Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung des Kraftdroschkenverkehrs

 

Leitsatz (NV)

Die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Personenbeförderungsumsätze im Mietwagenverkehr und im Kraftdroschkenverkehr verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 10

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt Mietwagen zur Personen- und Sachbeförderung. Für den Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum Oktober 1987 erklärte sie Umsätze aus Mietwagenbeförderung, auf die sie den ermäßigten Steuersatz anwandte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte dagegen die Umsatzsteuer mit dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 fest. Über den Einspruch hat das FA noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte es ab. Die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion (OFD) blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids in Höhe von 6738 DM bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über den Vorlagebeschluß des FG BadenWürttemberg - Außensenate Stuttgart - vom 5. Dezember 1986 IX K 74/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 435) aus.

Nach Auffassung des FG bestanden ernste verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG. Das FG bezog sich hierbei auf den Vorlagebeschluß des FG Baden-Württemberg (vgl. oben), auf den Beschluß des BVerfG vom 8. November 1983 1 BvL 89/81 (BVerfGE 65, 237, 247) und die Entscheidungen einiger Finanzgerichte.

Mit der - vom FG zugelassenen - Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es trägt hierbei im wesentlichen vor, ernstliche Zweifel i. S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien nicht gegeben, weil der Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 30. Oktober 1969 V R 99/69, BFHE 97, 267, BStBl II 1970, 78) bereits entschieden habe, daß in der unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Kraftdroschken- und Mietwagenverkehr kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gesehen werden könne.

Die Klägerin tritt der Revision unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Rechtsstandpunktes entgegen. Sie macht im wesentlichen geltend, daß die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Mietwagenverkehrs und des Taxiverkehrs gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Bei Mietwagenumsätzen und Taxiumsätzen handele es sich um wirtschaftlich gesehen gleiche Sachverhalte, so daß die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung zu einer unberechtigten wirtschaftlichen Bevorzugung der Taxis und zu einer Benachteiligung der Mietwagen führe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) - dazu gehören auch ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit eines Gesetzes selbst, auf dem die Steuerfestsetzung beruht (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782, unter 3.) - sind entgegen der Auffassung des FG zu verneinen.

Der Senat verweist auf seine Rechtsprechung, nach der die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Personenbeförderungsumsätze im Mietwagenverkehr und im Kraftdroschkenverkehr nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil in BFHE 97, 267, BStBl II 1970, 78; BFH-Beschlüsse vom 21. September 1988 V B 137/87, BFH/NV 1989, 271; vom 27. Oktober 1988 V B 104/88, BFH/NV 1990, 199; vom 27. Oktober 1988 V B 18/88, BFH/NV 1990, 236). Mietwagen sind - anders als Kraftdroschken und die in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG begünstigten Verkehrsmittel - keine öffentlichen Verkehrsmittel und unterliegen deshalb weder der Beförderungspflicht noch der strengen Bindung ihrer Beförderungspreise. Sie erbringen Leistungen des normalen wirtschaftlichen Verkehrs. Im Hinblick auf die unterschiedliche beförderungsrechtliche Behandlung und die sich hieraus ergebende unterschiedliche Struktur der beiden Verkehrsarten liegt in der unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Behandlung keine willkürliche Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (BFH/NV 1990, 199). Diese Beurteilung stützt sich auf die Rechtsprechung des BVerfG, nach der der Mietwagenverkehr und der Kraftdroschkenverkehr ohne Verfassungsverstoß unterschiedlich behandelt werden können (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Juni 1960 1 BvL 53/55 u. a., BVerfGE 11, 168, und in BVerfGE 65, 237). Inzwischen hat das BVerfG auch auf den Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des FG Baden-Württemberg vom 5. Dezember 1986 (IX K 74/86) hin entschieden, daß es mit dem GG vereinbar ist, Mietwagenumsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Der Senat nimmt auf den Beschluß des BVerfG vom 11. Februar 1992 - 1 BvL 29/87 - Bezug.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418330

BFH/NV 1992, 775

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge