Leitsatz (amtlich)

Für den Linienverkehr genehmigte Kombinationskraftwagen (§ 23 Abs.1 letzter Satz, § 72 Abs.2 StVZO) sind PKW im Sinne von § 3 Nr.6 KraftStG 1979.

 

Normenkette

KraftStG 1979 § 3 Nr. 6; StVZO § 23 Abs. 1 S. 5, § 72 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Für zwei für die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zugelassene Kraftfahrzeuge, einen Mercedes-Kleinbus (zulässiges Gesamtgewicht 2,8 t) und einen VW-"Bulli" (zulässiges Gesamtgewicht 2,3 t), beide in der Anmeldung zur Kraftfahrzeugsteuer als "Kombi"(-Fahrzeuge), mit jeweils 9 Sitzplätzen ausgestattet, bezeichnet, hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Kraftfahrzeugsteuer nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) 1979 bei jährlicher Entrichtung bestandskräftig festgesetzt. Den Antrag der Klägerin, ihr Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr.6 KraftStG 1979 zu gewähren, weil beide Fahrzeuge überwiegend zur Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte eingesetzt würden, lehnte das FA ab. Für Kombinationskraftfahrzeuge --so das FA-- könne Kraftfahrzeugsteuerbefreiung erst gewährt werden, wenn die Fahrzeuge im Innenraum so ausgebaut würden, daß sie nicht mehr gleichzeitig oder wahlweise für die Güterbeförderung geeignet und bestimmt seien.

Die nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin beantragte, Kraftfahrzeugsteuerbefreiung zu gewähren, wies das Finanzgericht (FG) aus folgenden Gründen ab: Der Begriff "Personenkraftwagen" in § 3 Nr.6 KraftStG 1979 sei in einem engeren Sinne zu verstehen als der gleichlautend in § 23 Abs.1 letzter Satz der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO) verwendete Begriff, weil die Befreiungsvorschrift nur die Personenbeförderung begünstigen wolle, und dies auch nur, wenn die Fahrzeuge zu mehr als 50 vom Hundert im Linienverkehr eingesetzt würden. Dies ergebe sich daraus, daß die Befreiung PKW neben "Kraftomnibussen" anführe, die nur zur Personenbeförderung bestimmt seien, entspreche der Rechtslage nach dem KraftStG 1972 und vermeide das vom Gesetz nicht gewollte Ergebnis, daß ein steuerfrei gehaltenes Kraftfahrzeug zu 51 vom Hundert Personen im Linienverkehr und zu 49 vom Hundert Güter befördere.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Verwaltung sehe, wie sich aus dem (Länder-)Erlaß zum KraftStG 1979 ergebe, Kombinationskraftfahrzeuge als PKW i.S. von § 8 KraftStG 1979 an. Dasselbe müsse für die Auslegung des § 3 Nr.6 KraftStG 1979 gelten. Die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung dürfe daher nicht von einer Umrüstung des Kraftfahrzeugs abhängig gemacht werden.

Das FA meint, die Befreiungsvorschrift gelte nur für das Halten von Kraftfahrzeugen, die ausschließlich zur Personenbeförderung geeignet seien, nicht für Kombinationskraftfahrzeuge, die gleichermaßen für den Personen- und Güterverkehr geeignet seien. Eine gegenteilige Auslegung sei nicht zuletzt aus Wettbewerbsgründen fragwürdig.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das FG hat den angefochtenen Bescheid, mit dem eine von der Klägerin begehrte Steuerneufestsetzung (hier: Steuerbefreiung; vgl. § 7 Abs.1 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung --KraftStDV-- 1979) abgelehnt worden ist, in unzutreffender Auslegung von § 3 Nr.6 KraftStG 1979 für rechtmäßig erachtet und die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin darf die begehrte Steuerbefreiung für "Personenkraftwagen mit acht oder neun Sitzplätzen einschließlich Führersitz ... wenn das Fahrzeug während des Zeitraums, für den die Steuer zu entrichten wäre, zu mehr als 50 vom Hundert der insgesamt gefahrenen Strecke im Linienverkehr verwendet wird" (§ 3 Nr.6 KraftStG 1979), nicht mit der Begründung versagt werden, die beiden Kraftfahrzeuge der Klägerin seien keine PKW i.S. dieser Vorschrift. Denn es handelt sich bei den beiden Kraftfahrzeugen um PKW i.S. von § 3 Nr.6 KraftStG 1979.

Der Begriff "Personenkraftwagen" ist im KraftStG 1979 nicht mehr bestimmt. Die früher in § 10 Abs.2 KraftStG 1972 getroffene Bestimmung dieses Begriffs, nach der ein nicht nur zur Personenbeförderung eingerichtetes und bestimmtes Kraftfahrzeug nicht als PKW anzusehen war --außer wenn die für die Güterbeförderung verwendbare Nutzfläche nur höchstens zweieinhalb Quadratmeter betrug--, ist mit dem 1.Juni 1979 entfallen (vgl.Art.1 Nr.6, Art.6 des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 22.Dezember 1978, BGBl I 1978, 2063, BStBl I 1979, 65). Die Bundesregierung hat von ihrer Ermächtigung, die im KraftStG 1979 verwendeten Begriffe näher zu bestimmen (§ 15 Abs.1 Nr.1 KraftStG 1979), keinen Gebrauch gemacht. Nunmehr richtet sich der Begriff "Personenkraftwagen" --da insoweit nichts anderes bestimmt ist-- nach den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs.2 KraftStG 1979).

Den verkehrsrechtlichen Vorschriften ist zu entnehmen, daß PKW Kraftfahrzeuge sind, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind. Das ergibt ein Umkehrschluß aus § 15d Abs.1 Nr.1 StVZO in der im BGBl III, Gliederungsnummer 9232-1 veröffentlichten bereinigten Fassung (in diesem Sinne auch die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 22.Dezember 1978, BTDrucks 8/1679, S.19; ebenso Einführungs-Ländererlaß zum Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Neufassung vom 1.Februar 1979, BStBl I 1979, 463, 467) und entspricht der in § 4 Abs.4 Nr.1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in der im BGBl III, Gliederungsnummer 9240-1 veröffentlichten bereinigten Fassung nahezu wortgleich gegebenen Begriffsbestimmung. Zusätzlich sieht § 23 Abs.1 letzter Satz StVZO vor, daß im Antrag auf Zuteilung des amtlichen Kennzeichens für ein Kraftfahrzeug bei der Angabe zur Art des Fahrzeugs auch solche Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als acht Plätzen (außer dem Führersitz) als PKW "zu bezeichnen" sind, deren zulässiges Gesamtgewicht 2,8 t nicht überschreitet und die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, "wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen". Ebenso ist in der Übergangsvorschrift zu § 23 Abs.1 letzter Satz StVZO bestimmt, daß Kraftfahrzeuge, die unter der Bezeichnung "Kombinationskraftwagen" zugelassen worden sind, als PKW "gelten" (§ 72 Abs.2 StVZO).

Die durch die zuletzt bezeichneten Vorschriften erweiterte Begriffsbestimmung ist nicht nur für den in § 8 Nr.1 KraftStG 1979 (Bemessungsgrundlage) verwendeten Begriff "Personenkraftwagen" maßgebend (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.Juni 1983 II R 64/82, BFHE 138, 493, 497), sondern auch für den gleichlautenden Begriff in § 3 Nr.6 KraftStG 1979 (ebenso offenbar Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, Kommentar, 3. Aufl., 1981, S.87; anders Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, Kommentar, 1984, § 3 Erl.8).

Zutreffend ist allerdings die Auffassung des FG, daß § 3 Nr.6 KraftStG 1979 nur die Personenbeförderung --bei überwiegendem Linienverkehr-- begünstigen will. Dies ergibt sich aus Zweck und Entstehungsgeschichte des Befreiungstatbestandes. Er geht zurück auf § 2 Nr.5 a KraftStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 2.Januar 1961 (BGBl I 1961, 1, BStBl I 1961, 20). Diese Vorschrift war in das KraftStG 1961 durch Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 20.Dezember 1968 (BGBl I 1968, 1393, BStBl I 1969, 3) aufgenommen worden und befreite das Halten von "Kraftomnibussen, die überwiegend im Linienverkehr verwendet werden", von der Kraftfahrzeugsteuer. Der Änderung liegt eine Gesetzesvorlage zugrunde, die Steuerbefreiung für das Halten "ausschließlich" im Linienverkehr verwendeter Kraftomnibusse mit folgender Begründung vorgeschlagen hatte (vgl. BTDrucks V/1452, S.5):

"Der Personennahverkehr soll, soweit er durch Omnibusse (erfolgt), die

ausschließlich im Linienverkehr verwendet werden, begünstigt werden. Das

entspricht den Bedürfnissen des öffentlichen Personennahverkehrs und auch

den(en) der interessierten Verkehrsträger. ..."

Die spätere Fassung des Befreiungstatbestandes entsprach einem Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, der die Steuerbefreiung nicht davon abhängig machen wollte, daß die Omnibusse "ausschließlich" im Linienverkehr eingesetzt werden: "s.E. soll es genügen, wenn sie überwiegend im Linienverkehr verwendet werden" (vgl. BTDrucks V/3426); eine weitere --nicht überwiegende-- Verwendung im Gelegenheitsverkehr sollte mithin steuerlich unschädlich sein. Auch in der erweiterten Fassung galt die Vorschrift (§ 2 Nr.5 a KraftStG, später in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.Dezember 1972, BGBl I 1972, 2209, BStBl I 1972, 551; dazu § 13 Abs.4 Satz 2 KraftStDV 1961) jedoch nur für das Halten von Kraftomnibussen, d.h. von Kraftfahrzeugen, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung einer größeren Anzahl von Personen geeignet und bestimmt sind (nach § 10 Abs.2 Satz 1 KraftStG 1972: mehr als sieben Personen).

Auch durch die Ausdehnung der Steuerbefreiung auf das Halten von PKW mit acht oder neun Sitzplätzen einschließlich Führersitz (§ 2 Nr.5 KraftStG 1972 i.d.F. von Art.1 Nr.3 Buchst.b des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 22.Dezember 1978, BGBl I 1978, 2063, BStBl I 1979, 65) ist dieser Zweck nicht erweitert worden. Vielmehr war mit dieser Änderung lediglich beabsichtigt, die Steuerbefreiung im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 8/1679, S.17; Einführungs-Ländererlaß zum Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Neufassung vom 1.Februar 1979, BStBl I 1979, 463, 464). Dazu bedurfte es einer ausdrücklichen Regelung. Denn mit dem Wegfall der besonderen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Begriffsbestimmung "Personenkraftwagen" (§ 10 Abs.2 KraftStG 1972), die nicht die als Kraftomnibusse geltenden PKW mit acht oder neun Sitzplätzen umfaßte, und der Anpassung an die Begriffe des Verkehrsrechts (§ 2 Abs.2 KraftStG 1979) sollte keine Einschränkung der Steuerfreiheit verbunden sein; dies galt vor allem im Hinblick auf Fahrzeuge, die im Schüler- und Arbeiterlinienverkehr --Sonderformen des Linienverkehrs, § 43 PBefG-- eingesetzt werden (vgl. auch Egly/Mößlang, a.a.O., S.184).

Der gesetzliche Zweck --die Begünstigung bestimmter Personenbeförderungen-- schließt jedoch entgegen der Ansicht des FG das Halten sog. Kombinationskraftwagen von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr.6 KraftStG 1979 nicht aus. Das träfe nur zu, wenn es --wovon das FG ausgeht-- möglich wäre, diese Kraftwagen außer im Linienverkehr auch für Güterbeförderungen einzusetzen. Die verkehrsrechtlichen Vorschriften lassen eine solche Verwendung indessen nicht zu. Nach § 45 Abs.6 Satz 1 PBefG dürfen, wenn eine Genehmigung für den Linienverkehr mit PKW erteilt ist, diese Fahrzeuge nur für den Linienverkehr verwendet werden. Zwar sind von dem Verbot, sie anderweit einzusetzen, "in begründeten Fällen" Ausnahmen möglich (§ 45 Abs.6 Satz 2, § 9 Abs.3 PBefG), jedoch nur für die Verwendung im Gelegenheitsverkehr durch denselben Unternehmer, also auch nur für die Beförderung von Personen (vgl. § 46 Abs.1 PBefG). Damit ist sichergestellt, daß für den Linienverkehr genehmigte Kombinationskraftfahrzeuge wenn nicht ausschließlich im Linienverkehr (vgl. Egly/Mößlang, a.a.O.), so jedenfalls nur für Personenbeförderungen eingesetzt werden können, die vom FG befürchtete mißbräuchliche Ausnutzung der Steuerbefreiung durch Verwendung auch für Gütertransporte auch ohne die vom FA verlangte Umrüstung nicht eintreten kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60933

BStBl II 1985, 230

BFHE 142, 515

BFHE 1985, 515

BB 1985, 1056-1057 (LT)

DB 1985, 1675-1675 (S)

HFR 1985, 229-230 (LT)

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