Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Es stellt in der Regel keinen Fehlgebrauch des Ermessens dar, wenn das Finanzamt nach § 205 a Abs. 2 AO verlangt, daß die Empfänger von Schmiergeldern benannt werden. Lehnt der Steuerpflichtige die Benennung ab, so sind die Schmiergelder auch dann nicht abzugsfähig, wenn ihre Zahlung wahrscheinlich ist.

 

Normenkette

AO § 205a Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) betreibt einen Wirtschaftsverlag und eine Auskunftei. Die Veranlagungen für II/1948 bis 1951 wurden nach Abschluß einer Betriebsprüfung auf Grund des § 222 Abs. I Ziff. I der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigt. Bei diesen Berichtigungen erkannte das Finanzamt Zahlungen an Vertrauenspersonen für die Gewährung von Auskünften nicht als Betriebsausgaben an, weil weder die Tatsache der Verausgabung nachgewiesen noch die Empfänger der Zahlungen bekannt worden seien.

Im Einspruchsverfahren trug die Bgin. vor, daß sie bei der Eigenart ihres Unternehmens auf vertrauliche Auskünfte dritter Personen angewiesen sei und daß sie diese Auskünfte nur durch die Zahlung von sogenannten Schmiergeldern, d. h. von Aufwendungen erhalten könne, deren Hingabe und Annahme nach den Anschauungen der beteiligten Wirtschaftskreise als pflichtwidrig und unsittlich empfunden würden. Die Namen der Empfänger, die in den meisten Fällen Angestellte seien, könne sie nicht preisgeben, weil diese die Auskünfte nur im Vertrauen auf die unbedingte Verschwiegenheit gegeben hätten. Die Benennung der Empfänger würde zur Folge haben, daß alle Auskunftsquellen versiegten und ihr Betrieb zusammenbreche. Berücksichtige man weiter, daß sie nur durch die vertraulichen Auskünfte in die Lage versetzt werde, dem berechtigten Interesse der Wirtschaft und der Behörden auf eine erschöpfende und rechtzeitige Auskunftserteilung gerecht zu werden und daß die Tatsache der Verausgabung und die Höhe der geltend gemachten Spesen im Verhältnis zu dem Umfang des Betriebs gering und deshalb durchaus glaubhaft seien. So stelle das Verlangen des Finanzamts, die Empfänger der Spesen zu benennen, einen Ermessensmißbrauch dar.

Der Einspruch der Bgin. blieb erfolglos. Das Finanzamt sah einmal den der Bgin. obliegenden Nachweis der Verausgabung durch die bloße Erklärung des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht als erbracht an und versagte außerdem den Abzug, weil die Bgin. die verlangte Angabe der Empfänger verweigerte (§ 205 a Abs. 3 AO). Ein Ermessensmißbrauch liege nicht vor, weil die Finanzverwaltung ein berechtigtes Interesse daran habe, die Spesen bei den Empfängern steuerlich zu erfassen.

In der Berufung wiederholte die Bgin. ihr bisheriges Vorbringen und wies außerdem darauf hin, daß die von ihr geltend gemachten Aufwendungen nach den gesamten Umständen des Falles als erwiesen angesehen werden müßten und daß ein berechtigtes Interesse der Verwaltung an der Kenntnis der Empfänger deshalb nicht bestehe, weil die meisten Empfänger Angestellte seien, die an sie gezahlten Jahresbeträge unter 600 DM lägen und deshalb bei ihnen ohnehin steuerlich nicht erfaßt werden könnten.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und führte aus, es sei zu prüfen, ob das Finanzamt die Grenzen des bei der Anwendung des § 205 a und des § 171 Abs. I AO gebotenen Ermessens überschritten habe. Das gelte sowohl für den Nachweis der einzelnen Zahlungen als auch für die Angabe der Zahlungsempfänger. Eine Ermessensüberschreitung liege vor, wenn die Forderung des Finanzamts den Rahmen des für die Bgin. Zumutbaren überschreite. Es sei zwar richtig, daß § 205 a AO der allgemeine Gedanke zugrunde liege, daß jemand, der einen steuermindernden Umstand geltend mache, gehalten sei, denjenigen zu benennen, bei dem sich dieser Umstand steuererhöhend auswirkte, um auf diese Weise die Besteuerung des Empfängers sicherzustellen. Doch dürfe die Ablehnung des Abzugs der Spesen nicht allein darauf gestützt werden, daß die Bgin. aus bestimmten Gründen die Namen der Empfänger nicht benennen wolle. Denn wenn nach Art und Umfang des Betriebs und nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Vermutung dafür spreche, daß derartige Aufwendungen tatsächlich gemacht worden seien, so könne ihre Anerkennung nicht versagt werden. Bei der Art des Betriebs der Bgin. sei unbedenklich zu unterstellen, daß sie solche Vertrauensspesen gezahlt habe, daß die Auskunftspersonen nicht benannt werden wollten und daß die Bgin., wenn sie diesen Wünschen der Auskunftspersonen nicht entspreche, die für ihren Betrieb notwendigen Unterlagen nicht mehr erhalte. Bei dieser Sachlage müsse das Finanzgericht die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nach einem Hundertsatz des Umsatzes schätzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Wenn ein Steuerpflichtiger beantragt, daß bei der Gewinnermittlung Betriebsausgaben abgesetzt werden, so kann das Finanzamt verlangen, daß der Steuerpflichtige die Empfänger genau bezeichnet. Lehnt der Steuerpflichtige das ab, so werden die Betriebsausgaben nicht abgesetzt (§ 205 a Abs. 2 und 3 AO). Diese Vorschrift bezweckt, dem Finanzamt die Möglichkeit der Prüfung zu geben, ob und inwieweit die von einem Steuerpflichtigen abgesetzten Beträge bei einem anderen Steuerpflichtigen zu den steuerpflichtigen Einkünften gehören. Die Vorschrift soll aber auch dazu dienen, allgemein einem verwerflichen Geschäftsgebaren in der Wirtschaft entgegenzutreten (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 81/50 S vom 23. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 204, Bundessteuerblatt - BStBl- 1951 III S. 77). Nach feststehender Rechtsprechung (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 81/50 S; IV 120/52 U vom 18. September 1952, Slg. Bd. 56 S. 716, BStBl 1952 III S. 275, und I 242/54 U vom 17. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 68) darf das Finanzamt von der ihm in § 205 a AO gegebenen Befugnis nur dann Gebrauch machen, wenn dem Steuerpflichtigen die Angabe der Empfänger zugemutet werden kann. Die demnach erforderliche Ermessensentscheidung ist nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu treffen und muß dem Zweck des § 205 a AO gerecht werden.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ist zunächst zu prüfen, ob die Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Empfänger der Vertrauensspesen ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und somit die Nichtbenennung der Namen der Auskunftspersonen mit dem schwerwiegenden öffentlichen Interesse der richtigen Erfassung aller Einkünfte nicht vereinbar ist. Das Finanzgericht hat zu dieser wichtigen Frage nicht abschließend Stellung genommen. Es weist aber zutreffend darauf hin, daß auch dann, wenn keine der Auskunftspersonen mehr als 600 DM im Jahr erhalten haben sollte, nicht feststehe und auch nicht glaubhaft gemacht sei, daß die Empfänger nicht aus anderen Gründen zur Einkommensteuer zu veranlagen und dann auch unter 600 DM jährlich liegende Zahlungen bei ihren Veranlagungen zu erfassen seien. Aus dieser Feststellung ergibt sich, daß sich das Finanzamt für sein Auskunftsverlangen sehr wohl auf das öffentliche Interesse an der zutreffenden Veranlagung der Empfänger berufen kann, dem zu dienen § 205 a AO geschaffen worden ist.

Aber auch der weitere gesetzgeberische Grund für diese Vorschrift, nämlich unlauterem Gebaren in der Wirtschaft entgegenzutreten, spricht dafür, in dem Verlangen des Finanzamts keine Ermessensverletzung zu sehen. Die Bgin. bezeichnet selbst in ihrer Einspruchsbegründung die von ihr gezahlten Vertrauensspesen als Schmiergelder, d. h. als eine Zahlung, deren Hingabe und Annahme nach den Anschauungen der beteiligten Wirtschaftskreise ein unkorrektes Verhalten darstelle. Da die Vertrauensspesen in der Regel an Angestellte solcher Unternehmen gezahlt werden, über deren wirtschaftliche Verhältnisse die Auskunft gegeben werden soll, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß den Empfängern die Auskünfte in sehr vielen Fällen nur durch einen Vertrauensbruch gegenüber ihren Dienstherren möglich ist. Das in der Erteilung und in der Bezahlung solcher Auskünfte liegende unkorrekte Verhalten der Auskunftspersonen und der Bgin. kann nicht mit dem Interesse der Unternehmen für die die Bgin. tätig wird, gerechtfertigt werden. Denn wenn wirtschaftliche Interessen der Kunden der Bgin. nur durch Vertrauensbrüche von Angestellten, die von den beteiligten Wirtschaftskreisen allgemein mißbilligt werden, wahrgenommen werden kann, so dient die auf solchen Auskünften beruhende Tätigkeit der Bgin. nicht einem berechtigten Interesse der Wirtschaft, das den Schutz der Rechtsordnung und der Rechtsprechung genießen könnte.

Steht somit fest, daß das Finanzamt mit dem Verlangen, die Empfänger der Vertrauensspesen zu benennen, dem doppelten Zweck der Vorschrift des § 205 a AO, nämlich eine richtige Besteuerung der Empfänger sicherzustellen und die Anwendung unlauterer Mittel im Wirtschaftsleben zu bekämpfen, gedient hat, so müßte die Bgin. sehr erhebliche in ihrer Person liegende Gründe geltend machen können, aus denen sich trotzdem ein Ermessensmißbrauch des Finanzamts ergeben sollte. Solche Gründe sind nicht ersichtlich. Selbst wenn man unterstellt, daß das Unternehmen der Bgin. durch die Benennung der Auskunftspersonen eine ins Gewicht fallende Schädigung erleiden würde, so kann diese Tatsache bei Zahlung von Schmiergeldern in der Regel die Annahme eines Ermessensmißbrauchs nicht rechtfertigen. Bei der Zahlung von Schmiergeldern stellt die Anwendung des § 205 a Abs. 2 AO nur in seltenen Ausnahmefällen eine überschreitung des pflichtgemäßen Ermessens dar. Wenn die Bgin. glaubt, die ihr bekannten Namen der Vertrauenspersonen nicht nennen zu könne, so darf die dem öffentlichen Interesse einer gleichmäßigen und gerechten Besteuerung zuwiderlaufende Folge, daß die Vertrauenspersonen steuerlich nicht erfaßt werden können, nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Das bedeutet, daß es in diesem Fall gerecht und billig ist, daß die Schmiergelder nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Der Auffassung des Finanzgerichts, daß selbst dann, wenn das Finanzamt berechtigterweise die Nennung der Vertrauenspersonen verlange, der Abzug der Vertrauensspesen nicht allgemein mit der Begründung abgelehnt werden dürfe, daß die Bgin. diesem Verlangen nicht entspreche, kann sich der Senat nicht anschließen. Die unberechtigte Weigerung der Bgin. führt nach § 205 a Abs. 3 AO zur Versagung des Abzugs auch insoweit, als die Verausgabung nach den Umständen des Falles als nachgewiesen angesehen wird. Das Finanzgericht, das bei Anwendung des § 205 a AO sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Finanzamts gesetzt hat und setzen durfte, hat die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Grundsätze verkannt. Die angefochtene Entscheidung mußte deshalb aufgehoben werden. Die Einspruchsentscheidung des Finanzamts war wiederherzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408482

BStBl III 1956, 206

BFHE 1957, 29

BFHE 63, 29

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