Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt, der wegen dieser Eigenschaft zum Vormund bestellt wird, übt insoweit eine Tätigkeit aus, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 unterliegt.

 

Normenkette

UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die in Liquidation befindliche Rechtsanwaltsgemeinschaft A und B.

Rechtsanwalt A wurde am 8. August 1967 vom Amtsgericht D zum Vormund der im Jahre 1922 geborenen Maria W bestellt. Das Mündel war Kommanditistin einer Personengesellschaft, über deren Vermögen im Jahre 1971 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Vormund Rechtsanwalt A war in dieser Zeit hauptsächlich einer Reihe rechtlicher Auseinandersetzungen (Wahrung der Belange des Mündels im Rahmen der Gesellschaft, Führung von mehreren Prozessen jährlich) und sonstigem rechtlichen Beistand (Vertretung gegenüber den Finanzbehörden, Rentenverfahren und dgl.) ausgesetzt. Für seine rechtsberatende und rechtsgestaltende Tätigkeit als Vormund erhielt er keine Vergütungen nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO). Vielmehr wurde seine gesamte Tätigkeit als Vormund durch eine jährliche Vergütung abgegolten, die ihm das Vormundschaftsgericht zugebilligt hatte.

Aus Anlaß der im September 1970 gezahlten Vergütung von 9 000 DM machte die Klägerin im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung für September 1970 die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte jedoch abweichend hiervon die Umsatzsteuer unter Anwendung des allgemeinen Steuersatzes (§ 12 Abs. 1 UStG 1967) fest. Die Beschwerde zur Oberfinanzdirektion (OFD) blieb erfolglos.

Mit der Klage hat die Klägerin die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und eine entsprechende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung September 1970 begehrt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage aus der Erwägung stattgegeben, die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Vormund gehöre zu seinen berufstypischen Betätigungen: Rechtsanwälten würden derartige Aufgaben gerade dann zugewiesen, wenn mit ihnen Rechtsfragen verbunden seien, die nur von einem Anwalt sachgemäß behandelt werden könnten. Der Hinweis des FA auf § 1 Abs. 2 BRAGebO, der u. a. die Vormundschaftstätigkeit aus der Gebührenordnung herausnimmt, gehe fehl. Dieser Ausschluß betreffe Tätigkeiten, für welche die Gebühren frei ausgehandelt werden könnten. Vormundschaftliche Tätigkeit und anwaltschaftliche Betätigung in Form von Rechtsrat und Rechtsvertretung ließen sich nicht voneinander trennen. Deshalb habe auch Rechtsanwalt A eine einheitliche Vergütung erhalten.

Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage: Die Tätigkeit als Vormund sei an sich keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967, was sich aus der Einordnung in § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebe (sonstige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit). Sie werde auch dann nicht zu einer freiberuflichen, wenn sie von einem Rechtsanwalt wahrgenommen werde. Zwar könne die Betrauung eines Rechtsanwalts wegen seiner Rechtskenntnisse nützlich sein. Daraus könne aber die Zuordnung der Tätigkeit als Vormund zum typisch anwaltschaftlichen Bereich nicht hergeleitet werden. Denn es gebe viele Anwälte, die keine Vormünder, und viele Vormünde, die keine Anwälte seien. Dem trage § 1 Abs. 2 BRAGebO Rechnung. Überdies wurde das finanzgerichtliche Urteil als Konsequenz eine Differenzierung der Gestalt nach sich ziehen, in Fällen mit ausgedehnter Rechtsberatung des Mündels insgesamt eine anwaltschaftliche Betätigung des Rechtsanwalts anzunehmen, im Normalfall gelegentliche Besteuerung je nach Gewicht des Anteils rechtsberatender Tätigkeit sei jedoch mit dem Grundsatz gleichmäßiger Besteuerung nicht vereinbar.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er hat sich wie folgt geäußert:

Die Ausübung der Vormundschaft, die von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfaßt werde, sei nach der gesetzlichen Unterscheidung des Einkommensteuergesetzes keine freiberufliche Tätigkeit. Zwar würden unter einkommensteuerrechtlicher Betrachtung Tätigkeiten i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG einer freiberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet, wenn sie im Zusammenhang mit einer solchen Tätigkeit erbracht würden. Die einkommensteuerrechtliche Zurechnung sei jedoch auf die Umsatzsteuer nicht übertragbar, da diese nur die typischen freiberuflichen Leistungen begünstige. Von ihrem Wesen her gesehen sei die Ausübung der Vormundschaft die Übernahme einer staatsbürgerlichen Pflicht und könne daher - bei Wahrnehmung durch einen Rechtsanwalt als Vormund nicht unter Veränderung ihres Wesens zu einer charakteristischen Berufstätigkeit dieses Berufsstandes werden. Der Rechtsanwalt als Vormund erbringe keine Dienstleistung, die zu diesem Berufe gehöre, sondern übe ein Ehrenamt aus, dessen Wesen durch die Unentgeltlichkeit der Amtsführung bestimmt werde. Das mache auch die Vergütungsregelung der §§ 1835, 1836, BGB deutlich, die dem Rechtsanwalt-Vormund für die Gewährung rechtlichen Beistandes Gebühren nach den Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zubillige (§ 1835 Abs. 2 BGB). Die gemäß § 1836 BGB gewährte Vergütung sei kein Entgelt für eine Berufstätigkeit. Sie könne jedem Vormund gewährt werden. Folglich könne einem Rechtsanwalt-Vormund der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 nur für solche Tätigkeiten gewährt werden, die nach § 1835 Abs. 2 BGB zu seinem Beruf gehörten.

Demgegenüber entscheidet nach Auffassung der Klägerin allein das Standesrecht darüber, ob ein Rechtsanwalt-Vormund im Rahmen seiner anwaltschaftlichen, mithin freiberuflichen Berufsausübung tätig werde. Dies sei aus der Erwägung zu bejahen, der Rechtsanwalt sei ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, und seine Aufgabe der rechtlichen Beratung und Entscheidung verwirkliche sich auch bei Funktionen, die ihm durch Behörden übertragen worden seien. Der Charakter freiberuflicher Berufsausübung eines Rechtsanwaltes in seiner Eigenschaft als Vormund werde weder durch den Grundsatz der Unentgeltlichkeit noch durch die Regelung in §§ 1835, 1836 BGB berührt. Erhalte der Rechtsanwalt- Vormund - wie hier Rechtsanwalt A - eine Vergütung nach § 1836 BGB, dann werde sie ihm für eine anwaltschaftliche Berufsausübung gewährt. Ein Rechtsanwalt werde nicht deshalb zum Vormund bestellt, weil man ihn für besonders geeignet halte, für die Person des Mündels zu sorgen sondern weil man ihn für besonders befähigt halte, für das Vermögen des Mündels zu sorgen. Vermögenssorge sei aber Vermögensverwaltung, die unbestrittenermaßen zu den berufstypischen Aufgaben eines Rechtsanwalts gehöre. Die Vergütung gemäß § 1836 BGB sei auch nur aus dem Gesichtspunkt des Umfangs und der Bedeutung der vormundschaftlichen Geschäfte zu rechtfertigen, wie § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB zu entnehmen sei. Damit sei die besondere Bedeutung der Vermögensverwaltung angesprochen, die der elfjährigen Vormundschaft des Rechtsanwalts A das Gepräge gegeben und das Vormundschaftsgericht zur Bewilligung einer Pauschalvergütung veranlaßt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 unterliegen dem ermäßigten Steuersatz die Lieferungen und sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Gewährung der Steuerbegünstigung setzt damit zum einen voraus, daß der Unternehmer Angehöriger eines der von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfaßten freien Berufe ist. Zum andern erfordert die Gesetzesformulierung "aus der Tätigkeit als...", daß die Umsätze des Berufsangehörigen für seinen Beruf charakteristisch, d. h. berufstypisch sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 11. April 1957 V46/56 U, BFHE 64, 594, BStBl III 1957, 222 und vom 11. Juli 1960 V 96/59 S, BFHE 71, 549, BStBl III 1960, 453 für das Umsatzsteuergesetz 1951, und Urteile vom 12. August 1971 V R 49/71, BFHE 103, 276, BStBl II 1971, 789, und vom 28. Oktober 1971 V R 101/71, BFHE 103, 451, BStBl II 1972, 102 für das Umsatzsteuergesetz 1967).

Während das subjektive Merkmal der Zugehörigkeit zu einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Berufe nach den Verhältnissen des Besteuerungszeitraums zu beurteilen ist, ist das objektive Merkmal der berufstypischen Tätigkeiten maßgebliches Kriterium für die Begünstigung des einzelnen Umsatzes. Daraus folgt, daß bei einem Angehörigen eines freien Berufes begünstigte neben nichtbegünstigten Umsätzen gegeben sein können.

2. Rechtsanwalt A, der vom Amtsgericht zum Vormund bestellt worden ist, hat mit der Wahrnehmung der ihm damit übertragenen Aufgaben im Rahmen seiner anwaltschaftlichen Berufstätigkeit gehandelt und mit der Erfüllung seiner Aufgaben als Vormund berufstypische, nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 begünstigte Umsätze erbracht.

Die berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts wird durch die ihm eigentümliche Aufgabe geprägt, der berufene unabhängige Vertreter und Berater in allen Rechtsangelegenheiten zu sein (§ 3 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -). Dieser Aufgabe kann er auch durch Ausübung von Funktionen und Ämtern nachkommen, die von Behörden angetragen worden sind (vgl. Isele, Kommentar zur Bundesrechtsanwaltsordnung, § 1 Anm. II B 3).

Die Übernahme von Vormundschaften ist an sich keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit. Das BGB geht vielmehr vom Leitbild des ehrenamtlich tätigen Einzelvormunds aus, der damit einer staatsbürgerlichen Pflicht genügt und die ihm übertragene Aufgabe grundsätzlich unentgeltlich wahrzunehmen hat (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG vom 10. Februar 1960 1 BvR 526/53, 29/58, BVerfGE 10, 302, 311).

Die Vormundschaft wird jedoch aus bestimmten Gründen zuweilen gerade Rechtsanwälten übertragen, sei es, daß es an zum Vormund geeigneten Staatsbürgern mangelt (vgl. Urteil des BVerfG vom 1. Juli 1980 1 BvR 349/75, 378/76, Neue Juristische Wochenschrift 1980 S. 2179 - NJW 1980, 2179 -), sei es daß es die Lage des Mündels erfordert, ihm einen Vormund beizugeben, von dem neben der persönlichen Betreuung im wesentlichen Maße rechtlicher Beistand gefordert ist. Der Rechtsanwalt wird hier wegen seiner beruflichen Stellung und seiner Rechtskenntnisse zum Vormund ausgewählt. Denn es ist im Zweifel davon auszugehen, daß das Amtsgericht, wenn es die Dienste eines Rechtsanwalts als Vormund in Anspruch nimmt und ihn mit dieser Funktion betraut, ihn auch wegen dieser Eigenschaft beauftragen will. Dem stünde allein entgegen, daß es dem Auftraggeber unzweifelhaft nicht um die von einem Rechtsanwalt zu erwartende Leistung der Wahrnehmung rechtlicher Interessen geht.

Dafür gibt der vorliegende Fall keine Anhaltspunkte. Auch Rechtsanwalt A wurde vielmehr im Jahre 1967 zum Vormund bestellt, weil das Mündel als Kommanditistin einer (im Jahre 1971 in Konkurs gegangenen) Personengesellschaft fortwährend in rechtliche Auseinandersetzungen verstrickt war, die rechtliche Entscheidung und Durchführung von Prozessen erforderten. Ferner mußte der Vormund die Vertretung der steuerlichen Interessen bei den Finanzbehörden und der sozialversicherungsrechtlichen Belange in Rentenfragen wahrnehmen. Die persönliche Betreuung des Mündels trat demgegenüber entscheidend zurück. Rechtsanwalt A hat in dieser Gewährung des rechtlichen Beistandes seine vornehmliche Aufgabe als Vormund gesehen; dies kommt darin zum Ausdruck, daß er für die Gesamtheit seiner rechtlichen Interessenwahrung zugunsten seines Mündels keine besondere, in § 1835 Abs. 2 BGB zugelassene Gebührenforderungen nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte gestellt hat, sondern ihm für seine gesamte, im wesentlichen rechtsgestaltende und rechtsberatende Tätigkeit eine vom Vormundschaftsgericht zugebilligte Vergütung nach § 1836 BGB gezahlt worden ist.

3. Die Auffassung des BdF, die Übernahme einer Vormundschaft sei eine staatsbürgerliche Pflicht und könne folglich bei einem Rechtsanwalt-Vormund nicht zu einer charakteristischen Berufstätigkeit werden, greift hier nicht durch. Sie wird im wesentlichen von der Vorstellung getragen, daß der Vormund ein Ehrenamt ausübt, welches sich als Ausübung öffentlicher Fürsorge durch Wahrnehmung privater Angelegenheiten darstellt (vgl. BVerfGE 10, 302, 311) und aus diesem Grunde unentgeltlich wahrzunehmen ist. Diese auf das herkömmliche Leitbild des Einzelvormunds zugeschnittene Regelung ist, was die Unentgeltlichkeit betrifft, bereits in zweifacher Weise durch den Anspruch auf Vergütung gemäß § 1836 Abs. 1 BGB und durch den Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 2 BGB durchbrochen. Schon diese Regelung hält das BVerfG selbst dann nicht für bedenkenfrei, wenn die Vormundschaft wegen ihres Umfangs und Schwierigkeitsgrads mit einer erheblichen Belastung verbunden ist (vgl. NJW 1980, 2179). Wird jedoch eine in dieser Weise gelagerte Vormundschaft, die einen nicht mit den erforderlichen Sachkenntnissen versehenen Staatsbürger in unverhältnismäßiger Weise belasten würde, aus diesem Grunde einem Rechtsanwalt übertragen, weil er die für die Führung der Vormundschaft erforderlichen Qualifikationen aufweist und in der Lage ist, den vom Vormundschaftsgericht im Interesse des Mündels zu stellenden Anforderungen im Rahmen seiner Berufsausübung nachzukommen, kann von einer ausschließlich staatsbürgerlichen Pflicht nicht mehr die Rede sein.

Der Rechtsanwalt wird nicht als Staatsbürger mit der Vormundschaft betraut, sondern in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt, damit er sich als Angehöriger dieses Berufsstandes und in Ausübung dieses Berufes den Interessen des Mündels widme. Das BVerfG hat deshalb die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Vormund als einen Ausschnitt des anwaltschaftlichen Aufgabenbereichs gewürdigt (vgl. NJW 1980, 2179). Dem tritt der erkennende Senat bei.

Aus der Regelung in §§ 1835, 1836 BGB ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn sie sagt nichts über das Wesen der Tätigkeit bei Bestellung eines Rechtsanwalts zum Vormund aus, sondern ordnet die ihm zustehenden Ansprüche der Höhe nach. Auch seine Tätigkeit, soweit sie nicht in eine anwaltschaftliche Betätigung einmündet, die nach § 1835 Abs. 2 BGB i. V. m. der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Gebührenpflicht auslöst, kann im übrigen durch Gewährung rechtlichen Beistandes geprägt sein und damit eine Vergütung nach § 1836 BGB rechtfertigen.

Indes braucht dieser Frage hier nicht näher nachgegangen zu werden, da Rechtsanwalt A von der Möglichkeit einer Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1835 Abs. 2 und nach § 1836 BGB abgesehen hat, weil das Vormundschaftsgericht - sicherlich zum Vorteil des Mündels - einer Pauschalvergütung nach § 1836 BGB den Vorzug gegeben hat.

4. Schließlich kann auch nicht der Auffassung des FA beigetreten werden, es ergäbe sich aus § 1 Abs. 2 BRGAGebO, daß die Betätigung eines Rechtsanwalts als Vormund keine anwaltschaftliche Berufsausübung sei. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 22. Dezember 1966 VII ZR 195/64 (BGHZ 46, 268) ausgeführt hat, gehört ein Geschäft, bei dem die Aufgabe im Vordergrund steht, rechtlichen Beistand zu leisten, zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts. Jedoch ist die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte dann nicht anzuwenden, wenn Arbeiten in Rede stehen, die in der Regel oder doch in erheblichem Maße auch von anderen Personen berufsmäßig wahrgenommen werden und deshalb nicht zum typischen Aufgabenbereich eines Rechtsanwalts gehören.

Diese Differenzierung zwischen der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts i. S. der Bundesrechtsanwaltsordnung und i. S. der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte findet ihren Ausdruck in der Regelung des § 1 Abs. 2 BRAGebO, der die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Vormund, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Konkurs- und Vergleichsverwalter, usw. von den Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte ausnimmt. Die meisten beziehen sich auf einen Inbegriff von Vermögenswerten und dienen deren Erhaltung oder Verteilung durch eine Anzahl von Einzelgeschäften. Diesen Besonderheiten werden nach Auffassung des BGH die Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte nicht gerecht, da diese auf Einzelgeschäfte abgestellt sind, nicht jedoch auf einen Inbegriff vieler sich zudem überschneidender Einsätze. Folglich würde die Anwendung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte meistens nicht zu sachgemäßen Ergebnissen führen. Soweit der BGH in Weiterführung dieser Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 17. April 1980 II ZR 73/79, Wertpapier-Mitteilungen 1980 S. 981) die Anwendung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte verneint hat, weil er im engeren Sinne dieser Gebührenordnung eine berufstypische Tätigkeit als Rechtsanwalt verneint hat, schließt dies nicht aus, daß die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach den Grundsätzen des maßgeblichen Berufsrechtes doch als eine berufstypische anwaltschaftliche Tätigkeit zu beurteilen ist.

5. Eine steuerliche Besserstellung des Rechtsanwalts-Vormunds gegenüber dem Vormund herkömmlichen Leitbildes kann aus der hier vertretenen Auffassung zur steuerlichen Behandlung des Rechtsanwalts-Vormunds nicht hergeleitet werden. Die gegenteilige Auffassung geht ohne nähere Begründung davon aus, daß derjenige Staatsbürger, der sich in Ermangelung von Ablehnungsgründen seiner Bestellung durch das Vormundschaftsgericht nicht entziehen kann, mit der Ausübung seines Ehrenamtes einer unternehmerischen Betätigung i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1967 nachgehe. Es ist jedoch keineswegs gesichert, daß der Vormund herkömmlichen Leitbildes in jedem Fall eine auf Entgeltserzielung gerichtete geschäftliche Tätigkeit entfaltet. Auch wäre bei einem Vergleich steuerlicher Belastung die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 26 UStG 1967 in die Betrachtung einzubeziehen.

Indes brauchen diese Fragen hier nicht vertieft zu werden. Soweit die Ausführungen des FA darauf hinauslaufen, der Rechtsanwalt-Vormund würde bei Gewährung des ermäßigten Steuersatzes steuerlich besser gestellt, berühren sie im Kern die Struktur des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit seiner enumerativen Begünstigung bestimmter freier Berufe. Auch erübrigt sich ein Eingehen auf die vom BdF angeschnittene Frage, daß die einkommensteuerrechtliche Zurechnungstheorie für die Umsatzsteuer nicht übernommen werden könne.

Letztlich kann angesichts der Prozeßlage unentschieden bleiben, ob die Klägerin als Anwaltsgemeinschaft zu Recht für Umsätze herangezogen worden ist, die einer ihrer Angehörigen in der Eigenschaft als Vormund bewirkt hat. Hierauf weist der erkennende Senat ausdrücklich hin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422855

BStBl II 1981, 193

BFHE 1981, 136

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