Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die von einem Flughafenunternehmen vereinnahmten Start- und Landegebühren sind umsatzsteuerpflichtig.

 

Normenkette

UStG § 1/1/1, § 4 Ziff. 10, § 4/12

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) betreibt den Flughafen X. Das Flughafengelände, die Gebäude und sonstigen Einrichtungen sind Eigentum der Stadt und von dieser an die Bgin. verpachtet. Zweck des Unternehmens der Bgin. ist "den Flughafen für den öffentlichen Luftverkehr vorzuhalten und zu betreiben".

Die Flugzeughalter benutzen den Flughafen in erster Linie dadurch, daß sie mit ihren Luftfahrzeugen auf einer der Landebahnen landen, zum Abfertigungsvorfelde, zu einer Halle oder zu einem Abstellplatz rollen und nach Beendigung ihres Aufenthaltes wieder starten. Für den Lande- und Startvorgang hat der Flugzeughalter Gebühren zu entrichten, die nach der Zahl der Landungen auf Grund des Tonnengewichts nach behördlich festgesetzten Gebührensätzen berechnet werden. In der Gebührenordnung für den Flughafen sind außer den Start- und Landegebühren besondere Mietsätze für die Benutzung von Räumen im Flughafen, Standgebühren, Hallengebühren, Rampendienstgebühren, Benutzungsgebühren für Abfertigungsschalter und Lautsprecherdurchsagen, Lagergebühren usw. vorgesehen.

In Streit befindet sich allein die Umsatzsteuerpflicht der Start- und Landegebühren (1950 und 1951).

Das Finanzgericht hat im Gegensatz zu der Auffassung des Finanzamts angenommen, daß die Bgin. den Flugzeughaltern das Rollfeld gegen Entgelt in seiner ganzen Ausdehnung vermiete, so daß die Start- und Landegebühren gemäß § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Vorinstanz und Bgin. sind sich darin einig, daß sich die Leistung der Bgin. in der Gebrauchsüberlassung des Rollfeldes gegen Entgelt erschöpfe und daß fakultativ gegen besondere Gebühren übernommene Nebenleistungen bei der Beurteilung des Vertragsverhältnisses außer acht zu bleiben hätten. Abgesehen davon, daß die Bgin. unstreitig die ihr durch § 9 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23. März 1953 (Bundesgesetzblatt I S. 70) übertragenen Aufgaben zu erfüllen hat, so ist doch auch nach bürgerlichem Recht nicht jedes Rechtsverhältnis, das zu einer überlassung von Grundstücken oder Grundstücksteilen zum Gebrauch gegen Entgelt führt, den Rechtsregeln der Miete zu unterstellen (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 88, S. 108; Bd. 108, S. 369). Vielmehr kommt es darauf an, ob sich der objektive Vertragsinhalt bei Würdigung der vertraglichen Abmachungen in ihrer Gesamtheit noch als Vermietung auffassen läßt. Wenn auch die besonders abgeschlossenen Bodendienstverträge nicht notwendig sein mögen und zeitweilig und bei manchen Flughäfen fortfallen können, so ist doch unbestreitbar, daß die Bgin. ihrer Aufgabe, einen Stützpunkt des Luftverkehrs am Boden zur Verfügung zu stellen, nur gerecht werden kann, wenn sie gleichzeitig mit der Gebrauchsüberlassung des Rollfeldes auch alle ortsfesten Sicherungsanlagen bereitstellt, wartet, pflegt und laufend überwacht. Wenn sich die Bgin. mit dem Vermieter eines Grundstückes oder Lagerhauses vergleicht, so wird übersehen, daß derartigen Verträgen nicht nur die bloße überlassung des Grundstücks zu einem vorübergehenden Gebrauch, sondern die Gewährung des Gebrauchs eines Grundstücks oder Grundstücksteils eigentümlich ist, derart, daß das Rechtsverhältnis als Besitzmittlungsverhältnis im Sinne des § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuches den Mieter zum unmittelbaren Besitzer der Mietsache macht (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 19 S. 88 ff., 93). Daran fehlt es gerade im Streitfall. Es wird nicht der Gebrauch eines bestimmten Platzes oder Raumes gewährt, sondern den Flugzeughaltern nur das Starten und Landen im Rahmen des Flugverkehrs ermöglicht. Wenn auch die Bgin. zutreffend hervorhebt, daß nicht sie als Flughafengesellschaft den Luftverkehr veranstalte und sich mit dem Eigentümer eines Parkplatzes vergleicht, so sei insoweit auf das Urteil des erkennenden Senats V 193/55 U vom 29. November 1955 (Bundessteuerblatt 1956 III S. 56) verwiesen, in welchem für die Abstellung von Kraftfahrzeugen auf einen bewachten Parkplatz die Anwendbarkeit des § 4 Ziff. 10 UStG verneint ist. Wird auch der Flugverkehr vorwiegend durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen (Bundesanstalt für Flugsicherung) geregelt und abgewickelt, so ist doch die Bgin. in diese Regelung einbezogen (vgl. § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 Ziff. 2, § 9 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung). Die von ihr mit den Flugzeughaltern abgeschlossenen privatrechtlichen Verträge ermöglichen es diesen auch nicht, Besitzhandlungen auf den vorübergehend überlassenen Grundstücksteilen auszuüben (vgl. auch RGZ Bd. 97 S. 18 ff., 21). Es fehlt mithin an wesentlichen Merkmalen eines Mietvertrages. Bei der völlig klaren Sachlage, wie sie sich dem Senat auf Grund der mündlichen Verhandlung und der dort von den Beteiligten gegebenen Darlegungen darstellt, erübrigt sich die von der Bgin. beantragte Augenscheinseinnahme. Der Senat ist demnach der Auffassung, daß die Bgin. als Unternehmerin im Sinne des UStG Leistungen besonderer Art erbringt, die, da die allein in Erwägungen zu ziehende Befreiungsvorschrift nach § 4 Ziff. 10 UStG nicht in Betracht kommt, umsatzsteuerpflichtig sind. Solchenfalls kann es dahingestellt bleiben, ob das Flugplatzgelände als Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 37 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz anzusehen ist.

Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher die Vorentscheidung aufzuheben und die Sprungberufung der Bgin. gegen die Umsatzsteuerbescheide 1950 und 1951 vom 30. Mai 1952 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 257

BFHE 1957, 159

BFHE 63, 159

StRK, UStG:4/10 R 9

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