Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Ausnahme von der Verbleibfrist aus Rentabilitätsgründen

 

Leitsatz (NV)

Betriebswirtschaftliche Gründe, die es dem Betriebsinhaber zwingend oder jedenfalls ratsam erscheinen lassen, sich vorzeitig von einem Wirtschaftsgut zu trennen, rechtfertigen keine Ausnahme von dem gesetzlichen Erfordernis der dreijährigen Verbleibdauer.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) befaßt sich mit der Gewinnung und dem Vertrieb von Kies. In den Jahren 1974 bis 1976 erweiterte sie ihre Betriebstätte in A (Zonenrandgebiet). Das Investitionsvorhaben wurde vom Bundesminister für gewerbliche Wirtschaft als volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig anerkannt.

Im Streitjahr 1975 erwarb die Klägerin u.a. zwei LKW für 125 857,50 DM und 92 084 DM. Dafür erhielt sie vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 8. Dezember 1976 zunächst eine Investitionszulage nach § 1 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 in Höhe von 16 345,61 DM.

Später stellte das FA fest, daß die Klägerin die beiden LKW bereits im Jahre 1977 wieder verkauft hatte. Das FA änderte deshalb seinen ursprünglichen Bescheid und forderte die Zulage wieder zurück. Außerdem setzte es Zinsen in Höhe von 3 504,50 DM fest. Es vertrat die Auffassung, daß die LKW durch den vorzeitigen Verkauf nicht drei Jahre lang in der Betriebstätte der Klägerin verblieben seien.

Gegen den Rückforderungsbescheid machte die Klägerin geltend: Aufgrund ihres ungünstigen Standorts im Zonenrandgebiet wiesen die in ihrem Betrieb eingesetzten LKW eine überdurchschnittliche Fahrleistung von jährlich 100 000 km auf. In den Betrieben der Konkurrenz betrage die Fahrleistung pro Jahr nur ungefähr 50 000 km. Aufgrund dieser hohen Fahrleistung seien ihre Fahrzeuge vorzeitig reparaturbedürftig. Sie sei deshalb dazu übergegangen, die Fahrzeuge alle zwei Jahre durch neue zu ersetzen. Da sie für die im Wege der Ersatzbeschaffung erworbenen Fahrzeuge eine Investitionszulage nicht beanspruche, müßten bei der Berechnung des Dreijahreszeitraums die Erstanschaffung und die Ersatzbeschaffung zusammengerechnet werden. Lege man dagegen den Rechtsstandpunkt des FA zugrunde, so würde sie, weil sie in kürzeren Abständen investiere, für die Anschaffung von LKW eine Investitionszulage überhaupt nicht bekommen. Sie wäre dann gegenüber ihren Konkurrenten benachteiligt.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA stützte sich u.a. darauf, daß die Klägerin bei der Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) selbst von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von vier Jahren ausgegangen sei. Daß diese Annahme richtig sei, werde dadurch bestätigt, daß die Klägerin beim Verkauf der LKW noch Erlöse von 55 000 DM und 40 000 DM erzielt habe. Eine Absetzung wegen außergewöhnlicher technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung habe die Klägerin nicht geltend gemacht.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß die LKW bei ihrem Verkauf noch funktionsfähig waren. Die Klägerin habe sie nur vorzeitig verkauft, weil sie ihren längeren Einsatz im Betrieb nicht für wirtschaftlich sinnvoll hielt. Es sei ihr rentabler erschienen, die Fahrzeuge bereits nach zwei Jahren durch neue zu ersetzen. Gründe der Rentabilität könnten aber nicht zu einer Verkürzung des gesetzlich vorgeschriebenen Dreijahreszeitraums führen. Die Rechtsprechung lasse zwar eine Reihe von Ausnahmen zu. Eine solche liege hier aber nicht vor. Es sei überhaupt zweifelhaft, ob angesichts des klaren Gesetzeswortlauts Ausnahmen zulässig seien. Die Vorschrift bezwecke eine nachhaltige Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Das verlange nach der Vorstellung des Gesetzgebers ein dreijähriges Verbleiben der neu angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter in der Betriebstätte des Investors.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG verkenne die besonderen Verhältnisse in ihrem Betrieb und berücksichtige außerdem bei der Auslegung der Verbleibvorschrift zu wenig den Zweck der gesetzlichen Regelung. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer betrage in ihrem Betrieb tatsächlich nur zwei Jahre; ein Einsatz der Fahrzeuge nach diesem Zeitraum sei wirtschaftlich nicht sinnvoll. Mit der dreijährigen Verbleibfrist sollten Mißbräuche vermieden werden. Ein solcher liege bei ihr nicht vor. Es sei im übrigen anerkannt, daß das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts unschädlich sei, wenn die Nutzungsdauer abgelaufen oder ein Wirtschaftsgut wirtschaftlich verbraucht sei (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238, und vom 15. Oktober 1976 III R 139/74, BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59). Das gleiche gelte, wenn ein Wirtschaftsgut aus betrieblichen Gründen zurückgegeben und durch ein solches gleicher oder ähnlicher Art eingetauscht werde (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1968 VI R 29/67, BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Änderungsbescheid vom 2. Juli 1980 (einschließlich Zinsbescheid) und die Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 1982 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

1. Dem Investor steht die sog. Regionalzulage für neu angeschaffte bewegliche Wirtschaftsgüter nur zu, wenn diese drei Jahre lang in seiner Betriebstätte verbleiben (vgl. § 1 Abs. 3, § 5 Abs. 5 InvZulG 1975). Außerdem müssen die Wirtschaftsgüter drei Jahre lang zum Anlagevermögen des investierenden Betriebs gehören. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn Wirtschaftsgüter vorzeitig aus der Betriebstätte und dem Anlagevermögen ausscheiden. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung insbesondere, wenn Wirtschaftsgüter vor Ablauf der Bindungsfrist an einen Dritten vermietet oder veräußert werden (vgl. BFH-Urteile vom 2. Mai 1980 III R 12/79, BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758, und vom 25. Oktober 1985 III R 79/82, BFHE 145, 479, BStBl II 1986, 150). Weshalb ein Wirtschaftsgut vorzeitig aus der Betriebstätte ausscheidet, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Investor die Gründe für das vorzeitige Ausscheiden zu vertreten hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Oktober 1977 III R 111/75, BFHE 124, 122, BStBl II 1978, 204, sowie in BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758).

2. Auch betriebswirtschaftliche Gründe, die es dem Betriebsinhaber im Einzelfall zwingend oder jedenfalls ratsam erscheinen lassen, sich bereits vorzeitig von einem Wirtschaftsgut zu trennen, rechtfertigen keine Ausnahme von dem gesetzlichen Erfordernis der dreijährigen Verbleibdauer. Dem steht nicht entgegen, wenn gelegentlich in der dreijährigen Bindungsfrist eine Regelung zur Verhütung von Mißbräuchen gesehen wird (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1983 III R 52/80, BFHE 138, 503, BStBl II 1983, 581; vgl. aber auch BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 III R 135/83, BFH/NV 1987, 740). Solche Hinweise dürfen jedenfalls nicht in dem Sinne verstanden werden, daß damit jeder betriebswirtschaftlich anerkennenswerte Grund ausreiche, um von der Verbleibregelung eine Ausnahme zuzulassen. Die Einhaltung der Dreijahresfrist hat der Gesetzgeber als die maßgebliche Grundlage für die Erreichung des von ihm bezweckten Erfolges angesehen (vgl. Urteil in BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758). Dabei ist er von der Dreijahresfrist als von einer typisierten Regelung ausgegangen, die nur Ausnahmen in seltenen Fällen zuläßt. Auch eine Härteregelung, wie sie beispielsweise das Einkommensteuerrecht in Abschn. 35 der Einkommensteuer-Richtlinien kennt, ist dem Investitionszulagenrecht fremd.

3. Von diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung ausgegangen. Die Klägerin hat sich von den beiden LKW vor Ablauf von drei Jahren getrennt, weil ihr die Anschaffung von neuen und der Verkauf der alten Fahrzeuge wirtschaftlich sinnvoller erschien als die alten Fahrzeuge zu behalten und einen erhöhten Reparaturaufwand in Kauf zu nehmen. Es handelt sich also ausschließlich um Gesichtspunkte der Rentabilität, von denen die Klägerin sich bei der Veräußerung der beiden LKW hat leiten lassen. Diese Gründe reichen für eine Ausnahme von der Verbleibregelung nicht aus.

4. Der Senat kann der Klägerin auch nicht darin folgen, unter Berücksichtigung ihrer besonderen Verhältnisse müßten die Besitzzeiten jeweils eines alten und eines neuen Fahrzeugs zusammengerechnet werden. Dem steht entgegen, daß das Gesetz auf das einzelne Wirtschaftsgut abstellt. Eine dem § 6b des Einkommensteuergesetzes ähnliche Vorschrift fehlt im Investitionszulagerecht. Es kann schließlich auch nicht berücksichtigt werden, daß die Klägerin im konkreten Fall durch ihre Investitionen tatsächlich die regionale Wirtschaftsstruktur gefördert und Arbeitsplätze geschaffen hat. Denn es muß allein dem Gesetzgeber überlassen bleiben, zu entscheiden, auf welchem Weg und unter welchen Voraussetzungen er dieses Ziel erreicht wissen will; diese Entscheidung kann nicht dem einzelnen Unternehmer überlassen bleiben.

15. Auf frühere Rechtsprechung kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Betriebstätte wird unter bestimmten Voraussetzungen zwar als unschädlich angesehen, so wenn ein Wirtschaftsgut technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht ist oder etwa ein PKW einen Totalschaden erleidet (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung in dem Urteil in BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758; Hinweis auch auf Tz. 49 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier aber nicht vor. Insbesondere waren nach den Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), die beiden Fahrzeuge im Zeitpunkt ihres Verkaufs nicht wirtschaftlich verbraucht (schrottreif). Das ergibt sich im übrigen auch aus den beim Verkauf noch erzielten nicht unerheblichen Erlösen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415770

BFH/NV 1988, 741

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