Leitsatz (amtlich)

Scheidet aus einer von Vater und Sohn gebildeten Kommanditgesellschaft der Vater durch Tod aus und geht auf Grund einer sog. qualifizierten Nachfolgeklausel das Eigentum an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücken auf den Sohn über, so sind auf diesen Vorgang die Befreiungsvorschriften des § 6 Abs. 2, 4 und des § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG anzuwenden.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, § 3 Nr. 6 S. 1, § 6 Abs. 2, 4; BGB § 738 Abs. 1; HGB § 105 Abs. 2, §§ 142, 161 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Kommanditist, sein Vater Komplementär einer am 8. Juli 1958 gegründeten Kommanditgesellschaft (KG). Zu deren Vermögen gehörten zwei in Berlin gelegene Grundstücke. Im Gesellschaftsvertrag war vereinbart, daß beim Tode des Vaters "die Firma mit Aktiven und Passiven" auf den Kläger übergehe, dieser sie als Einzelfirma weiterführe und "in den Nachlaß den Kapitalanteil zum Buchwert, also ohne Ansatz eines Firmenwerts oder stiller Reserven, zu vergüten" habe. Am 8. April 1960 starb der Vater. In seinem Testament hatte er den Kläger und dessen drei Schwestern als Erben zu gleichen Teilen bestimmt, außerdem angeordnet, daß die Schenkung an den Kläger anläßlich dessen Aufnahme in die KG sowie der Bewertungsvorteil, der ihm dadurch zufalle, daß er seinen (des Vaters) Anteil an der KG zum Buchwert erhalte, nicht auszugleichen sei. Am 16. September 1963 wurde der Kläger als Eigentümer der bisher auf den Namen der KG eingetragenen Grundstücke im Grundbuch eingetragen.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA), ging davon aus, daß "infolge des Todes des Erblassers ... die KG aufgelöst worden" sei und "die zum Vermögen der KG gehörenden Grundstücke ... kraft Gesetzes" auf den Kläger übergegangen seien. Dieser Vorgang unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Er sei nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Diese Vorschrift sei nicht unmittelbar anwendbar, "da hinsichtlich des Erwerbs von Todes wegen und des Grundstückserwerbs keine Identität" bestehe: Den Anteil an der KG habe der Kläger vom Erblasser, die Grundstücke dagegen von der KG erworben. Der BFH habe zwar auf Fälle dieser Art die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG entsprechend angewandt und das Merkmal "Grundstückserwerb von Todes wegen" i. S. von "durch Todesfall veranlaßt" ausgelegt, um die doppelte Belastung eines Steuerptlichtigen mit Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer auszuschließen (z. B. Urteil vom 25. November 1964 II 130/63 U, BFHE 81, 478, BStBl III 1965, 173). Dieser Auslegung sei aber nicht zu folgen, da sie gegen den klaren Wortlaut der Vorschrift verstoße und sich "in Fällen der vorliegenden Art die Frage der Doppelbesteuerung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer überhaupt nicht in dieser Form" stelle. Die Grunderwerbsteuer könne auch nicht gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe des Anteils unerhoben bleiben, zu dem der Kläger am Vermögen der KG beteiligt gewesen sei. Denn diese Steuervergünstigung gelte gemäß § 6 Abs. 4 GrEStG nicht, weil der Kläger "den Anteil erst im Jahre 1958 ... erworben und ... daher noch nicht fünf Jahre besessen" habe. Das FA setzte die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 22. November 1962 auf 2 244,20 DM fest; den Einspruch wies es zurück.

Auf die Berufung hob das FG die Einspruchsentscheidung und den zugrunde liegenden Steuerbescheid auf. Der Erwerb der beiden Grundstücke unterliege zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer, sei aber gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Das FG teile nicht die Bedenken des FA gegen die Rechtsprechung des BFH zu § 3 Nr. 2 GrEStG, sondern schließe sich dieser Rechtsprechung an, da sie zu vernünftigen Ergebnissen führe und sowohl mit dem Wortlaut als auch mit dem Sinn und Zweck des GrEStG in Einklang stehe.

Seine Revision stützt das FA darauf, daß das angefochtene Urteil auf einer Verletzung des § 3 Nr. 2 und des § 6 GrEStG beruhe. Es wiederholt im wesentlichen seine bisher vertretene Rechtsansicht und bemängelt, daß das FG sich nicht mit dem Urteil des BGH vom 22. November 1956 II ZR 222/55 (BGHZ 22, 186) auseinandergesetzt habe. Es räumt ein, daß - falls man der vom BFH im Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63 (BFHE 95, 292, 300 BStBl II 1969, 400) vertretenen Ansicht folge - die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils unerhoben bleiben könne, zu dem der Kläger bisher am Vermögen der KG beteiligt gewesen sei, nämlich zu einem Viertel. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die gesellschaftsvertragliche Übernahmevereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Vater (sog. "qualifizierte Nachfolgeklausel") hatte zur Folge, daß mit dessen Tode die zum Gesellschaftsvermögen der KG gehörenden Gegenstände auf den Kläger übergingen, ohne daß es rechtsgeschäftlicher Übertragungshandlungen bedurfte (sog. Anwachsung; vgl. § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 2, § 142 HGB, § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB; BGH-Urteil vom 9. Juli 1968 V ZR 80/66, BGHZ 50, 307, 309, mit weiteren Nachweisen). Der Übergang vollzog sich in der Form, daß die Beteiligung des Vaters an dem bisherigen Gesamthandsvermögen entfiel und dieses unter gleichzeitigem Wegfall der gesamthänderischen Bindung in das Alleineigentum des Klägers überging. Er umfaßte auch die zum Gesamthandsvermögen gehörenden beiden Grundstücke und unterlag deshalb der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, 294, BStBl II 1969, 400).

Die Steuer für den Übergang der beiden Grundstücke von der Gesamthand in das Alleineigentum des Klägers durfte zu einem Viertel nicht erhoben werden, weil der Kläger in Höhe dieses Anteils am Vermögen der KG beteiligt war (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Diese Steuervergünstigung war nicht etwa deshalb gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ausgeschlossen, weil der Kläger seinen Anteil erst am 8. Juli 1958, also weniger als fünf Jahre vor dem Erwerbsvorgang (8. April 1960) erworben hatte. Denn da sein Anteil an der KG im Zeitpunkt des Erwerbs unverändert seinem Anteil in dem Zeitpunkt entsprach, in dem die KG das Grundstück erworben hatte, war die insoweit einschränkend auszulegende Vorschrift des § 6 Abs. 4 GrEStG nicht anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400).

Darüber hinaus war der Übergang des Eigentums an den beiden Grundstücken auf den Kläger gemäß § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung ausgenommen "der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind". Veräußerer war die KG. Mit ihr konnte zwar der Kläger, formal gesehen, nicht verwandt sein. Es entspricht aber dem Sinn der Vorschrift, den Übergang der beiden Grundstücke in das Alleineigentum des Klägers insoweit steuerfrei zu lassen, als der Vater am Vermögen der KG beteiligt war, nämlich zu drei Vierteln (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, 298, BStBl II 1969, 400). Bei dieser Sach- und Rechtslage kann unentschieden bleiben, ob der Erwerbsvorgang nicht auch gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1964 II 130/63 U, BFHE 81, 478, BStBl III 1965, 173), und es bedarf keiner Auseinandersetzung mit dem vom FA angeführten BGH-Urteil vom 22. November 1956 II ZR 222/55 (BGHZ 22, 186), das sich mit der Erbfolge nach dem Tode des Gesellschafters einer Offenen Handelsgesellschaft befaßt, wenn mehrere Miterben den Verstorbenen beerben und nur einer von diesen als Nachfolger des Verstorbenen im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71572

BStBl II 1975, 887

BFHE 1976, 563

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