Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anteilsbewertung bei schlechten Ertragsaussichten

 

Leitsatz (NV)

Auch wenn sich aufgrund der Vorjahre als Jahresertrag ein Verlust ergibt, ist im Regelfall bei der Anteilsbewertung im Stuttgarter Verfahren der Ertragshundertsatz mit 0 v. H. anzusetzen, es sei denn, daß nach der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens am Stichtag eine Verhinderung des Zusammenbruchs nicht mehr zu erwarten ist.

 

Normenkette

BewG § 11 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit einem Stammkapital von . . . DM.

In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften auf den 31. Dezember 1976 hatte die Klägerin ein Vermögen angegeben, aus dem sich ein Vermögenswert von 260,99 v. H. ergab. Zur Errechnung des Ertragshundertsatzes hatte die Klägerin für die Jahre 1974 bis 1976 negative Betriebsergebnisse erklärt, den Durchschnittsertrag jedoch entsprechend Abschn. 78 Abs. 6 Satz 3 der Vermögensteuer-Richtlinien 1977 (VStR 1977) mit 0 DM angegeben. Aus dem Vermögenswert von 260,99 v. H. und dem Ertragshundertsatz von 0 v. H. errechnete die Klägerin den gemeinen Wert nach Abschn. 79 VStR 1977 mit 118 DM je 100 DM Stammkapital.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Erklärung und stellte unter Vorbehalt der Nachprüfung den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin auf 118 DM je 100 DM Stammkapital fest. Den Einspruch der Klägerin wies das FA zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage.

Während des Klageverfahrens erließ das FA nach einer Betriebsprüfung unter Aufhebung des Vorbehalts einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid, durch den unter Zugrundelegung eines Vermögenswerts von 267 v. H. der gemeine Wert der Anteile mit 121 DM je 100 DM Stammkapital festgestellt wurde. Die Änderung beruhte auf einer Erhöhung des Betriebsvermögens durch die Betriebsprüfung. Die Klägerin hat den Änderungsbescheid nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Die Klage, mit der die Klägerin wegen der Verluste in den Jahren 1974 bis 1976 den Ansatz eines negativen Ertragshundertsatzes begehrte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG), das die beiden zu je 50 v. H. beteiligten Gesellschafter gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beigeladen hatte, hat mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 506 veröffentlichten Urteil entschieden, daß trotz der Verluste in den Jahren 1974 bis 1976 der gemeine Wert der Anteile an der Klägerin zum Bewertungsstichtag 31. Dezember 1976 nicht unter 45,5 v. H. des Vermögenswerts gesunken sei; die Verluste hätten nicht ,,die Einleitung eines Vermögensverfalls" bedeutet, der einen Anteilswert unter dem Liquidationswert rechtfertigen könnte.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt. Sie rügt die Verletzung des § 11 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG).

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist unbegründet.

Die vom FG bestätigte Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1976 durch das FA begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Nach § 11 Abs. 2 BewG ist der gemeine Wert dieser Anteile unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen, wenn - wie im Streitfall - zeitnahe Verkäufe fehlen. Diese Schätzung erfolgt nach dem in Abschn. 76 f. VStR (hier: VStR 1977) geregelten Stuttgarter Verfahren, das der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt hat, soweit es nicht aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (vgl. Urteile vom 28. März 1990 II R 108/85, BFHE 159, 568, BStBl II 1990, 493; vom 8. Mai 1985 II R 184/80, BFHE 144, 268, BStBl II 1985, 608; vom 14. November 1980 III R 81/79, BFHE 132, 479, BStBl II 1981, 351; vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235).

In Abschn. 78 Abs. 6 Satz 3 VStR 1977 wurde erstmal bestimmt, daß der Ertragshundertsatz mit 0 v. H. angesetzt werden soll, wenn sich als Jahresertrag ein Verlust ergibt. Gegen diese - von den vorangegangenen VStR abweichende - Regelung bestehen nach Auffassung des erkennenden Senats für den Regelfall keine Bedenken. Der Senat nimmt insoweit auf seine Entscheidung vom 10. Mai 1989 II R 160/85 (BFHE 157, 435, BStBl II 1989, 752) Bezug, in der er dargelegt hat, daß wegen des bei geringen Gewinnerwartungen gewährten Abschlags nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1977 die Ermittlung des gemeinen Werts nach den VStR noch als Ausdruck vorsichtiger Bewertung angesehen werden kann. Sind die Gewinnerwartungen gleich null, ergibt sich danach ein Wert von 45,5 v. H. des um 15 v. H. gekürzten Vermögenswerts (Abschn. 79 Abs. 3 i. V. m. Abschn. 77 Abs. 5 VStR 1977). Der erkennende Senat hält daran fest, daß eine weitere Kürzung dieses Werts auch in Verlustperioden nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist, da im allgemeinen entsprechend der Zielsetzung einer jeden Unternehmensleitung in den auf den Stichtag folgenden fünf Jahren ein ausgeglichenes Durchschnittsergebnis unterstellt werden kann.

Hiervon ist auch das FG ohne Rechtsirrtum ausgegangen, wenn es zu dem Ergebnis kommt, daß trotz der erheblichen Verluste in den Vorjahren der gemeine Wert der Anteile an der Klägerin nicht unter 45,5 v. H. des Vermögenswerts gesunken sei. Zwar sind durchaus Fälle denkbar, in denen die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens an einem Stichtag so hoffnungslos ist, daß bei objektiver Betrachtung eine Verhinderung des Zusammenbruchs des Unternehmens nicht mehr zu erwarten ist, unabhängig davon, ob die Unternehmensleitung dies erkennt (vgl. Senatsurteil in BFHE 157, 435, BStBl II 1989, 752). Doch trifft dies nach den Feststellungen der Vorinstanz im Streitfall für den Bewertungsstichtag 31. Dezember 1976 nicht zu.

Allerdings kann wegen des Stichtagsprinzips in diesem Zusammenhang nicht auf die positiven Betriebsergebnisse der Jahre 1977 und 1978 abgestellt werden, weil damit nach dem Bewertungsstichtag liegende Ergebnisse in die Schätzung Eingang fänden. Im Streitfall steht einer weiteren Kürzung des Werts der Anteile an der Klägerin schon der Umstand entgegen, daß die Gesellschafter mit der Zuführung zusätzlichen Kapitals sowie mit der Bestellung eines neuen Geschäftsführers bereits Maßnahmen getroffen haben, um die Verlustperiode zu überwinden, das Unternehmen zu erhalten und den Wiedereintritt in die Gewinnphase herbeizuführen. Unter diesen Umständen bestehen auch bei einer vorsichtigen Bewertung keine Bedenken, im Streitfall den gemeinen Wert der Anteile unter Ansatz eines Ertragshundertsatzes von 0 v. H. mit 45,5 v. H. des um 15 v. H. gekürzten Vermögens zu ermitteln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417833

BFH/NV 1992, 446

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