Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abzugsfähigkeit von Kanalanschlußgebühren

 

Leitsatz (NV)

Kanalanschlußgebühren für den Anschluß an das öffentliche Kanalnetz stellen keine abschreibungsfähigen Zuschüsse im Sinne des § 79 EStDV dar.

 

Normenkette

EStG 1971 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; EStDV § 79

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt auf einem . . . qm großen Grundstück einen Campingplatz mit 250 Zeltplätzen. Er ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahre 1972 schlossen sich mehrere Gemeinden - darunter auch die Gemeinde des Klägers - zu einem Zweckverband zusammen, der nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung vom . . . 1972 (im folgenden ,,Entwässerungssatzung") die unschädliche Beseitigung der Abwässer als öffentliche Aufgabe betreibt und dazu nach § 1 Abs. 2 der Satzung Abwasseranlagen herstellt. Bestandteil der Abwasseranlage sind (soweit es das Schmutzwasser betrifft) nach § 1 Abs. 2 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung, ebenfalls vom . . . 1972 (im folgenden ,,Beitragssatzung"),

a)das Kanalnetz für Schmutzwasser einschließlich den Hauptsammlern

b)die Schmutzwasserpumpstationen,

c)die Abwasserreinigungsanlage (Klärwerk) und

d)die Hausanschlußleitungen innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums.

Zum Entwässerungsgebiet gehört neben anderen Zeltplätzen auch der des Klägers.

Nach § 1 Abs. 1 der Beitragssatzung erhebt der Zweckverband von den betroffenen Grundstückseigentümern für die Herstellung, den Aus- und Umbau der Abwasseranlage einen Anschlußbeitrag. Dieser besteht nach § 3 der Beitragssatzung aus einem Grundbeitrag für jedes Grundstück in Höhe von 1 000 DM sowie einem Zusatzbeitrag in Höhe von 1 DM für jeden qm Grundstücksfläche und 10 DM je qm zulässiger Geschoßfläche, wobei bei unbebauten Grundstücken eine Geschoßflächenzahl von 0,6 fingiert wird (§ 3 Abs. 5 der Beitragssatzung). Nach § 4 Abs. 1 der Beitragssatzung entsteht die Beitragspflicht grundsätzlich, sobald das Grundstück an die Abwasseranlage angeschlossen werden kann. Nach § 6 Abs. 2 der Beitragssatzung erhebt der Zweckverband jedoch Vorauszahlungen auf den Beitrag bis zur Höhe der voraussichtlichen Beitragsschuld, sobald mit der Herstellung der öffentlichen Entwässerungsanlage begonnen wird.

Auf dieser Grundlage erließ der Zweckverband am 25. September 1973 gegen den Kläger einen Bescheid über Vorauszahlungen auf den Anschlußbeitrag und forderte . . . DM. Dabei setzte der Zweckverband abweichend von der Beitragssatzung den nach der Grundfläche und der Geschoßfläche berechneten Zusatzbeitrag nur zur Hälfte an, darüber hinaus die Geschoßflächenzahl ebenfalls statt mit 0,6 mit 0,3. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurden niedrigere Zahlen offensichtlich deshalb angesetzt, weil der Kläger den Campingplatz nur im Sommer betreibt. Dieser Vorauszahlungsbescheid ist bestandskräftig. Von der nach § 7 der Entwässerungssatzung unter bestimmten Voraussetzungen bestehenden Möglichkeit, vom Anschluß- und Benutzungszwang befreit zu werden und statt dessen nach § 8 der Entwässerungssatzung eine eigene Grundstückskläreinrichtung anzulegen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Aufgrund des Vorauszahlungsbescheids hat der Kläger im Oktober des Streitjahres 1973 einen Teilbetrag von . . . DM an den Zweckverband gezahlt, den Rest im Jahre 1974.

Erstmals mit dem Einspruch gegen den (geänderten) Einkommensteuerbescheid 1973 machte der Kläger wegen der Vorauszahlung auf den Kanalanschlußbeitrag eine Sonderabschreibung nach § 79 Abs. 4 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1971 - EStDV - (50 v. H. von . . . DM) mit der Begründung geltend, es handele sich hierbei um einen Zuschuß an den Zweckverband zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern, die dazu dienten, Schädigungen durch Abwässer zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern (§ 79 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 EStDV). Durch diesen Zuschuß habe er ein Recht auf Mitbenutzung der Abwasseranlage erworben, für das er Bewertungsfreiheit im Rahmen des § 79 Satz 4 EStDV in Anspruch nehme.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wies den Einspruch im wesentlichen mit der Begründung zurück, bei der Zahlung des Klägers an den Zweckverband handele es sich um einen Vorschuß auf Kanalanschlußgebühren, die zu den Aufwendungen auf den Grund und Boden gehörten und auf die § 79 EStDV nicht anwendbar sei.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter, die im Streitjahr an den Zweckverband geleistete Zahlung von . . . DM als Zuschuß i. S. des § 79 Abs. 4 EStDV anzuerkennen und ihm hierauf eine Sonderabschreibung von 50 v. H. zu gewähren. Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, die vom Kläger geleistete Vorauszahlung sei ein Zuschuß zur Herstellung eines Wirtschaftsguts i. S. des § 79 Abs. 2 EStDV, nämlich eines Wirtschaftsguts, das unmittelbar und ausschließlich dazu diene, Schädigungen durch Abwässer zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, und dessen Herstellung im öffentlichen Interesse erforderlich sei. Das FG lehne die vom Bundesfinanzhof (BFH) in mehreren Entscheidungen vertretene Auffassung ab, Beiträge oder Zuschüsse zur Herstellung ,,allgemeiner Kanalisationsanlagen", deren Aufgabe in erster Linie darin bestehe, Abwasser abzuleiten, seien nicht nach § 79 EStDV begünstigt.

Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der Revision. Das FA rügt Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG hat in dem vom Kläger im Streitjahr 1973 an den Zweckverband gezahlten Betrag zu Unrecht einen Zuschuß zur Herstellung der in § 79 Abs. 2 EStDV genannten Wirtschaftsgüter gesehen, auf den nach Abs. 4 dieser Vorschrift Sonderabschreibungen von insgesamt 50 v. H. des Zuschusses möglich sind.

§ 79 EStDV geht zurück auf die erstmals durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 11. August 1955 (BGBl I 1955, 505, BStBl I 1955, 385) in § 51 Abs. 1 Nr. 2 EStG eingefügte Ermächtigung an die Bundesregierung zum Erlaß von Vorschriften über Sonderabschreibungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die unmittelbar und ausschließlich dazu dienen, Schädigungen durch Abwässer zu beseitigen oder zu verringern und die innerhalb eines näher bezeichneten Zeitraums angeschafft oder hergestellt werden. Nach dem schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrucks II/ 1570) sollten angesichts der lebenswichtigen Bedeutung der Abwässerreinigung für Gesundheit von Mensch und Tier als auch der Pflanzen die Errichtung von baulichen Anlagen zur Abwässerreinigung steuerlich durch Gewährung zusätzlicher Abschreibungsmöglichkeiten gefördert werden.

Nach den auf den Streitfall anzuwendenden Vorschriften des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. 1 EStG 1971 i.V.m. § 79 Abs. 1 und 2 EStDV werden ebenfalls wieder Sonderabschreibungen in näher bezeichneter Höhe bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der oben bezeichneten Art zugelassen. Voraussetzung ist, daß die Anschaffung oder Herstellung dieser Wirtschaftsgüter im öffentlichen Interesse liegt. Ferner muß der Steuerpflichtige den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln. Die Sonderabschreibungen können schon für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten der genannten Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. 1 Satz 4 EStG 1971, § 79 Abs. 3 EStDV). Ferner sind auch Zuschüsse zur Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung der oben bezeichneten Wirtschaftsgüter in diese Regelung einbezogen worden, wenn mit den Zuschüssen ein Recht auf Mitbenutzung dieser Wirtschaftsgüter erworben wird (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. 1 Satz 5 EStG 1971, § 79 Abs. 4 und 5 EStDV). Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Zahlung des Klägers als Zuschuß im Sinne der genannten Vorschriften anzusehen ist.

Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger gemäß einem vom Zweckverband gegen ihn ergangenen Bescheid Vorauszahlungen auf seinen Anschlußbeitrag zahlen müssen. In diesem Bescheid ist angeführt, daß der Zweckverband aufgrund seiner ,,Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung" einen Anschlußbeitrag zur Deckung des Aufwands für die Herstellung der Entwässerungsanlagen erhebt. Der Beitrag ist nach der Grundstücksfläche und deren baulicher Ausnutzung, der nach § 3 Abs. 5 der Beitragssatzung eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks ohne Bebauung gleichsteht, berechnet. Daraus ergibt sich, daß die Vorauszahlungen auf Beiträge für Entwässerungsanlagen verlangt worden sind, die dem Grundstück des Klägers und seinem darauf betriebenen Campingplatz zugute kommen sollen. Es handelt sich somit um grundstücksbezogene Vorteile und Aufwendungen im Sinne des Kommunalabgabenrechts (Norbert und Brigitte Hempel, Praktischer Kommentar zum Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein, 1980, § 8 Rdnr. 52).

Beiträge für den Anschluß an das gemeindliche Entwässerungssystem gehören wegen ihrer Grundstücksbezogenheit in der Regel zu den Aufwendungen auf den Grund und Boden (BFH-Urteil vom 24. November 1967 VI R 302/66, BFHE 91, 42, BStBl II 1968, 178, seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung in dem Urteil vom 16. November 1982 VIII R 167/78, BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111). Auf derartige Anschlußbeiträge ist nach dem BFH-Urteil vom 8. August 1969 VI R 152/67 (BFHE 96, 517, BStBl II 1969, 703) die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 79 EStDV nicht gegeben. Eine andere Beurteilung ist nach dieser Entscheidung nur möglich, wenn sich ergibt, daß die Gemeinde oder der Zweckverband eigens für den Bau der Kläranlage selbst und nicht auch für den Bau der Zuleitungskanäle und Anschlüsse einen besonderen Zuschuß von dem Beitragspflichtigen verlangt. An dieser Ansicht der bisherigen Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Aus dem Gesetzeswortlaut - ,,Wirtschaftsgüter, die unmittelbar und ausschließlich dazu dienen, Schädigungen durch Abwässer zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern" - ergibt sich entgegen der Auffassung des FG zweifelsfrei, daß mit den angeführten Wirtschaftsgütern allein die unter der Bezeichnung Kläranlage bekannten Abwässerreinigungsanlagen gemeint sind, nicht hingegen auch das zu der Kläranlage hinführende Kanalnetz mit seinen Pumpstationen. Daran ändert auch nichts, daß Gemeinden oder Zweckverbände die Kläranlage zusammen mit dem Kanalnetz als ein einheitliches Ganzes ansehen.

Aus dem Vorauszahlungsbescheid des Zweckverbandes ergibt sich nicht, daß vom Kläger ein besonderer Zuschuß i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. 1 EStG i.V.m. § 79 EStDV für die Herstellung einer neuen oder für die Erweiterung einer bestehenden Kläranlage verlangt worden ist. Das geht auch nicht aus den Bescheinigungen des Zweckverbandes und des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes hervor, die der Kläger dem FA und dem FG vorgelegt hat. Der Minister hat zwar unter Bezugnahme auf § 79 EStDV bescheinigt, daß die Vorauszahlungen des Klägers zur Herstellung von Wirtschaftsgütern verlangt werden, die unmittelbar und ausschließlich dazu dienen, Schädigungen durch Abwässer zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern. In der Bescheinigung des Ministers ist aber als besondere Anlage im Sinne der genannten steuerrechtlichen Vorschriften lediglich der Anschluß des Grundstücks des Klägers an den Entwässerungskanal genannt, was sich daraus ergibt, daß als Wirtschaftsgut die ,,Entwässerungsanlage, Wert . . . DM" sowie als Verwendungszweck ,,Abwässerbeseitigung Campingplatz" genannt sind. In der Bescheinigung des Ministers wird außerdem in einem Nachtrag darauf hingewiesen, daß die weiteren zu prüfenden Voraussetzungen möglicherweise nicht vorliegen, weil der geleistete Zuschuß einen anrechenbaren Vorschuß auf die satzungsmäßig erhobenen Anschlußbeiträge darstellt. Die Bescheinigung des Zweckverbandes begnügt sich in Beziehung auf den vom Kläger zu leistenden Vorauszahlungsbeitrag lediglich mit der Wiedergabe der Bestimmungen in § 79 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStDV. Diese Bescheinigungen, die erkennen lassen oder - wie die Bescheinigung des Ministers - sogar ausdrücklich zu erkennen geben, daß die steuerrechtliche Beurteilung nicht geklärt ist, sind daher nicht bindend (vgl. BFHE 96, 517, BStBl II 1969, 703).

Hieraus ergibt sich, daß das FG rechtsfehlerhaft in der Vorauszahlung auf den Anschlußbeitrag einen Zuschuß i. S. des § 79 Abs. 4 EStDV gesehen hat. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Vorauszahlungen auf den Anschlußbeitrag sind Aufwendungen auf den Grund und Boden, die zu dessen Werterhöhung geführt haben. Sie sind daher nicht abzugsfähig. Aus dem Bescheid des Zweckverbandes ergibt sich nicht, daß der Vorauszahlungsbetrag für eine über die gewöhnliche und übliche Benutzung der Abwässeranlage hinausgehende Nutzung ganz oder zum Teil gezahlt werden sollte. Nur in diesem Fall lägen - dann aber in vollen Umfang - sofort abzugsfähige Betriebsausgaben vor (BFH-Urteil vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl I 1983, 38). Nach dem Bescheid des Zweckverbandes sind jedoch Vorauszahlungen auf den Beitrag nach den Sätzen für Grundstücke, die durch Bebauung oder durch ein darauf betriebenes Gewerbe genutzt werden, berechnet und - wie das FG festgestellt hat - wegen des saisonalen Charakters des Campingbetriebs sogar ermäßigt worden.

Die Vorauszahlungen auf den Anschlußbeitrag sind nicht etwa - und zwar losgelöst von jeder grundstücksmäßigen Bezogenheit - im Hinblick auf die gewerbliche Betätigung des Klägers (Betrieb eines Campingplatzes) gefordert worden. Nach § 8 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 1970, 44) können zwar von Gemeinden und Gemeindeverbänden Beiträge für die Herstellung gewerbebezogener Einrichtungen erhoben werden. Aus dem Vorauszahlungsbescheid des Zweckverbandes geht aber eindeutig hervor, daß der Beitrag für den Anschluß des katastermäßig bezeichneten Grundstücks des Klägers gefordert wird. Aus der Entwässerungssatzung des Zweckverbandes und aus dessen Gebührensatzung ergibt sich ferner, daß Anschlußberechtigte, Anschlußverpflichtete und demgemäß Beitragsverpflichtete der jeweilige Grundstückseigentümer ist. Die zu erstellende Abwässeranlage des Zweckverbandes, für die Vorauszahlungen auf den Anschlußbeitrag gefordert wurden, stellt sich somit als eine typisch grundstücksbezogene und nicht als eine allein gewerbebezogene Einrichtung dar (vgl. hierzu Thiem, Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein, § 8, Erläuterungen 36, 37).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413989

BFH/NV 1986, 205

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