Leitsatz (amtlich)

Überlassen Eltern ihren minderjährigen Kindern Anteile am Betriebsvermögen einer von ihnen gebildeten Personengesellschaft unter der Auflage, daß diese über die auf ihre Anteile entfallenden Gewinnanteile nur in dem von den Eltern gebilligten Umfang verfügen dürfen, liegt eine zur Gewinnaufteilung auch auf die Kinder führende Mitunternehmerschaft nicht vor.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig sind die steuerrechtliche Anerkennung des am 12. Dezember 1964 zwischen den Eheleuten S., den bis dahin alleinigen Gesellschaftern der Revisionsklägerin, einer Kommanditgesellschaft (KG), und ihren drei damals noch minderjährigen Kindern geschlossenen Gesellschaftsvertrages und seine steuerrechtliche Auswirkung.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12. Dezember 1964 haben die Gesellschafter der im Jahre 1958 gegründeten KG mit Wirkung vom 1. Januar 1964 ihre drei Kinder als Kommanditisten in die KG aufgenommen. Die zur Erbringung der Kommanditeinlagen erforderlichen Mittel von dreimal 20 000 DM wollten die Eltern ihren Kindern schenkweise überlassen. Am Gewinn und Verlust der KG sind nach dem Vertrag vom 1. Januar 1964 ab die Altgesellschafter zu je 27,5 v. H., die Neugesellschafter zu je 15 v. H. beteiligt.

Der Revisionsbeklagte (das FA) hatte im (vorläufigen) Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung vom 25. November 1965 dem Vertrag die rückwirkende Anerkennung ab 1. Januar 1964 versagt; der Vertrag könne erst vom 1. Januar 1965 ab steuerlich anerkannt werden. Der Einspruch der KG blieb ohne Erfolg. Auf ihre Klage setzte das FG die Gewinnanteile der Altgesellschafter auf je 99 595 DM, die der Neugesellschafter auf je 333 DM fest; die Kosten des Verfahrens legte es der KG zur Last. Zur Begründung führte es aus:

Die KG habe im Laufe des Verfahrens ihr Klagebegehren dahin eingeschränkt, die Kinder als Mitunternehmer nicht mehr vom 1. Januar, sondern erst vom 1. November 1964 ab anzuerkennen. Das FA habe dem zugestimmt, jedoch gegen die Gewinnverteilung Einwendungen erhoben. - Der Vertrag könne erst vom 1. Dezember 1964 ab als steuerrechtlich wirksam angesehen werden. Voraussetzung für das steuerrechtlich wirksame Zustandekommen einer Gesellschaft sei die tatsächliche Vollziehung des Gesellschaftsvertrages (Urteil des BFH I 116/60 U vom 25. Oktober 1960, BFH 72, 249, BStBl III 1961, 94). Dabei unterlägen Verträge zwischen Familienangehörigen wegen der Gleichrichtung der Interessen der Gesellschafter besonders strengen Anforderungen. Der Nachweis, daß der Vertrag schon vor dem 1. Dezember 1964 mündlich geschlossen und tatsächlich vollzogen worden sei, sei nicht erbracht worden. Die KG habe nur nachweisen können, daß sie am 25. November 1964 in ihrer Buchführung Kapitalkonten für die Neugesellschafter eingerichtet und Beträge in Höhe der später schriftlich fixierten Einlagen von dreimal 20 000 DM von den Kapitalkonten der Altgesellschafter auf die der Neugesellschafter umgebucht habe. Entscheidendes Gewicht lege das FG jedoch der Frage der Gewinnverteilung bei, hinsichtlich derer die KG das Vorliegen einer Vereinbarung bereits vor dem 1. Dezember 1964 nicht behauptet habe. Daß das FA dem erst im Laufe des Verfahrens geänderten Klagebegehren nicht widersprochen habe, hindere das FG an einer abweichenden Entscheidung nicht. - Der im Vertrag vom 12. Dezember 1964 vorgesehenen Gewinnverteilung könne indes nicht zugestimmt werden, da die den Neugesellschaftern zugebilligte Gewinnquote einer Verzinsung ihrer Einlagen mit 150 v. H. gleichkäme, die einem den Altgesellschaftern fremden Gesellschafter niemals zugebilligt worden wäre. Die Gewinnbeteiligung sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH auf 20 v. H. der Einlage zu begrenzen (BFH-Urteil IV 335/61 U vom 7. November 1963, BFH 78, 155, BStBl III 1964, 61). Die Einlage des im Betrieb nicht mitarbeitenden Kommanditisten sei einer Aktie vergleichbar; die Erzielung einer Rendite von 20 v. H. sei auch bei Aktien nur in günstigsten Fällen möglich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der KG mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Gewinnanteile der Gesellschafter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 1964 für die Altgesellschafter auf je 92 587,75 DM, für die Neugesellschafter auf je 5 004,75 DM festzustellen. Zur Begründung läßt sie vortragen:

Die Verhandlungen über den Inhalt des schriftlich abzuschließenden Vertrages seien, was den Zeitpunkt des steuerrechtlichen Wirksamwerdens des Gesellschaftsvertrages vom 12. Dezember 1964 betreffe, nachweislich schon geraume Zeit vor seiner schriftlichen Fixierung und lange vor dem 25. November 1964 abgeschlossen gewesen. Es habe jedoch noch der Bestellung eines Pflegers für die damals noch minderjährigen Neugesellschafter bedurft. Jedenfalls stehe fest, daß der Vertrag spätestens im November 1964 beschlossen und vollzogen worden sei. - Was die Frage nach der zutreffenden Gewinnverteilung angehe, so seien bei Familiengesellschaften betriebliche und außerbetriebliche Interessen nicht einwandfrei trennbar (so Böttcher-Beinert in DStR 1964, 683 [684]). Es müsse deshalb in Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil II 282/58 U vom 29. November 1961 (BFH 75, 151, BStBl III 1962, 323) als Grundsatz gelten, daß im Rahmen einer Familiengesellschaft jede auf Dauer angelegte und nicht ständig und willkürlich geänderte Gewinnverteilung steuerlich anzuerkennen sei. Nichts anderes besage auch das BFH-Urteil IV R 139/67 vom 15. November 1967 (BFH 90, 399, BStBl II 1968, 152). Neben dem auch das Steuerrecht bestimmenden, das bürgerliche Recht beherrschenden Grundsatz der Vertragsfreiheit seien bei der Beurteilung der Gewinnquote die Bedeutung der Kommanditeinlagen für die KG einerseits und das Haftungsrisiko der Komplementärin sowie die Tatsache der Geschäftsführung durch den Altgesellschafter (Vater der Neugesellschafter) andererseits zu berücksichtigen. Nicht unberücksichtigt dürfe schließlich bleiben, daß das FA mit Schreiben vom 27. Juli 1965 gegen die Anerkennung des ihm in allen seinen Teilen bekannten Gesellschaftsvertrages grundsätzlich keine Bedenken erhoben habe.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Was die Frage nach der Rechtsgültigkeit des notariell beurkundeten Schenkungsversprechens und des Gesellschaftsvertrages - beide vom 12. Dezember 1964 - betrifft, so liegen sowohl die Zustimmung des Pflegers (vom 10. Februar 1965) als auch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (vom 15. Februar 1965) vor. Die Neugesellschafter waren im Zeitpunkt der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung 19, 17 und 12 Jahre alt. Es steht ferner fest, daß die Einrichtung der Kapitalkonten für die Neugesellschafter und die Umbuchung der ihnen von den Altgesellschaftern zugedachten Beträge am 25. November 1964 erfolgt ist.

Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob die Umbuchung der genannten Beträge als Erfüllung des später in gehöriger Form abgegebenen Schenkungsversprechens anzusehen, ob überhaupt eine Schenkung oder nicht vielmehr eine unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen gegeben ist. Denn die Kinder der Eheleute S. sind durch den Vertrag vom 12. Dezember 1964 - obzwar formal Gesellschafter - nicht Mitunternehmer der KG im steuerrechtlichen Sinne geworden.

Die Eheleute S. haben im Zuge der Überlegungen, in welcher Weise sie ihre Kinder (ohne Mitarbeit im Betrieb) an ihrem Unternehmen beteiligen könnten (so ein Schreiben des früheren Steuerbevollmächtigten der KG vom 2. November 1965 an das FA), auch die Gründung einer GmbH erwogen. Sie haben sich schließlich für die Aufnahme der Kinder in die KG entschieden und (nach dem notariell beurkundeten Schenkungsversprechen vom 12. Dezember 1964) "Schenkungsversprechen und Schenkung" unter die Auflage gestellt, "daß die Eltern das Recht haben, die von der Kommanditgesellschaft zur Entnahme freigegebenen Gewinnguthaben aus dem Geschäftsanteil eines jeden Kindes auch nach Beendigung der elterlichen Gewalt bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu verwalten und ihm in diesem Zeitraum lediglich die Zinsen aus den Erträgen zur freien Verfügung zu belassen". Die Kinder haben (durch ihren Pfleger) dieser Auflage zugestimmt. Sie haben sich damit für die Dauer von rd. 6, 8 und 13 Jahren jeder Verfügungsmöglichkeit über ihre Gewinnanteile begeben, ein Verhalten, das mit der Stellung eines Mitunternehmers - auch wenn er lediglich mit seinem Kapital, nicht auch mit seiner Arbeitskraft am Erfolg des Unternehmens beteiligt ist - unvereinbar ist (siehe auch BFH-Urteile IV R 179/68 vom 25. September 1969, BFH 97, 298, BStBl II 1970, 114, und IV R 178/68 vom 22. Januar 1970, BFH 98, 405, BStBl II 1970, 416).

Dabei kann es für die Beurteilung keinen Unterschied machen, ob etwa ein den Eheleuten S. fremder Dritter sich angesichts des Wertes des ihm unentgeltlich überlassenen Gesellschaftsanteils ebenfalls einer solchen Bedingung unterworfen hätte, wie es auch keinen Unterschied in der Beurteilung begründen kann, ob ein Neugesellschafter seinen Gesellschaftsanteil mit selbst aufgebrachten oder mit ererbten oder ihm geschenkten Mitteln erwirbt, ob ihm der Gesellschaftsanteil als solcher schenkweise überlassen wird oder ob er ihn mit dem Einsatz seiner Arbeitskraft für die Gesellschaft "bezahlt". In jedem Falle erwirbt er die Stellung eines Mitunternehmers im Sinne von § 15 Nr. 2 EStG nur dann, wenn er in vollem Umfang (nicht nur formal) Gesellschafter des Unternehmens wird, mit allen sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebenden Rechten und Pflichten (in der Regel Teilhabe am Vermögen der Gesellschaft einschließlich der in ihm ruhenden stillen Reserven, Beteiligung am Erfolg der Gesellschaft und grundsätzliches Verfügungsrecht über Gewinnanteile, Teilnahme am Wagnis, das mit dem Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft verbunden ist).

2. Da eine Verböserung nicht in Betracht kommt, das FA aber keine Revision eingelegt hat, hat der Senat keinen Anlaß, im vorliegenden Streitfall auf die Frage der Gewinnverteilung einzugehen.

3. Der Umstand, daß das FA der KG gegenüber zunächst erklärt hat, grundsätzliche Bedenken gegen die steuerrechtliche Anerkennung des Gesellschaftsvertrages mit Wirkung vom 1. Januar 1965 bestünden nicht, rechtfertigt auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keinen Vertrauensschutz. Das FA prüft, von Ausnahmefällen einer Bindung durch Zusage oder durch langjährige Übung abgesehen, für jeden Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen neu (BFH-Urteil VI R 174/67 vom 7. Februar 1969, BFH 95, 41, BStBl II 1969, 314). Darüber hinaus geht der Rechtsstreit nicht um die Auswirkungen des Vertrages für den Veranlagungszeitraum 1965, sondern um die für den Veranlagungszeitraum 1964. Für diesen Veranlagungszeitraum aber stehen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertrages dem Grunde nach und ihre Auswirkungen in engstem Zusammenhang, so daß in Anbetracht des einheitlich und gesondert festzustellenden Gewinns der KG weder das FA noch das FG in ihrer Beurteilung des Streitstoffes auf die Frage nach dem Wirksamwerden des Vertrages beschränkt gewesen wären und die Gewinnverteilung aus ihren Überlegungen auszuklammern gehabt hätten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69686

BStBl II 1972, 10

BFHE 1972, 156

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