Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält nicht mehr an der im Urteil vom 7. August 1963 II 39/62 (HFR 1964, 178) vertretenen Auffassung fest, daß die Finanzbehörde, wenn sie einen Grunderwerbsteueranspruch gegen den Veräußerer und den Erwerber in getrennten Einzelsteuerbescheiden geltend macht, in den Bescheiden stets auf die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners unter Angabe seines Namens hinweisen müßte.

 

Normenkette

GrEStG § 15 Nr. 1; GrEStDV § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

I.

Mit Vertrag vom... veräußerte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ein bebautes Grundstück. Beide Vertragspartner gingen davon aus, daß die Veräußerung nach § 1 Nr. 5 des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer (GrESWG) steuerfrei sei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ), der diese Ansicht nicht teilte, setzte mit Bescheid vom ... gegen den Erwerber ... DM Grunderwerbsteuer fest. Der Erwerber legte hiergegen Einspruch ein und entrichtete die Steuer zunächst nicht. Nach Ablauf der Zahlungsfrist setzte das FA mit Bescheid vom ... gegen die Klägerin , als Gesamtschuldner gleichfalls ... DM Grunderwerbsteuer fest.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage ab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, daß der Steuerbescheid fehlerhaft sei, weil er Hinweis auf die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des Erwerbers enthalte.

Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen, und macht geltend das FG hätte den Bescheid nicht aufheben dürfen. § 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz (GrEStDV) verlange nicht, daß im Falle des Erlasses von Einzelsteuerbescheiden gegen den Veräußerer und den Erwerb er jeweils unter Namensnennung auf die gesamtschuldnerische Verpflichtung des anderen Schuldners hingewiesen werde. Auch die Interessenlage rechtfertige keine andere Beurteilung. Diese Auffassung sei ungeachtet dessen gerechtfertigt, daß der Bundesfinanzhof (BFH) zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sei; denn das betreffende BFH-Urteil vom 7 August 1963 II 39/62 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 178 - HFR 1964, 178 -, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 232, Rechtsspruch 29), auf das sich das FG gestützt habe, verweise nur auf eine Entscheidung des Reichsfinanzhofs (RFH) - Urteil vom 10. März 1937 IV A 9/37 (RFHE 41, 135, RStBl 1937. 459) -, die eine Begründung vermissen lasse und überdies den diesbezüglichen Ausspruch nicht einmal in den Gründen, sondern nur im Leitsatz enthalte.

Die Klägerin hat inzwischen im Hinblick darauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, daß die Grunderwerbsteuer am..., d h. nach Einlegung der Revision, vom Erwerber gezahlt worden ist. Die Klägerin beantragt, festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Das FA hat es abgelehnt, eine Erledigungserklärung abzugeben.

 

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben; die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -)

Die Aufhebung des Bescheides gegen die Klägerin ist nicht dadurch gerechtfertigt, daß dieser keinen Hinweis auf die vorausgegangene gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des Erwerbers enthält. Soweit sich aus dem Urteil des Senats II 39/62 (HFR 1964, 178) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht mehr festgehalten.

Nach § 15 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sind Steuerschuldner: die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Für deren Inanspruchnahme bestimmt § 8 Abs. 2 GrEStDV, daß regelmäßig ein einheitlicher Steuerbescheid erteilt wird, der sich an den Erwerber und den Veräußerer als Gesamtschuldner richtet und beide Gesamtschuldner zur Zahlung der Steuer auffordert, daß aber die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen den Steuerbescheid auch nur einem Gesamtschuldner bekanntgeben darf. Die von der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit, Erwerber und Veräußerer durch getrennte Grunderwerbsteuerbescheide heranzuziehen (HFR 1964, 178, 179 rechte Spalte), wird in der erörterten Bestimmung nicht behandelt. Dementsprechend läßt sich der Vorschrift nichts dafür entnehmen, daß in den Einzelsteuerbescheiden auf die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners unter ausdrücklicher Angabe seines Namens hingewiesen werden müßte. Auch sonstige abgabenrechtliche Vorschriften rechtfertigen eine derartige generelle Anforderung an den Bescheid nicht, insbesondere nicht der § 210 Abs. 2 Satz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) - vgl. auch § 155 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 -.

Die im Urteil II 39/62 (HFR 1964, 178, 179 rechte Spalte) vertretene gegenteilige Ansicht stützt sich auf das RFH-Urteil IV A 9/37 (RFHE 41, 135), in dem ausgesprochen ist, daß dann, wenn mehrere Personen für dieselbe Steuerschuld in Anspruch genommen werden, dies auch im Steuerbescheid gegenüber dem einzelnen Gesamtschuldner zum Ausdruck kommen müsse. Der Grund für diese Annahme lag offenbar in dem Bestreben, dem einzelnen Gesamtschuldner die Geltendmachung zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche gegen andere Gesamtschuldner zu erleichtern. Diesem Gesichtspunkt kann jedoch nicht eine so große Bedeutung beigemessen werden, daß die unterlassene Benennung eine zur gerichtlichen Aufhebung berechtigende Fehlerhaftigkeit des Bescheides ergäbe; denn der interne Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern ist für das Abgabenrecht weitgehend unerheblich (vgl. § 155 Abs. 2 Satz 2 AO 1977; § 210 Abs. 2 Satz 2 AO). Demgemäß läßt sich die Angabe der Namen anderer herangezogener Gesamtschuldner allenfalls als Gegenstand einer den Soll-Vorschriften vergleichbaren Ordnungspflicht ansehen, wobei ein Verstoß die Wirksamkeit des Bescheides nicht zu beeinträchtigen vermöchte (Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 44 Rdnr. 27; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 44 Rdnr. 15). Aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 29. November 1972 II R 42/67 (BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

Unberührt hiervon bleibt die Beantwortung der Fragen im Einzelfall, ob etwa bei einer, nachträglichen Inanspruchnahme des Veräußerers die Angabe, daß zuvor ein Bescheid gegen den Erwerber ergangen sei, notwendiger Bestandteil einer erforderlichen - allerdings nachholbaren (vgl. § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977) - Begründung des gegen den Veräußerer gerichteten Bescheides ist und ob der nachträglich in Anspruch genommene Veräußerer von der Finanzbehörde Auskunft darüber verlangen kann, inwieweit versucht worden ist, den Steuerbetrag beim Erwerber ein zuziehen Da das FG aus seiner Sicht zu Recht - Feststellungen zu der Frage unterlassen hat, ob der Bescheid aus anderen geltend gemachten oder sonst ersichtlichen Gründen als dem erörterten Gesichtspunkt rechtswidrig ist, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413477

BStBl II 1981, 176

BFHE 1981, 114

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