Entscheidungsstichwort (Thema)

Tierkörperbeseitigung durch private Dritte

 

Leitsatz (NV)

Übernimmt ein Unternehmer (Betreiber einer Tierkörperbeseitigungsanstalt) die Erfüllung einer gesetzlichen Pflichtaufgabe (Tierkörperbeseitigung) für eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft (Aufgabenträger), so erbringt er dadurch dem Aufgabenträger gegenüber eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2; TierKBG 1939 §§ 5, 7 Abs. 2; TierKBG 1975 § 4

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen zur Verwertung von Tierkörpern. Sie ist aufgrund eines am 1. März 1972 mit X (einer Gebietskörperschaft) geschlossenen Vertrages zur Tierkörperbeseitigung in einem bestimmten Gebiet verpflichtet. Grundlage des Vertrages ist das Tierkörperbeseitigungsgesetz vom 1. Februar 1939 - TierKBG 1939 - (RGBl I 1939, 187), an dessen Stelle ab 7. September 1976 das Gesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen vom 2. September 1975 - TierKBG 1975 - (BGBl I 1975, 2313) getreten ist (§ 21 Abs. 1 Nr.1 TierKBG 1975). In § 8 des zwischen der Klägerin und X geschlossenen Vertrages war zunächst festgelegt: ,,Der Aufgabenträger X ist im Falle eines nicht gedeckten Betriebsaufwandes bei ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung bereit, auf der Grundlage des Gesetzes und seiner Durchführungsverordnungen einen angemessenen Betriebszuschuß zu gewähren, über dessen Höhe verhandelt werden muß. Hierfür muß der Unternehmer (die Klägerin) den nicht gedeckten Betriebsaufwand, der nicht aus überhöhten und vorzeitigen Abschreibungen resultieren darf, nachweisen. . . ". § 8 des Vertrages wurde mit Zusatzvereinbarung vom 24. August 1984 ersatzlos gestrichen.

Im Streitjahr 1981 wurde wegen nicht gedeckten Betriebsaufwandes des Jahres 1980 eine Zahlung in Höhe von . . . DM vereinbart und gewährt. Die Klägerin trug hierzu in der mündlichen Verhandlung vor, der Verlust sei durch Sonderkosten entstanden, u.a. wegen einer Drainage. Außerdem unterlägen die aus der Tierkörperverwertung gewonnenen Produkte (z.B. Fette) stark schwankenden Weltmarktpreisen. Der 1981 gezahlte Zuschuß stehe nicht mit bestimmten Umsätzen in Verbindung.

Die Klägerin sah in der Zahlung kein Entgelt für eine steuerbare Leistung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) dagegen ging von einem umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und X aus.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Die Zahlung beruhe auf einem im Vertrag vom 1. März 1972 vorgesehenen Leistungsaustausch. Sie sei Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung. In dem Vertrag habe die Klägerin die nach dem TierKBG 1939 X obliegende Aufgabe zur Tierkörperbeseitigung übernommen. X habe der Klägerin dafür im Vertragsgebiet das alleinige Beseitigungs- und Verwertungsrecht für Tierkörper eingeräumt und sich zu angemessenen Betriebszuschüssen verpflichtet. Ohne eine solche finanzielle ,,Bestandsgarantie" wäre die Klägerin zur Übernahme der Pflichten und Aufgaben nicht bereit gewesen. Wirtschaftlichem Denken entspreche es, sich die vertragliche Übernahme fremder Pflichten und Aufgaben honorieren zu lassen. Die innere Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung im Streitfall liege darin, daß aus der Sicht beider Vertragspartner unter bestimmten Umständen Zahlungen von X erforderlich werden konnten, um den Fortbestand der Tierkörperbeseitigungsanlage der Klägerin zu sichern. Daß keine laufenden oder nach objektiven Maßstäben festgelegte Leistungen vereinbart worden seien, stehe dem nicht entgegen. Denn in erster Linie sollten die wirtschaftliche Verwertung der Tierkörper und die im Vertrag vorgesehenen oder zugelassenen Entgelte Dritter für die jeweilige Inanspruchnahme der Tierkörperbeseitigungsanlage der Klägerin für deren Rentabilität sorgen. Die Zahlung sei nicht als Erstattung für gehabten Aufwand vereinbart, gedacht und berechnet, sondern als eigenes Entgelt von X, falls die übrigen Einnahmen der Klägerin für die Aufrechterhaltung und den Weiterbetrieb der Tierkörperbeseitigungsanlage nicht ausreichten.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie macht geltend, daß kein Leistungsaustausch zwischen ihr und X vorliege. Tierkörperverwertungsanstalten arbeiteten allgemein rentabel, so daß es keines Anreizes in Form eines Zuschusses bedurft hätte. Die Zuwendung von X knüpfe nicht an bestimmte Umsätze an, sondern sei unabhängig von einer bestimmten Leistung gewährt worden, um dem Empfänger die Mittel zu verschaffen, die er zur Erfüllung von im allgemeinen öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben benötige.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen. Die Klägerin hat X gegenüber eine sonstige Leistung dadurch erbracht, daß sie die Erfüllung einer gesetzlichen Pflichtaufgabe für X übernommen hat.

1. Der Senat geht davon aus, daß die Klägerin vertraglich von X die Durchführung der Aufgaben der Tierkörperbeseitigung übernommen hat, also nicht kraft eigener - gesetzlich zugewiesener - Aufgabe tätig war.

Das FG ist unter Bezugnahme auf das TierKBG 1939, ebenso wie das FA, zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin vertraglich ,,fremde Pflichten" erfülle. Auf das TierKBG 1939 beziehen sich auch die bisherigen Entscheidungen des Senats (vom 31. Januar 1963 V 75/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 180; vom 15. Oktober 1964 V 202/63 U, BFHE 80, 525, BStBl III 1964, 662). Nach § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 TierKBG 1939 können die Stadt- und Landkreise als Aufgabenträger die Tierkörperbeseitigungsanstalten selbst betreiben oder durch vertraglich verpflichtete Unternehmer betreiben lassen. Diese Formulierung läßt die vom FG vertretene Auffassung zu, daß X sich der Klägerin lediglich zur Erfüllung seiner eigenen Pflichten bedient hat. Diese Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ob und inwieweit sich die Rechtslage durch das im Streitjahr geltende TierKBG 1975, insbesondere durch § 4 Abs. 1, geändert hat, kann der Senat offenlassen. Landesrechtliche Vorschriften, nach denen die Aufgabenerfüllung gesetzlich oder auf Grund eines Gesetzes auf die Klägerin übertragen worden sein könnte, hat das FG nicht festgestellt. Da das TierKBG 1975 eine gesetzliche Übertragung nicht zwingend vorsieht und die Klägerin im Verfahren vor dem FG unwidersprochen erklärt hat, der Vertrag vom 1. März 1972 sei nicht an das TierKBG 1975 angepaßt worden, kann der Senat im Streitfall davon ausgehen, daß eine solche gesetzliche Übertragung nicht erfolgt ist. Im übrigen sieht das Ausführungsgesetz zum Tierkörperbeseitigungsgesetz - AGTierKBG - Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein vom 6. Januar 1978, S. 8) eine gesetzliche Übertragung auch nicht vor.

2. Die Klägerin hat demnach mit der Übernahme der Tierkörperbeseitigung vom Aufgabenträger (dessen Pflichtaufgabe die Tierkörperbeseitigung gemäß § 5 TierKBG 1939 bzw. § 4 Abs. 1 TierKBG 1975 war) eine sonstige steuerbare und steuerpflichtige Leistung an den Aufgabenträger ausgeführt. Die Klägerin hat es für den Aufgabenträger übernommen, Tierkörper und Tierkörperteile unschädlich zu beseitigen. Sie hat sich damit zu einer nachhaltigen Leistungstätigkeit an den Aufgabenträger verpflichtet.

Steuerbare Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 führt ein Unternehmer aus, wenn sich seine Leistung auf den Erhalt einer (möglichen) - in der Regel vereinbarten - Gegenleistung richtet (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Das gilt auch, wenn ein privater Unternehmer Aufgaben kommunaler Gebietskörperschaften gegen Entgelt übernimmt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. August 1989 V R 154/84, BFH/NV 1990, 398, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1990, 147).

Daß die Klägerin die sonstige Leistung (Durchführung der übernommenen Aufgaben) gegenüber dem Aufgabenträger zum Zweck der Entgeltserzielung ausführte, ergibt sich aus dem genannten Vertrag vom 1. März 1972, demzufolge der Aufgabenträger der Tierkörperbeseitigungsanstalt unter dort näher bezeichneten Voraussetzungen einen ,,Betriebszuschuß" zu zahlen hatte.

3. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 gehört zum Entgelt für die Leistung alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Zahlungen von X als Leistungsempfänger an die Klägerin sind unabhängig von ihrer Bezeichnung Entgelt für die jeweilige sonstige Leistung (vgl. Entscheidung des BFH in HFR 1964, 180; BFHE 80, 525, BStBl III 1964, 662).

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 200

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