Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Nur wenn ein Stpfl. regelmäßig mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist, kann gemäß Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1965 ein pauschalierter Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten abgesetzt werden.

"Regelmäßig" bedeutet, daß der Arbeitnehmer "nicht nur gelegentlich" sondern - auf das Jahr gesehen - überwiegend mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist. Es genügt nicht, daß der Arbeitnehmer "in bestimmten Abständen wiederkehrend" mehr als 12 Stunden unterwegs ist.

 

Normenkette

EStG § 9/1, § 12 Nr. 1; LStDV § 20 Abs. 2; LStR Abschn. 24/3

 

Tatbestand

Der Stpfl., der Werkmeister in einer Raffinerie ist, war an 48 Wochenenden jeweils 12 Stunden im ununterbrochenen Schichtdienst eingesetzt. Weil er an diesen Tagen mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend war, beantragte er, ihm gemäß Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1964 auf der Lohnsteuerkarte 1965 für Verpflegungsmehraufwendungen (48 x 2,50 =) 120 DM als Werbungskosten einzutragen.

Das FA lehnte den Antrag ab, weil die Abwesenheit an den 48 Tagen im Jahr 1964 keine "regelmäßige" lange Abwesenheit gewesen sei. Der Stpfl. meint dagegen, das Wort "regelmäßig" bedeute "über einen längeren Zeitraum mit Regelmäßigkeit wiederkehrend, sich wiederholend".

Das FG trat in seiner in EFG 1967, 120 veröffentlichten Entscheidung der Auffassung des Stpfl. bei und führte im wesentlichen aus, wenn schon Mehraufwendungen für Verpflegung wegen besonders langer Abwesenheit von der Wohnung dem Grunde nach Werbungskosten sein könnten, so leuchte nicht ein, warum man dann zusätzlich verlangen solle, daß die "regelmäßig" anfielen. Wie das Wort "regelmäßig" auszulegen sei, könne aber im Streitfall dahingestellt bleiben; denn jedenfalls sei ein Arbeitnehmer "regelmäßig" lange abwesend, wenn er in bestimmten Abständen wiederkehrend lange abwesend sei, wie es bei den 12stündigen Schichten des Stpfl. der Fall sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der das FA unrichtige Anwendung von § 9 EStG (§ 20 LStDV 1965) rügt, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Aufwendungen für die Ernährung gehören grundsätzlich zu den steuerlich nicht abzusetzenden Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Die Rechtsprechung hat jedoch anerkannt, daß Mehraufwendungen für Ernährung ausnahmsweise Werbungskosten sein können, z. B. wenn sie auf Dienstreisen, bei auswärtiger Beschäftigung oder dadurch entstehen, daß ein Arbeitnehmer ausschließlich oder vorwiegend berufsbedingt ungewöhnlich lange von seiner Wohnung abwesend ist. In diesen Fällen fallen die Mehraufwendungen für Verpflegung aus der allgemeinen Lebensführung heraus.

Voraussetzung für den Abzug der Mehraufwendungen für Verpflegung bei außergewöhnlich langer Abwesenheit von der Wohnung ist, daß wie gesagt, berufliche Gründe die lange Abwesenheit veranlaßt haben. Ist das der Fall, so ist es unerheblich, ob die lange Abwesenheit auf den Besonderheiten der Arbeit, auf der großen Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, auf schlechten Verkehrsverhältnissen oder auf anderen Gründen beruht.

Weitere Voraussetzung ist, daß es sich bei der langen Abwesenheit um einen Zustand von längerer Dauer handelt. Ist ein Arbeitnehmer nicht "regelmäßig" lange Zeit ungewöhnlich lange unterwegs, so hat die Rechtsprechung bisher einen pauschalierten Mehraufwand für Verpflegung nicht anerkannt, weil dann etwaige Mehraufwendungen für Verpflegung in den allgemeinen Kosten der Lebenshaltung aufgehen. In der Entscheidung des BFH IV 119/53 U vom 17. September 1953 (BFH 58, 81, BStBl III 1953, 322) war der Stpfl. jeweils von Montag bis Freitag mehr als 12 Stunden von der Wohnung abwesend. Im Urteilsfall IV 393/54 U vom 3. Februar 1955 (BFH 60, 283, BStBl III 1955, 109) war die Stpfl. an 220 Tagen im Jahr mehr als 12 Stunden unterwegs gewesen. In den Entscheidungen IV 589/54 U vom 10. Februar 1955 (BFH 60, 287, BStBl III 1955, 110) und VI 44/55 U vom 12. Dezember 1956 (BFH 64, 78, BStBl III 1957, 29) ging es um eine überlange Abwesenheit an fünf Tagen jeder Woche. Das Urteil des BFH IV 291/55 U vom 4. Oktober 1956 (BFH 63, 452, BStBl III 1956, 370) betraf einen Feuerwehrmann, der abwechselnd Bereitschaftsdienst und Freizeit von je 24 Stunden hatte; ihm wurde für jeden zweiten Tag ein Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten anerkannt. Die Entscheidung des Senats VI 156/57 vom 13. Juni 1958 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1 und 2, Rechtsspruch 76) spricht von einer Abwesenheit von mehr als 12 Stunden "täglich" aus beruflichen Gründen. Im Urteil VI 231/64 vom 24. Juni 1966 (BFH 86, 574, BStBl III 1966, 608) ist einem Betriebsprüfer, der an 120 Tagen im Jahr mehr als 12 Stunden von Hause abwesend gewesen war, ein Pauschbetrag wegen Mehrverpflegung zuerkannt worden.

In allen diesen Fällen waren also die Arbeitnehmer nicht nur hin und wieder an einzelnen Tagen länger als 12 Stunden von ihrer Wohnung abwesend, sondern an allen oder wenigstens an vielen Arbeitstagen im Jahr. An dieser Voraussetzung hält der Senat - entgegen der Auffassung des FG - fest. Ist ein Arbeitnehmer nicht oft, sondern nur von Zeit zu Zeit mehr als 12 Stunden von der Wohnung abwesend, so ist kaum festzustellen, ob ihm dadurch ein Mehraufwand für Verpflegung entsteht und ob ein etwaiger Mehrverzehr vorwiegend auf beruflichen Gründen oder auf der persönlichen Lebensweise des Arbeitnehmers beruht. Die Rechtsprechung kann bei der Vielgestalt der Verhältnisse und der individuellen Lebensform der betroffenen Arbeitnehmer für diese Fälle nur eine typische Beurteilung treffen. Ist ein Arbeitnehmer täglich oder wenigstens oft im Jahr ungewöhnlich lange unterwegs, so kann man für den Regelfall annehmen, daß ein solcher Arbeitnehmer seinen Lebenszuschnitt einschließlich seiner Ernährung danach einrichtet und ihm dadurch - wie bei Dienstreisen oder doppelten Hausstand - Mehraufwendungen für Ernährung entstehen, die vorwiegend beruflich veranlaßt sind.

Aus diesen überlegungen ergibt sich, daß das Wort "regelmäßig", das die Bundesregierung in Abschn. 24 EStR aus der Rechtsprechung des BFH übernommen hat, nur im Sinne von "häufig" und nicht, wie das FG meint, im Sinne von "in bestimmten Abständen" verstanden werden kann. Eine lange Abwesenheit ist nur "regelmäßig" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, wenn der Arbeitnehmer an vielen Arbeitstagen ungewöhnlich lang von der Wohnung abwesend ist.

Waren die Verhältnisse das ganze Jahr über unverändert, so wird man, um eine praktisch brauchbare Abgrenzung zu gewinnen, das Wort "regelmäßig" so auslegen müssen, daß der Arbeitnehmer an der Mehrzahl der Arbeitstage - auf das Jahr gesehen - mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend war. ändern sich im Laufe des Jahres die Arbeitsbedingungen, z. B. dadurch, daß dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine andere Arbeit zugeteilt wird, die eine längere Abwesenheit bedingt, so kann man im allgemeinen die "Regelmäßigkeit" wohl bejahen, wenn während eines ununterbrochenen Zeitraumes von drei Monaten der Arbeitnehmer an allen Arbeitstagen mehr als 12 Stunden unterwegs war. ändern sich im Laufe des Jahres die Verhältnisse aus anderen Gründen, z. B. weil der Arbeitnehmer den Arbeitgeber gewechselt oder seine Wohnung verlegt hat, so genügt es, wenn die änderung der Verhältnisse nachhaltig ist und der Arbeitnehmer in Zukunft regelmäßig mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist. Tritt also z. B. ein Angestellter, der bisher nur 10 Stunden täglich unterwegs war, zum 1. November eine Stelle an, die ihn zwingt, in Zukunft "regelmäßig" mehr als 12 Stunden unterwegs zu sein, so steht ihm auch bereits für die Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember der Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand zu.

Da nach diesen Grundsätzen der Stpfl. nicht, wie das FG angenommen hat, "regelmäßig" mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend war, mußte das Urteil des FG wegen unrichtiger Anwendung des § 9 EStG aufgehoben werden. Der Senat ist, da die Sache spruchreif ist, in der Lage, selbst zu entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO) und weist die Klage als unbegründet ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412721

BStBl III 1967, 782

BFHE 1968, 23

BFHE 90, 23

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