ihm folgend das FA von der den amtlichen Tabellen der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu entnehmenden Nutzungsdauer aus, stellte fest, daß die Wirtschaftsgüter bereits abgeschrieben seien und korrigierte dementsprechend die Bilanzansätze auf Erinnerungswerte von jeweils 1 DM.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus: Auch im Rahmen einer Gewinnschätzung seien AfA für abnutzbare Anlagegüter zu berücksichtigen. Mangels genauer Angaben sei für den Zeitraum der Schätzung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft von den amtlichen AfA-Tabellen und den bei der Prüfung festgestellten Anschaffungszeitpunkten auszugehen. Danach aber ergebe sich eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 10 Jahren, so daß beide Maschinen bei Beginn der Buchführung bereits abgeschrieben seien.

Mit ihrer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung der einkommensteuerlichen Gewinnermittlungs- und Bewertungsvorschriften. Sie tragen vor, die Nutzungsdauer beider Maschinen sei im Zeitpunkt der Bilanzerstellung noch nicht abgelaufen. Der in den Jahren 1962 oder 1963 zu einem Preis von etwa 18 500 DM angeschaffte Schlepper sei im Wirtschaftsjahr 1976/77 noch für 3 750 DM verkauft worden. Daraus aber ergebe sich ein jährlicher Wertverzehr von 1 135 DM, der auch noch in den Streitjahren zu berücksichtigen sei. Im Anschaffungszeitpunkt habe keine Veranlassung bestanden, gegenüber dem FA eine Abweichung von den amtlichen AfA-Tabellen geltend zu machen. Da das FA die Gewinne in Anlehnung an Buchführungsergebnisse vergleichbarer Betriebe geschätzt habe, sei der tatsächliche Wertverzehr zugrunde zu legen; die Buchführungsergebnisse enthielten nämlich stets auch Buchgewinne, die zu einem laufenden Ausgleich überhöhter AfA führten.

Dies gelte sinngemäß auch für den Mähdrescher, der im Jahre 1965 für etwa 33 000 DM angeschafft und noch im Jahre 1984 bei der Ernte eingesetzt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe der Mähdrescher noch einen Wert von 10 000 DM gehabt, so daß sich eine jährliche Wertminderung von 1 277 DM errechnen lasse.

Aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung folge, daß Fehler infolge unzutreffender Schätzung vor Beginn der Buchführung nicht unter Verletzung der Gewinnermittlungsvorschriften nach Aufnahme der Buchführung korrigiert werden könnten.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1976 u. 1977 die Einkommensteuer 1976 herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Kläger in den Streitjahren keine weiteren AfA vornehmen konnten, weil das FA die Buchwerte der beiden landwirtschaftlichen Maschinen in der Bilanz zum 1. Juli 1975 zutreffend ermittelt hat und diese Anlagegüter danach bereits abgeschrieben waren.

1. a) Geht ein buchführungspflichtiger Landwirt von der Schätzung nach Richtsätzen zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG über, so ist bei Beginn des ersten Wirtschaftsjahres mit Bestandsvergleich eine Anfangsbilanz (Übergangsbilanz) aufzustellen, die das vorhandene Betriebsvermögen ausweist. Dabei sind die der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die AfA nach § 7 EStG, anzusetzen. Da bei einer Vollschätzung nach Richtsätzen nach § 217 der Reichsabgabenordnung - AO - (§ 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -) weder Anschaffungskosten erfaßt und AfA abgesetzt, noch Gewinne aus der Veräußerung einzelner Anlagegüter gesondert erfaßt werden, sind die in die Übergangsbilanz einzustellenden Buchwerte der abnutzbaren Anlagegüter zu schätzen. Zu diesem Zweck sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ebenso wie bei dem fiktiven Bestandsvergleich zur Berechnung eines Veräußerungsgewinns (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juni 1965 IV 180/61 U, BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579) um die üblichen AfA zu mindern. Als übliche AfA in diesem Sinne ist bei beweglichen Anlagegütern eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes die AfA in gleichen Jahresbeträgen anzusehen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG), wobei die betriebliche Nutzungsdauer den einschlägigen von der Finanzverwaltung unter Mitwirkung der jeweiligen Fachverbände aufgestellten AfA-Tabellen zu entnehmen ist.

b) Für den Senat folgt dies aus dem typisierenden Charakter einer Vollschätzung nach Richtsätzen, die zwar anders als die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nicht den Reinertrag des Betriebs, sondern das Betriebseinkommen erfaßt (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr. 721), die aber mit der Durchschnittsatzgewinnermittlung insofern vergleichbar ist, als auch sie von durchschnittlichen Werten, nämlich den durchschnittlichen Hektarerträgen einer Vielzahl von Vergleichsbetrieben ausgeht (BFH-Urteil vom 8. November 1984 IV R 33/82, BFHE 142, 366, BStBl II 1985, 352). Durch diese Durchschnittswerte sind mit Ausnahme der Pacht- und Schuldzinsen sowie der Lohnaufwendungen (vgl. Leingärtner/Zaisch, a.a.O.) alle normalen Aufwendungen des Schätzungslandwirts abgegolten, so daß für den Zeitraum der Schätzung davon auszugehen ist, daß mit dem Ansatz der Richtsätze bereits auch die übliche AfA auf abnutzbare Anlagegüter berücksichtigt ist. Die übliche AfA aber ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus den amtlichen AfA-Tabellen, so daß es dem Steuerpflichtigen verwehrt ist, für den Zeitraum der Schätzung nach Richtsätzen Abweichungen von dieser Tabelle geltend zu machen.

Wie sich aus den Vorbemerkungen zu den amtlichen AfA-Tabellen für die Land- und Forstwirtschaft ergibt, können allerdings besondere Verhältnisse zu einer kürzeren oder längeren Nutzungsdauer führen, wobei dem Steuerpflichtigen insbesondere dann gefolgt wird, wenn er die in den Tabellen angegebene Nutzungsdauer nicht unterschreitet (Ziff. 5 und 7 der allgemeinen Vorbemerkungen zur amtlichen AfA-Tabelle; Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 15. August 1957 VI A/5-S 1479-229/57, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1957, 339 ff.). Will der Schätzungslandwirt jedoch derartige Besonderheiten geltend machen, so muß er auch im übrigen die Voraussetzungen für die Ermittlung der tatsächlichen Gewinne schaffen und seiner Pflicht zur Buchführung nachkommen. Verzichtet er darauf, so können weder der Steuerpflichtige noch die Finanzverwaltung beim Übergang zur Buchführung aufgrund besonderer Verhältnisse eine längere oder kürzere Nutzungsdauer für den Zeitraum der Schätzung annehmen.

2. a) Aus diesen Grundsätzen folgt, daß das FA bei Überprüfung der Übergangsbilanz des Klägers zum 1. Juli 1975 unter Anwendung der amtlichen AfA-Tabelle zutreffend zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die beiden Maschinen beim Übergang zur Buchführung bereits vollständig abgeschrieben waren. Wenn die Kläger dem entgegenhalten, der Wert beider Maschinen habe sich beim Übergang zur Buchführung noch nicht verzehrt, denn für den Schlepper sei noch ein Erlös erzielt worden und der Mähdrescher sei auch noch im Jahre 1984 einsatzfähig gewesen, so verkennen sie, daß die Vorschriften über Absetzungen (§ 7 Abs. 1 EStG) nicht dem Ausgleich eines eingetretenen Wertverlustes oder Wertverzehrs dienen, sondern dazu bestimmt sind, die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Anschaffung oder Herstellung des jeweiligen Wirtschaftsguts zu verteilen (BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 IV R 17/73, BFHE 123, 140, BStBl II 1977, 825). Zwar bestimmt § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG, als Zeitraum für diese Verteilung sei die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung des Wirtschaftsguts anzunehmen; dies geschieht jedoch - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - stets vorausschauend im Wege einer Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer. Erkennt der Steuerpflichtige später, daß er die Nutzungsdauer unzutreffend geschätzt hat, so kann der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, auf den sich die Kläger in ihrer Revision stützen, nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht zu einer erfolgsneutralen Aufstockung der Buchwerte und damit zu einer Doppelberücksichtigung von Aufwand führen.

Diese Erwägungen gelten auch im Streitfall, bei dem davon auszugehen ist, daß für den Zeitraum der Schätzung nach Richtsätzen eine durchschnittliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen ist, die sich für alle Schätzungslandwirte gleichermaßen aus den amtlichen AfA-Tabellen ergibt. Daß in den als Schätzungsgrundlage ermittelten Richtsätzen auch Buchgewinne enthalten sein können, die im Ergebnis überhöhte Absetzungen ausgleichen, kann anders als die Kläger meinen, nicht dazu führen, den Buchwert der streitigen Wirtschaftsgüter nach dem tatsächlichen Wertverzehr zu bemessen. Der Senat braucht diesem Einwand nicht weiter nachzugehen, weil er auf einer Gesamtbetrachtung beruht, die dem Grundsatz der Einzelbewertung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG widerspricht.

b) Da die Kläger den Gedanken des Wertverzehrs für den Zeitraum nach Beginn der Buchführung selbst nicht weiter vertreten, sondern - für den Mähdrescher jedenfalls - von einer geschätzten Restnutzungsdauer ausgehen, die ersichtlich unter der tatsächlichen Nutzungsdauer liegt, verfolgen sie mit ihrem Klagebegehren im Ergebnis einen Teilwertansatz in der Bilanz zum 1. Juli 1975. Für einen solchen Bewertungsansatz fehlt es jedoch an einer Rechtsgrundlage, da beide Maschinen vom Zeitpunkt ihrer Anschaffung an zum Betriebsvermögen gehörten und im Beginn der Buchführung weder eine Einlage dieser Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) noch eine Betriebseröffnung (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG) zu sehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414288

BFH/NV 1986, 402

BFHE 1986, 537

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