Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abzinsung von Anschaffungskosten

 

Leitsatz (NV)

Überträgt der Vater ein bebautes Grundstück an seinen Sohn, der sich im Gegenzug zur Zahlung eines für 10 Jahre zinslos gestundeten Geldbetrags verpflichtet, so liegen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts der Geldforderung vor, wenn die Zahlung innerhalb eines Jahres ab Vertragsschluß erfolgt.

 

Normenkette

EStG §§ 7b, 9 Abs. 1 Nr. 7, §§ 21, 21a

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1982 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Der Kläger hatte von seinem Vater mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. Oktober 1980 ein bebautes Grundstück übertragen erhalten. Er hatte dafür innerhalb von 10 Jahren an den Vater . . . DM zu zahlen. Bis zur Zahlung hatten sich die Eltern ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht am Grundstück vorbehalten. Der Kläger hatte sich verpflichtet, zwei Tanten im Bedarfsfall zu pflegen und außerdem einer der Tanten ein unentgeltliches Wohnrecht, bestehend in der alleinigen Benutzung aller Räume der ersten Etage des Hauses, eingeräumt.

Der Kläger zahlte am 24. September 1981 den Betrag von . . . DM an seinen Vater. Im Oktober 1981 wurde das Nießbrauchsrecht der Eltern gelöscht.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1982 machte der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung u. a. erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte ihm diese Absetzungen, da er das Grundstück unentgeltlich erworben habe.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe das Grundstück nicht entgeltlich, sondern durch eine Schenkung unter Auflage und damit unentgeltich erworben.

Mit der Revision rügen die Kläger sinngemäß Verletzung der §§ 21, 21 a, 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 b EStG.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Kläger wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft den Erwerb des Grundstücks durch den Kläger als voll unentgeltlichen Vorgang beurteilt hat.

Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage einer Abstandszahlung an den Übertragenden ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. Die zugesagte Leistung führt beim Übernehmer zu Anschaffungskosten. Dagegen stellen vom Vermögensübernehmer zugesagte Versorgungsleistungen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten dar. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C. II. 1. und 2. Ebenso erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als der Übertragende für sich oder einen Dritten an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C. II. 1. Buchst. c der Gründe des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.

Legt man die vorgenannten Rechtsgrundsätze zugrunde, so stellt der vom Kläger an seinen Vater zu zahlende Betrag das Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar. In dieser Höhe sind dem Kläger Anschaffungskosten entstanden. Entgegen der Auffassung des FA ist die unverzinsliche Schuld, die der Kläger innerhalb von 10 Jahren begleichen mußte, nicht gemäß § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) abzuzinsen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, mit welchem Wert die Anschaffungskosten im Anschaffungsjahr 1980 hätten angesetzt werden müssen. Im Streitjahr 1982 stand infolge der Zahlung im September 1981 fest, daß die Laufzeit der Schuld weniger als ein Jahr betrug.

Weitere Anschaffungskosten sind dem Kläger nicht entstanden. Weder die Übernahme der Pflegeverpflichtung für die beiden Tanten noch die Einräumung des Wohnrechts für eine der Tanten stellen Gegenleistungen des Klägers für die Übertragung des Grundstücks dar. Die Pflegeverpflichtung ist eine typische Versorgungsleistung, welche keinen Entgeltscharakter hat. Das der Tante des Klägers eingeräumte Wohnrecht mindert von vornherein das übertragene Vermögen.

Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG kann der Kläger nur von den auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten vornehmen. Feststellungen, die eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude ermöglichen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252), hat das FG nicht getroffen. Im übrigen wird es bei der erneuten Entscheidung auch zu prüfen haben, ob die Tante des Klägers die Wohnung in der ersten Etage aufgrund des ihr eingeräumten Wohnrechts im Streitjahr tatsächlich nutzte. Ist dies der Fall, so erfüllte insoweit nur sie den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Alternative 2 EStG. Der Kläger kann insoweit keine Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628 m. w. N.). Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63627

BFH/NV 1992, 23

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