Leitsatz (amtlich)

Die Einkünfte eines im Miteigentum von Mutter und Sohn stehenden Einfamilienhauses sind auch dann einheitlich und gesondert nach der Einfamilienhaus-Verordnung zu ermitteln, wenn nur der Sohn das Haus bewohnt und die Mutter in Ansehung ihres Anteils mit der unentgeltlichen Nutzung durch den Sohn einverstanden ist.

 

Normenkette

EStG §§ 12, 21 Abs. 2; EinfHaus-VO §§ 1-2; AO § 215 Abs. 2 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger zu 1.) und seine Mutter, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin zu 2.) sind zu 3/8 und 5/8 Miteigentümer eines von dem Kläger zu 1. und seiner Familie bewohnten Einfamilienhauses. Der Kläger zu 1. zahlte seiner Mutter kein Nutzungsentgelt, trug jedoch alle Grundstücksaufwendungen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte die von ihm durch den Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelten Einkünfte für die Streitjahre 1970 und 1971 einheitlich und gesondert fest und verteilte sie entsprechend den Miteigentumsanteilen auf die Kläger.

Der gegen diese Feststellungsbescheide eingelegte Einspruch, mit dem die Kläger die Anwendung der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (Einfamilienhaus-Verordnung - EinfHaus-VO -) begehrten, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ging in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 20 (EFG 1977, 20) veröffentlichten Entscheidung davon aus, daß die Einkünfte für beide Miteigentümer nach der Einfamilienhaus-Verordnung zu ermitteln seien. Demgemäß setzte es die einheitliche und gesondert festgestellten Einkünfte für das Jahr 1970 von 4 671 DM auf 1 067,50 DM, für das Jahr 1971 von 4 306 DM auf 1 067,50 DM herab und teilte sie nach den Miteigentumsanteilen auf die Kläger auf.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 8 Abs. 2, § 12 Nr. 2, § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Es ist der Ansicht, daß in bezug auf den Miteigentumsanteil der Mutter die Einkünfte durch die Einnahmeüberschußrechnung zu ermitteln seien. Zur Begründung stützt es sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 1969 VI R 72/68 (BFHE 97, 537, BStBl II 1970, 207), nach welchem die Einfamilienhaus-Verordnung nicht anwendbar sei, wenn dem unentgeltlich überlassenden Eigentümer die Einkünfte nach § 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen seien.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend die Einkünfte aus dem Einfamilienhaus für beide Miteigentümer nach der Einfamilienhaus-Verordnung ermittelt.

1. Gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) sind die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt sind. Diese Voraussetzungen hat das FG zu Recht bejaht. Denn der zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehörende Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 EStG) ist den Klägern entsprechend ihren Miteigentumsanteilen zuzurechnen.

Der anteiligen Erfassung des Nutzungswerts bei der Klägerin zu 2. steht nicht entgegen, daß die Klägerin das Haus nicht selbst bewohnt und auch keine Nutzungsentschädigung erhält. Denn in dem Verzicht auf das ihr gemäß § 743 BGB zustehende Nutzungsrecht zugunsten des Klägers ist eine unentgeltliche Überlassung des Grundstücks in Ansehung ihres ideellen Eigentumsanteils zu erblicken, die gemäß § 12 EStG ebenso als Einkommensverwendung zu beurteilen ist wie die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung durch den Alleineigentümer (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 11. April 1978 VIII R 164/77, BFHE 125, 155, BStBl II 1978, 493 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 20. November 1973 VIII R 256/72, BFHE 110, 561, BStBl II 1974, 163, und vom 30. Januar 1974 I R 16/72, BFHE 111, 336).

2. Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus ist nach den Vorschriften der Einfamilienhaus-Verordnung zu ermitteln (vgl. §§ 1, 2). Die Eigenschaft als Einfamilienhaus wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß es mehreren Miteigentümern gehört und von diesen in ihrer Gesamtheit als Einfamilienhaus genutzt wird. Denn die Verordnung setzt nur voraus, daß die Wohnung im "eigenen" Einfamilienhaus genutzt wird, nicht aber, daß das Haus im Eigentum einer einzigen natürlichen Person oder im Eigentum zusammenveranlagter Ehegatten steht (so bereits BFH-Urteile vom 3. August 1954 I 21/54, Der Betrieb 1957 S. 56, und vom 1. August 1972 VIII R 99/69, BFHE 107, 18, BStBl II 1972, 882; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 21 EStG Anm. 23 b; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 21 EStG Anm. 22; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl. III 4. zu § 21 a). Diese mit dem Wortlaut im Einklang stehende Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Verordnung, dem Eigentümer, der keine tatsächlichen Mieteinnahmen hat, eine Ermittlung des Nutzungswerts zu ersparen und ihm eine pauschale Berechnung zuzubilligen, der das Prinzip der angemessenen Verzinsung des in dem Haus angelegten Kapitals zugrunde liegt. Im Hinblick auf den hiermit angestrebten Vereinfachungszweck macht es keinen Unterschied, ob das Haus von einem Alleineigentümer oder von der Gesamtheit der Miteigentümer genutzt wird.

Unschädlich ist auch hier, daß die Klägerin zu 2. das Haus nicht selbst bewohnt. Denn der Verzicht auf das ihr zustehende Gebrauchsrecht steht der unentgeltlichen Überlassung durch den Alleineigentümer gleich und ist wie diese als Eigennutzung zu beurteilen (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 11.April 1978 VIII R 119/76, BFHE 126, 13, BStBl II 1979, 17).

Die Revision, die noch auf die im BFH-Urteil VI R 72/68 vertretene Rechtsauffassung gestützt war, kann hiernach keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73160

BStBl II 1979, 523

BFHE 1979, 325

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