Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein dauerndes Getrenntleben von Eheleuten ist anzunehmen, wenn das Gesamtbild ihrer gegenseitigen Beziehungen dafür spricht, daß die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben ist. Die Benutzung getrennter Wohnräume kann in Verbindung mit anderen Umständen ein Merkmal hierfür sein.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1, §§ 26b, 32a/2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Steuerpflichtige (Stpfl.) für das Jahr 1962 mit seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau zusammenzuveranlagen und demgemäß die Einkommensteuer nach § 32 a Abs. 2 EStG 1961 festzusetzen ist, wie er es in der von ihm allein unterschriebenen Einkommensteuererklärung verlangt hat. Das Finanzamt (FA) hat den Stpfl. nach Anhörung seiner früheren Ehefrau nicht mit dieser zusammenveranlagt. Der hiergegen vom Stpfl. eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Auch seine Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) teilte die Auffassung, daß der Stpfl. für das Jahr 1962 nicht mit seiner von ihm inzwischen geschiedenen Ehefrau zusammenveranlagt werden könne, da er länger als acht Monate getrennt gelebt habe. Die Eheleute hätten sich während der Monate März und April 1962 für dauernd getrennt, die Ehe sei im Februar 1963 geschieden worden. Es brauche nicht auf die durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) VI 275/60 vom 20. Januar 1961 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1961 S. 232) entstandene Streitfrage eingegangen zu werden, ob eine dauernde Trennung im Sinn von § 26 EStG nur vorliege, wenn das gemeinsame eheliche Leben, die gemeinsame Wirtschaftsführung und der gemeinsame Haushalt aufgehört hätten, oder ob sie schon anzunehmen sei, wenn nur in einem dieser drei Punkte eine Trennung der Eheleute eingetreten sei. Im Streitfall hatten sich nämlich im Lauf der Monate März oder April 1962 die Eheleute völlig getrennt. Der Stpfl. bestreite dies zwar hinsichtlich der Wirtschafts- und der Haushaltsführung. Die von ihm behauptete gemeinsame Erziehung des 20jährigen Sohnes genüge aber nicht zur Annahme eines gemeinsamen ehelichen Lebens, zumal er nach seinen eigenen Ausführungen die Erziehungsmaßnahmen mit seiner damaligen Ehefrau nicht abgestimmt habe. Weitere persönliche Beziehungen behaupte der Stpfl. selbst nicht; sie kämen nach den mehrfachen Erklärungen der Ehefrau auch nicht in Betracht. Auch die angebliche gemeinsame Haushaltsführung habe nicht bestanden. Die Reinigung der vom Stpfl. bewohnten Zimmer in der gemeinsamen Wohnung durch die Ehefrau reiche hierfür nicht aus, zumal die Ehefrau sie bestreite. Daß die im Streitjahr länger als acht Monate währende Trennung für dauern sein sollte, sei zu bejahen. Die Tatsache, daß die Ehefrau eine einstweilige Verfügung nach § 627 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf einstweilige Trennung erwirkt habe, beweise nicht das Gegenteil; denn sie habe das lediglich getan, um sich vor prozessualen Nachteilen zu sichern.

Der Stpfl. bestreitet mit seiner Revision, daß er im Jahre 1962 länger als acht Monate von seiner früheren Ehefrau im Sinn des § 26 EStG dauernd getrennt gelebt habe. Er habe immer gehofft, daß es noch zu einer Verständigung mit seiner früheren Ehefrau kommen würde und die Klage und Widerklage auf Ehescheidung zurückgenommen werde. Seine Ehefrau habe sich zwar für immer von ihm trennen wollen. Solange die Ehe aber noch nicht geschieden gewesen sei, habe sie, wie insbesondere die von ihr erwirkte gerichtliche einstweilige Anordnung beweise, nur eine vorübergehende Trennung für die Dauer des Prozesses gewollt. Er beantrage daher, unter Aufhebung des Urteils des FG den Steuerbescheid des FA dahin zu ändern, daß er mit seiner damaligen Ehefrau für 1962 zusammenveranlagt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Senat hat in dem Urteil VI 42/65 vom 5. Oktober 1966 (BStBl III 1967, 84) entschieden, daß Eheleute im Sinn von § 26 EStG neuer Fassung dauernd getrennt leben, wenn die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr besteht. Ob dies der Fall ist, muß nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, und zwar in erster Linie nach äußeren Merkmalen beurteilt werden. Ob die Eheleute räumlich zusammenleben, ist für diese Entscheidung von wesentlicher Bedeutung. Im Streitfall hat der Stpfl. mit seiner früheren Ehefrau zwar in der gleichen Wohnung gelebt. Die Eheleute haben aber in verschiedenen Räumen gewohnt. Die von der Ehefrau bewußt herbeigeführte Trennung der Wohnräume ist eine räumliche Trennung. Das wird durch die Ehefrau bestätigt, die erklärt hat, daß sie für den Stpfl. seit Ende März 1962 nicht mehr gekocht hat, daß seit dem keine gemeinsamen Mahlzeiten mehr stattgefunden haben und daß der Stpfl. ihr ab April 1962 für ihren Unterhalt jeweils einen Betrag durch Postanweisung überwiesen habe. Daß diese äußerlich erkennbare Trennung der Ehegatten vollständig war, wird deutlich durch die auf ihren Antrag vom Scheidungsgericht erlassene einstweilige Anordnung gemäß § 627 ZPO, durch die der Ehefrau gestattet wurde, für die Dauer des Scheidungsprozesses getrennt zu leben. Unter diesen Umständen kann mindestens ab März oder April 1962 eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft des Stpfl. mit seiner früheren Ehefrau nicht mehr angenommen werden.

Das FG hat die vom Stpfl. für das Fortbestehen einer Haushaltsgemeinschaft angeführten Umstände nicht als erwiesen angesehen. Der Senat ist an diese auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegenden Feststellungen nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Den Behauptungen des Stpfl. über das angeblich von der Ehefrau besorgte Reinigen der von ihm bewohnten Zimmer und über die Erziehung des 20jährigen Sohnes kommt demgegenüber keine entscheidende Bedeutung zu. Denn wesentlich ist, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse während des Streitjahres für mindestens vier Monate noch eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft des Stpfl. mit seiner früheren Ehefrau bestanden hat oder nicht. Das ist nach dem Verhältnis, das zwischen den Eheleuten seit März oder spätestens April 1962 bestanden hat, und das im Februar 1963 zur Auflösung der Ehe durch Scheidung führte, zu verneinen. Das FG hat unter diesen Umständen ohne Rechtsirrtum die Voraussetzungen des § 26 EStG 1961 nicht als erfüllt angesehen und demgemäß mit Recht eine Besteuerung nach § 32 a Abs. 2 EStG 1961 abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412299

BStBl III 1967, 110

BFHE 1967, 251

BFHE 87, 251

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