Entscheidungsstichwort (Thema)

Schauauftritte eines Formationstanzclubs als Zweckbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Eine sportliche Veranstaltung i.S. des § 68 Nr.7 Buchst.b AO 1977 a.F. kann auch dann vorliegen, wenn ein Sportverein im Rahmen einer anderen Veranstaltung eine sportliche Darbietung präsentiert. Die andere Veranstaltung braucht nicht notwendigerweise die sportliche Veranstaltung eines Sportvereins zu sein.

 

Normenkette

UStG 1973 § 12 Abs. 2 Nr. 8; UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 8; AO 1977 § 68 Nr. 7 Buchst. b, § 67a

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.09.1989; Aktenzeichen 8/15 K 427/85 U)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde 1976 gegründet; zum 31. Januar 1985 beendete er seine sportlichen Aktivitäten. Nach § 2 der Satzung bestand sein Zweck im Betreiben von Leistungstanzsport und der Nachwuchsförderung, insbesondere für den Formationstanz. Der Kläger nahm an Regional- und Bundesligaturnieren teil. Er beteiligte sich an nationalen und internationalen Meisterschaften. Er führte außerdem gegen Entgelt Schauauftritte durch. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Schauauftritte als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und unterwarf die entsprechenden Umsätze dem normalen Steuersatz.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt: Die Umsätze des Klägers seien gemäß § 12 Abs.2 Nr.8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 ermäßigt zu besteuern. Die Schauauftritte des Klägers stellten Leistungen dar, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgten. Mit den Schauauftritten übe der Kläger einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung --AO 1977--) in Form eines Zweckbetriebs (§ 65 AO 1977) aus. Auch die Schauauftritte beständen in der Ausübung des Tanzsports; die Schauauftritte hätten den Zweck gehabt, die aktiven Vereinsmitglieder (die Formationstänzer) auf Ligaturniere und Meisterschaften vorzubereiten. Zudem habe jeder Schauauftritt von dem zuständigen Tanzsportverband genehmigt werden müssen; diese Genehmigung sei nur erteilt worden, wenn der Verein auch an Bundesligaturnieren und Meisterschaften teilgenommen habe. Der Kläger habe seinen satzungsmäßigen Zweck nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreichen können. Für den Formationstanz als Leistungssport seien die Schauauftritte unentbehrlich gewesen. Die Schauauftritte seien die einzige Möglichkeit, sich unter wettkampfartigen Bedingungen auf die Wettbewerbe vorzubereiten. Dieses Training habe nicht durch sog. Einladungsturniere (Turniere ohne Wettkampfcharakter) erreicht werden können. Solche Turniere könnten aus sportlichen und kostenmäßigen Gründen nicht durchgeführt werden. Es sei nicht ersichtlich, daß der Kläger durch seine Schauauftritte zu nichtbegünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang in Wettbewerb getreten sei; eine Konkurrenzsituation sei mangels der Existenz von rein professionellen Tanzformationen dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nicht denkbar.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 65 AO 1977:

Die Voraussetzungen des § 65 Nr.1 AO 1977 lägen nicht vor. Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, daß der Kläger mit den Schauauftritten unmittelbar den Zweck des Vereins, nämlich das Betreiben von Leistungssport, verfolgt habe. In erster Linie hätten die Auftritte dazu gedient, mit den damit erzielten Einnahmen die Ausgaben des Vereins im ideellen Bereich zu decken.

Es sei nicht erkennbar, daß Schauauftritte das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks gewesen seien; dieser hätte auch durch die Teilnahme an Einladungsturnieren erfüllt werden können.

Das FG habe zu Unrecht angenommen, daß der Kläger durch seine Schauauftritte zu nichtbegünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb trete.

Auf den Hinweis, daß die Schauauftritte sportliche Veranstaltungen i.S. des (vorrangigen) § 68 Nr.7 Buchst.b AO 1977 a.F. gewesen sein könnten, hat das FA ausgeführt:

§ 68 AO 1977 gehe § 65 AO 1977 als speziellere Vorschrift vor. Im Hinblick auf § 65 Nr.3 AO 1977 dürfe bei der Beurteilung der Frage, ob bestimmte Aktivitäten eines Sportvereins als sportliche Veranstaltungen i.S. des § 68 Nr.7 Buchst.b AO 1977 a.F. zu beurteilen seien, der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht über den eigentlichen Wortsinn hinaus ausgedehnt werden. Nach allgemeinem Sprachgebrauch könnten als sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins nur die von einem Sportverein selbst initiierten und durchgeführten Veranstaltungen verstanden werden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des --vorrangigen-- § 68 Nr.7 Buchst.b AO 1977 a.F. vorliegen.

1. § 68 AO 1977 in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung enthält einen gesetzlichen Katalog einzelner Zweckbetriebe und geht als spezielle Norm der Regelung des § 65 AO 1977 vor. Gemäß § 68 Nr.7 Buchst.b AO 1977 a.F. kommen insbesondere auch sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins als Zweckbetrieb in Betracht. Ein Zweckbetrieb ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der die Voraussetzungen des § 65 AO 1977 erfüllt. § 14 AO 1977 definiert den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb --neben weiteren Merkmalen-- als Tätigkeit, durch die Einnahmen erzielt werden.

Zu den sportlichen Veranstaltungen gehören alle Veranstaltungen, bei denen aktive Sportler Sport treiben (vgl. Scholtz in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4.Aufl. 1993, § 67a Rdnr.7; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 67a, Anm.4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 14.Aufl., § 67a AO 1977, Tz.2). Angesichts des weiten (tätigkeitsbestimmten) Begriffs des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der nicht auf eine bestimmte Organisation, sondern auf eine Tätigkeit abstellt, ist es nicht erforderlich, daß der Sportverein selbst Organisator ist und es sich um eine eigene Veranstaltung des Vereins handelt. Eine sportliche Veranstaltung kann daher auch dann vorliegen, wenn ein Sportverein im Rahmen einer anderen Veranstaltung eine sportliche Darbietung präsentiert. Die andere Veranstaltung braucht nicht notwendigerweise die sportliche Veranstaltung eines Sportvereins zu sein.

2. Der Senat kann nicht mit der gebotenen Sicherheit und Eindeutigkeit abschließend beurteilen, ob die Schauauftritte als sportliche Veranstaltungen anzusehen sind (zur Definition des Begriffs "Sport" vgl. Frotscher, a.a.O., § 52 Anm.12 a; Tipke/Kruse, a.a.O., § 52 AO 1977, Tz.20). Aus den vom FG getroffenen Feststellungen geht nicht hervor, wie die einzelnen Schauauftritte, insbesondere deren Art und Ablauf, beschaffen waren. Ebensowenig kann der Senat beurteilen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 68 Nr.7 AO 1977 a.F. vorliegen; auch dazu fehlen die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 77

BStBl II 1994, 886

BFHE 175, 1

BFHE 1995, 1

BB 1994, 1851

BB 1994, 1851 (L)

DB 1994, 2012 (L)

DStR 1994, 1612-1613 (KT)

DStZ 1994, 668 (KT)

HFR 1994, 642-643 (LT)

StE 1994, 560 (K)

WPg 1995, 51 (L)

StRK, R.6 (LT)

BuW 1994, 676 (K)

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