Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt, darf Verluste aus einer Bürgschaft nur dann gewinnmindernd behandeln, wenn die Übernahme der Bürgschaft entweder ein notwendiger Betriebsvorgang war oder rechtzeitig durch Ausweis in den Büchern oder Aufzeichnungen zu einem Betriebsvorgang gemacht werden durfte und gemacht wurde.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, 3, § 5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) auf Rückgriffsansprüche aus der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft in den Veranlagungszeiträumen 1957 bis 1959 Abschreibungen vornehmen durfte.

Der Steuerpflichtige bezog als Architekt Einkünfte aus selbständiger Arbeit, deren Gewinn er bis einschließlich 1956 nach dem Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) und ab 1957 durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) ermittelte. Bis Oktober 1954 war der Steuerpflichtige mit einem Anteil von 10 v. H. an der X-GmbH beteiligt. Er erhoffte sich aus der Entwicklung rationellerer Deckenbauweise im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als freier Architekt Vorteile. Um der GmbH bei der Beschaffung von Betriebskrediten zu helfen, übernahm er in 1954 gegenüber der kreditgebenden Bank zwei Bürgschaften für die GmbH in Höhe von je 50 000 DM. Im September 1957 nahm die Bank den Steuerpflichtigen in Anspruch. Die GmbH war inzwischen in Schwierigkeiten geraten; 1958 wurde sie liquidiert. Der Steuerpflichtige zahlte 1957 an die Bank 4 500 DM. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1957 erwähnte er die Bürgschaftsverpflichtungen nicht. In seiner Schlußbilanz zum 31, Dezember 1957 aktivierte er einen Rückgriffsanspruch von 4 500 DM an die GmbH und schrieb ihn zugleich zur Hälfte als zweifelhaft ab. Die Verhandlungen des Steuerpflichtigen mit der Bank zogen sich über zwei Jahre hin und endeten damit, daß sich die Bank mit einer Zahlung von 20 000 DM zufrieden gab. Wegen in den Jahren 1958 und 1959 gezahlter 9 400 DM und 6 235,58 DM aktivierte der Steuerpflichtige wiederum in seinen Schlußbilanzen entsprechende Rückgriffsforderungen an die GmbH, die er wie in den Vorjahren zur Hälfte als zweifelhaft abschrieb.

Nach erfolgloser Einspruchsentscheidung hatte die Berufung des Steuerpflichtigen in vollem Umfang Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA-Vorstehers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

In der Sache selbst folgt der Senat nicht der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung, daß der Steuerpflichtige die Rückgriffsforderungen abschreiben und damit die Bürgschaftsverluste gewinnmindernd behandeln durfte. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Bürgschaftsübernahme um einen zum Privatvermögen gehörenden Vorgang handelte. Denn dann wären die Bürgschaftsverluste ohnehin nicht abzugsfähig. Die Bürgschaftsübernahmen gehörten jedenfalls nicht zum notwendigen Betriebsvermögen. Der Steuerpflichtige durfte die aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft herrührenden Rückgriffsforderungen nur dann ins Betriebsvermögen übernehmen und aktivieren, wenn er bereits vor dem Drohen eines Verlustes die Behandlung der Bürgschaftsübernahmen als gewillkürtes Betriebsvermögen in irgendeiner Weise in seinen Büchern oder Aufzeichnungen zum Ausdruck gebracht hatte. Denn ein nicht zum notwendigen Betriebsoder Privatvermögen gehörender Vorgang darf nicht mehr in die betriebliche Sphäre verlagert werden, wenn sich bereits Verluste abzeichnen. Gerade bei Bürgschaften muß gefordert werden, daß sich der Steuerpflichtige von Anfang an für die betriebliche oder die private Sphäre entscheidet (vgl. BFH-Entscheidung IV 85/59 vom 4. August 1960, StRK, Einkommensteuergesetz, Rechtsspruch 238). Der Steuerpflichtige hätte also spätestens bei dem Übergang von der Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zum Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG), also zum 1. Januar 1957, die Übernahme der Bürgschaft in den betrieblichen Bereich kenntlich machen müssen. Diese erstmals in der Bilanz vom 31. Dezember 1957 kenntlich gemachte Übernahme war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, weil die Rückgriffsforderung bereits notleidend war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69006

BStBl II 1970, 492

BFHE 1970, 26

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