Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur übertragung stiller Rücklagen auf Ersatzbeschaffungen. EStG § 6; EStR 1951 Abschn. 47 Abs. 7 Buchst. a.

 

Normenkette

EStG § 6; EStR Abschn. 47/7/a

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine offene Handelsgesellschaft. Sie erhielt für ein im Mai 1949 zugunsten der Stadt enteignetes Betriebsgrundstück eine Entschädigung von rund 60 000 DM und machte einen weiteren Entschädigungsanspruch im Prozeßwege geltend.

Die Bfin. begehrte unter anderem, in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1949 eine Rückstellung für Ersatzbeschaffung in Höhe des Buchgewinns ansetzen und sie auf den Wertansatz des erst Anfang 1956 erworbenen Ersatzgrundstückes übertragen zu dürfen. Das Finanzamt lehnte die Bildung dieser Rücklage für Ersatzbeschaffung ab, weil ein Ersatzgrundstück nicht innerhalb der in Abschn. 47 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 gesetzten Frist von zwei Jahren beschafft worden sei.

Die Sprungberufung blieb erfolglos. Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung des Finanzamts an.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

Der Senat kann sich den Ausführungen des Finanzgerichts nicht anschließen, mit denen es unter Hinweis auf Abschn. 47 Absatz 7 Buchstabe a EStR 1951 die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung in der Bilanz zum 31. Dezember 1949 ablehnt. Die in Abschn. 47 Absatz 7 Buchstabe a EStR 1951 bezeichnete Frist von zwei Jahren, innerhalb deren die Ersatzbeschaffung tatsächlich durchgeführt sein muß, wird für den Regelfall ausreichend sein. Als starre Ausschlußfrist darf sie indessen nicht angesehen werden. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. insbesondere Urteile VI 494/38 vom 10. August 1938, Reichssteuerblatt - RStBl - S. 915, und I A 409/32 vom 20. Dezember 1933, RStBl 1934 S. 432), der sich der Senat anschließt, kann die Rücklage immer dann gebildet werden, wenn am Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres, in dem die stille Rücklage aufgelöst worden ist, die Wiederbeschaffung eines gleichen oder ähnlichen Zwecken dienenden Grundstücks in angemessener Frist ernstlich geplant und zu erwarten war. Diese Feststellung liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die Vorentscheidung muß, da sich das Finanzgericht mit dieser Frage nicht befaßt hat, aufgehoben werden.

Bei der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das Finanzamt von folgenden Erwägungen auszugehen haben. Die Bfin. hat vorgetragen, daß sie von Anfang an die Absicht gehabt habe, ein Ersatzgrundstück zu erwerben, und daß sich die Verhandlungen mit der Stadtgemeinde nur deshalb so lange hinausgezogen hätten, weil die Rücknahme ihres Rechtsmittels gegen die Höhe der Entschädigung von ihr verlangt worden sei. Sie sei auch nach der Währungsreform finanziell insbesondere deshalb nicht in der Lage gewesen, ein Ersatzgrundstück zu erwerben, weil die Höhe der Entschädigung noch nicht festgestanden habe. Sind diese Ausführungen der Bfin. zutreffend, so bestehen keine Bedenken, die Rücklage für Ersatzbeschaffung in der Bilanz zum 31. Dezember 1949 und ihre übertragung auf den Wertansatz des Anfang 1956 erworbenen Ersatzgrundstücks zuzulassen. Daß die Bfin. für das Ersatzgrundstück weniger aufzuwenden hatte, als der Buchwert der enteigneten Grundstücke betrug, ist für die Frage der Zulässigkeit der Rücklage für Ersatzbeschaffung ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408554

BStBl III 1956, 332

BFHE 63, 349

BB 1956, 988

DB 1956, 1099

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