Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ausgaben eines Steuerpflichtigen (Steuerassistenten) für die Teilnahme an einem Steuerrechtslehrgang sind Kosten der beruflichen Weiterbildung (Werbungskosten) auch, wenn der Steuerpflichtige dadurch zugleich einen Berufswechsel als Steuerbevollmächtigter vorbereitet.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1, § 19/1; LStDV § 20; LStR Abschn. 24 Abs. 5; LStR Abschn. 24/3/1

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) war bis Ende März des Streitjahres 1963 Steuerassistent der Finanzverwaltung. Zum 31. März 1963 schied er aus dem Beamtenverhältnis aus und wurde ab 1. April 1963 Angestellter eines Steuerberaters. Von Januar bis Oktober 1963 nahm der Stpfl. an einem Steuerrechtskurs teil, den er mit der Ablegung der Steuerbevollmächtigtenprüfung abschloß. Der Stpfl. wurde Steuerbevollmächtigter. Er beantragte,

die Kurs- und Prüfungsgebühren einschließlich der Fahrtkosten an die Lehrgangsorte sowie den Mehrverpflegungsaufwand während dieser Zeit als Fortbildungskosten mit 1.393,60 DM sowie

für die mehr als 12stündige berufliche Abwesenheit vom Hause an 240 Tagen im Jahre täglich 2,50 DM als Mehrverpflegungsaufwand am Dienstort

steuerlich abzusetzen.

Fortbildungskosten

Das Finanzamt (FA) setzte die 1.393,60 DM nicht als Werbungskosten ab, da es sie als Ausbildungskosten ansah. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1966, S. 89 veröffentlicht ist, gab der Berufung statt. Es führte im wesentlichen aus, der Stpfl. habe zwar seinen Beruf gewechselt. Die Kurskosten seien aber zum Abzug zuzulassen, weil sie mit dem Berufswechsel nicht in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Der Kurs habe auch der beruflichen Weiterbildung des Stpfl. als Steuerassistent gedient. Es sei nicht ausschlaggebend, daß der Stpfl. gleichzeitig angestrebt habe, einmal aus der Finanzverwaltung auszuscheiden und Steuerbevollmächtigter zu werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der das FA unrichtige Anwendung von §§ 9 und 12 Ziff. 1 EStG rügt, kann insoweit keinen Erfolg haben.

Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf als Arbeitnehmer veranlaßt sind, soweit die Kosten nicht Kosten der Lebenshaltung im Sinne von § 12 EStG sind, wie der Senat im Urteil VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192) ausgeführt hat. Kosten der Ausbildung für einen Beruf sind grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung im Sinne von § 12 Ziff. 1 EStG, die das Einkommen nicht mindern dürfen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - VI 110/62 U vom 24. August 1962, BFH 75, 606, BStBl III 1962, 488, und VI 45/63 U vom 28. Juni 1963, BFH 77, 313, BStBl III 1963, 435). Ausgaben des Stpfl. zur Fortbildung in seinem bereits ausgeübten Beruf sind dagegen Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG, weil sie der Erhaltung und regelmäßig auch der Erhöhung der Einnahmen aus dem Beruf dienen. Die Abgrenzung von Ausbildungs- und Fortbildungskosten ist allerdings oft schwierig. Der Senat hat aber wiederholt darauf hingewiesen, daß es auch im öffentlichen Interesse liege, das Streben nach Verbesserung der Berufsleistung zu fördern und deshalb den steuerlichen Begriff "Fortbildungskosten" nicht zu eng zu fassen, wie zuletzt in den Urteilen VI 249/62 U vom 15. März 1963 (BFH 76, 818, BStBl III 1963, 298) und VI 45/63 U (a. a. O.). Wie der Senat in den Urteilen VI 39/56 U vom 5. Juli 1957 (BFH 65, 246, BStBl III 1957, 328) und VI 128/62 vom 24. August 1962 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1 und 2, Rechtsspruch 197) entschieden hat, steht es grundsätzlich Arbeitnehmern frei, welche Ausgaben sie für ihre Fortbildung machen wollen, sofern die Ausgaben nicht ausschließlich oder überwiegend auch die Lebenshaltung berühren.

Das FG konnte nach diesen Rechtsgrundsätzen die Kursuskosten ohne Rechtsverstoß als Werbungskosten anerkennen. Der Stpfl. war ab 1. April 1963 Angestellter eines Steuerberaters. Ausgaben eines solchen Angestellten für die Teilnahme an Lehrgängen, die der Vorbereitung auf die Steuerberater- oder Steuerbevollmächtigtenprüfung dienen, sind Werbungskosten, wie im Urteil des Senats VI 94/64 vom 9. April 1965 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 507) ausgesprochen wurde. Der Stpfl. konnte als Angestellter eines Steuerberaters frei bestimmen, wie er sich beruflich fortbilden wollte. Die Kosten dafür sind Werbungskosten, auch wenn sie die Grenze des "Erforderlichen" oder "üblichen" überschreiten.

Das FA meint, die Ausgaben müßten mindestens für die Zeit, in der der Stpfl. noch in der Finanzverwaltung beschäftigt gewesen sei, d. h. vom 1. Januar 1963 bis 31. März 1963, als Ausbildungskosten behandelt werden, weil der Stpfl. seine Stellung als Steuerbeamter habe aufgeben und selbständiger Steuerberater werden wollen. Er habe also einen Berufswechsel beabsichtigt und habe sich durch den Besuch des Lehrgangs darauf vorbereitet. Unter diesen Umständen müßten seine Ausgaben mindestens in der Zeit, als er in der Finanzverwaltung tätig war, als Ausbildungskosten (Kosten der Lebenshaltung) gemäß § 12 Ziff. 1 EStG behandelt werden. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen; denn auch wenn der Stpfl. nicht einen Berufswechsel angestrebt, sondern weiterhin Steuerassistent geblieben wäre, hätte er frei bestimmen können, welche Ausgaben er zur Fortbildung im ausgeübten Beruf machte. Wenn er mit den Ausgaben für die Weiterbildung im ausgeübten Beruf zugleich anstrebte, einen Berufswechsel vorzubereiten, so schließt das nach der Rechtsprechung des Senats nicht aus, die Ausgaben als Kosten der Berufsfortbildung anzuerkennen (Urteil VI 45/63 U, a. a. O.).

Mehraufwand für Verpflegung Das FA erkannte die Kosten des Mehraufwandes für Verpflegung für mehr als 12stündige dienstliche Abwesenheit vom Hause nur mit 1,50 DM täglich an, während der Stpfl. 2,50 DM beantragt hatte. Das FG setzte für 180 Tage, an denen der Stpfl. in Gasthäusern das Mittagessen einnehmen mußte, täglich 2,50 DM an; für die restlichen 60 Arbeitstage blieb es bei dem vom FA anerkannten Satz von 1,50 DM täglich, weil der Stpfl. an diesen Tagen in einer Kantine zu Mittag gegessen hatte. Mit dem Tagessatz von 2,50 DM wollte das FG der allgemeinen Preiserhöhung Rechnung tragen.

In diesem Punkt mußte der Revision des FA stattgegeben werden.

Im Urteil VI 231/64 vom 24. Juni 1966 (BFH 86, 574, BStBl III 1966, 608), das das FG bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, hat der Senat entschieden, daß der Tagessatz von 1,50 DM bei mehr als 12stündiger Abwesenheit von der Wohnung (Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1963) ein geschätzter Durchschnittsbetrag sei, der nicht im Einzelfall zu erhöhen sei. Die Vorentscheidung steht damit nicht im Einklang.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412296

BStBl III 1967, 230

BFHE 1967, 521

BFHE 87, 521

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