Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung gegen USt-Erstattungsanspruch nach Konkurseröffnung

 

Leitsatz (NV)

Das FA kann gegen einen nach Konkurseröffnung entstandenen, auf Uneinbringlichkeit vereinbarter Entgelte beruhenden Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch aufrechnen, wenn der Rechtsgrund des Anspruchs vor Konkurseröffnung gelegt worden ist (durch die Besteuerung des für die Leistungen vereinbarten Entgelts). Das Aufrechnungsverbot nach § 55 Nr. 1 KO greift in einem solchen Falle nicht ein.

 

Normenkette

AO 1977 § 226 Abs. 1; UStG 1980 § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 und S. 3; KO § 55 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger machte als Konkursverwalter für die S-GmbH, über deren Vermögen am 14. September 1981 das Konkursverfahren eröffnet worden war, mit Umsatzsteuer-Voranmeldung vom 30. November 1981 für die Zeit vom 14. bis 30. September 1981 einen Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch geltend, der sich aus der Uneinbringlichkeit vereinbarter Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen der S-GmbH ergab. Gegen diesen Anspruch rechnete das Finanzamt - FA - durch Bescheid vom 23. April 1982 mit höheren Steueransprüchen aus Umsatzsteuer 1980, Kapitalertragsteuer 1980 und Lohnsteuer Juni/Juli 1981 auf. Die Beschwerde gegen den Bescheid des FA blieb erfolglos. Die auf Auszahlung des Erstattungsbetrages gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es führte aus, das Aufrechnungsverbot nach § 55 Nr. 1 der Konkursordnung (KO) greife nicht ein, denn auch ein Erstattungsanspruch, der auf Grund nach Konkurseröffnung eingetretener umsatzsteuerlicher Entgeltminderungen entstanden sei, rechne zur Konkursmasse, weil er auf einem vor Konkurseröffnung begründeten Rechtsverhältnis - den vor Konkurseröffnung getätigten Umsätzen - beruhe. Obwohl der Erstattungsanspruch steuerrechtlich erst in dem Besteuerungszeitraum gegeben sei, in dem die zugrundeliegenden Forderungen uneinbringlich geworden seien, bewirke er wirtschaftlich eine Herabsetzung der vor Konkurseröffnung entstandenen Umsatzsteuerforderung und stehe konkursrechtlich einer (aus der Sicht vor Konkurseröffnung) aufschiebend bedingten Forderung gleich.

Mit der Revision vertritt der Kläger die Auffassung, der Erstattungsanspruch sei durch die zwingend erforderliche Berichtigung gemäß § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums nach Konkurseröffnung entstanden, das FA mithin nach der Eröffnung etwas zur Masse schuldig geworden, so daß das Aufrechnungsverbot eingreife. Aufschiebend bedingte Forderungen gebe es im Steuerrecht nicht. Vor Konkurseröffnung habe noch nicht einmal festgestanden, ob ein Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch entstehen werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat richtig entschieden, daß der Kläger die Zahlung des Erstattungsbetrags nicht fordern kann, weil das FA gegen den Erstattungsanspruch der S-GmbH wirksam aufgerechnet hat. Auf Grund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ist davon auszugehen, daß der S-GmbH auf Grund von Steuerbetragsberichtigungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 ein durch Steuerbescheid oder wirkungsgleiche Steueranmeldung (Umsatzsteuer-Voranmeldung) festgesetzter Erstattungsbetrag zustand, daß diesem Anspruch mindestens gleichhohe vorkonkursliche Steuerforderungen gegen die S-GmbH gegenüberstanden und daß die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung, §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches; vgl. auch § 53 KO) vorlagen. Hiervon gehen übereinstimmend auch die Parteien aus. Es steht auch fest, daß das FA mit den Steuerforderungen - nach Konkurseröffnung - aufgerechnet hat. Diese Aufrechnungserklärung ist zwar nach der jüngsten Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 2. April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536) für sich allein kein Verwaltungsakt und darf nicht durch Verwaltungsakt erfolgen; der Umstand, daß das FA die Aufrechnung zu Unrecht in Form eines Verwaltungsakts erklärt hat, beeinflußt jedoch nicht die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Aufrechnungserklärung als solcher. Auch von der Revision wird nicht in Frage gestellt, daß die Aufrechnung - an sich - wirksam ist. Sie vertritt aber die Auffassung, die Aufrechnung sei gemäß § 55 Nr. 1 KO unzulässig, weil der Erstattungsanspruch erst nach Konkurseröffnung entstanden, das FA mithin nach der Eröffnung ,,etwas zur Masse schuldig geworden" sei. Dem ist nicht zu folgen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 12. Januar 1984 VII R 155/82 (Steuerrechtsprechung in Karteiform -, StRK -, § 54 KO, Rechtsspruch 1; dazu Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 1984 2 BvR 342/84, StRK a. a. O., Rechtsspruch 2) im Anschluß an die Rechtsprechung des VIII. Senats (Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639) entschieden hat, begründen Überzahlungen infolge vorkonkurslicher Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer bereits vor Konkurseröffnung einen aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch, obwohl dieser steuerrechtlich erst später, am Ende des Veranlagungszeitraums, entsteht; gegen ihn kann aufgerechnet werden, ohne daß das Aufrechnungsverbot nach § 55 Nr. 1 KO eingreift. Diese Grundsätze sind auch für die Beurteilung des Streitfalles maßgebend. Auch hier ist der Erstattungsanspruch steuerrechtlich zwar erst nach Konkurseröffnung entstanden (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980), auch hier ist aber der Rechtsgrund des Anspruchs bereits in der Zeit vor Konkurseröffnung gelegt worden, nämlich durch die Besteuerung des für die Leistungen vereinbarten Entgelts, durch die der Steuerschuldner einen im Sinne des Urteils in BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639 aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch erlangt, der im praktischen Ergebnis - nicht steuertechnisch - auf eine Korrektur der ursprünglichen Umsatzsteuerschuld abzielt (vgl. auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. September 1983 V R 125/78, BFHE 139, 312, 314, BStBl II 1984, 71). Derart bedingte (Erstattungs-)Ansprüche, wie sie im Gegensatz zur Auffassung der Revision dem Steuerrecht nicht fremd sind (vgl. wegen der Erstattungsansprüche auf Grund von Einkommensteuer-Vorauszahlungen Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 37 AO 1977 Tz. 15), fallen in die Konkursmasse, in das vorkonkursliche Vermögen des Gemeinschuldners (§ 1 Abs. 1 KO), sie stellen keinen konkursfreien Neuerwerb des Gemeinschuldners und auch keine Masseforderungen dar (vgl. außer dem in der Vorentscheidung angeführten - nicht rechtskräftigen - Urteil des FG Düsseldorf vom 4. Februar 1981 I 49/76 UM, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 599, Umsatzsteuer-Rundschau - UStR - 1981, 253, Urteil des FG München vom 9. April 1986 III 283/80 AO, EFG 1986, 633, UStR 1987, 180; zu letzterem Probst, Betriebs-Berater 1986, 1751). Daraus folgt, daß das FA die dem Erstattungsanspruch entsprechende Leistung nicht erst nach Konkurseröffnung (zur Masse) schuldig geworden ist, daß es vielmehr den Erstattungsbetrag unbeschadet seiner späteren Festsetzung schon vorher schuldete, die Aufrechnung nach erfolgter Festsetzung möglich war (vgl. zur Aufrechnung von Ansprüchen aus der Berichtigung von Vorsteuerkorrekturen gegen Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche auch Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 195/83, BFHE 144, 479, 482, BStBl II 1986, 158, unter Nr. 3) und daß dieser Aufrechnung das Aufrechnungsverbot nach § 55 Nr. 1 KO nicht entgegenstand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415260

BFH/NV 1987, 707

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