Leitsatz (amtlich)

1. Eine aus einer Tätigkeit bestehende sonstige Leistung wird im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird. Der Ort, wo das Vertragsziel erreicht wird, ist in diesem Falle für die Frage nach dem Ort der Leistung ohne Bedeutung.

2. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist auch dann nicht frei widerruflich, wenn sich nach dem Verzicht die Prozeßlage wesentlich verändert hat.

 

Normenkette

UStG 1967 § 3 Abs. 10; FGO § 90 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 1968 u. a. ... DM Einnahmen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) aus dem ersten Halbjahr 1968 erfaßt und der Besteuerung zugrunde gelegt, die sie aus Anzeigenumsätzen erzielt hatte. Es handelt sich um Werbeanzeigen in- und ausländischer Auftraggeber, die die Klägerin als Verleger und Herausgeber der Zeitschriften "..." und "..." in diese Zeitschriften aufgenommen hatte. Die Zeitschriften erscheinen monatlich in englischer Sprache, sie werden im Inland gedruckt und versandfertig gemacht und ausschließlich an ausländische Abnehmer ausgeliefert.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß diese Umsätze im Ausland ausgeführt und daher nicht steuerbar sind.

Mit der Sprungklage hatte sie Erfolg. Das FG vertrat unter Bezugnahme auf die Urteile des Senats vom 15. Februar 1968 V 127/64 (BFHE 92, 50); 28. April 1960 V 86/ 57 U (BFHE 71, 83, BStBl III 1960, 278); 28. November 1957 V 235/57 U (BFHE 66, 319, BStBl III 1958, 122); 26. November 1953 V 138/53 U (BFHE 58, 397, BStBl III 1954, 63); 29. August 1963 V 283/60 HFR 1964, 103, StRK, Umsatzsteuergesetz 1951, § 5 Abs. 1, Rechtsspruch 44); 10. März 1966 V 7/63 (BFHE 85, 257, BStBl III 1966, 302); 17. Juli 1969 V 93/65 (BFHE 96, 433, BStBl II 1969, 693); 9. Juli 1970 V R 18/66 (BFHE 99, 500, BStBl II 1970, 710); 16. Juli 1970 V R 95/66 (BFHE 99, 429, BStBl II 1970, 706) und vom 27. Mai 1971 V R 34/68 (BFHE 103, 96, BStBl II 1971, 755) die folgende Auffassung:

Für die Beantwortung der Frage nach dem Ort der Leistung komme es auf den Inhalt der Leistung an; dieser sei beim Anzeigengeschäft der Anzeigendruck und die "Anzeigenvertreibung". Hierzu gehöre, daß der Abnehmer der Zeitschrift die Anzeige zu Gesicht bekomme. "Es kann also nur der Ort als Leistung in Betracht kommen, an dem dieses Vertragsziel verwirklicht wird, also der Ort, an dem sich die Anzeigen auswirken können oder tatsächlich auswirken." Diese Wirkung ("Werbewirkung") liege im vorliegenden Fall ausschließlich im Ausland.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des FA. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 10 UStG 1967) und ist insbesondere der Auffassung, daß in Fällen der vorliegenden Art die Werbewirkung der Anzeige nicht zum Inhalt der Leistung gehöre.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise (sinngemäß), die Umsatzsteuer 1968 um ... DM herabzusetzen.

Sie teilt im wesentlichen die Auffassung des FG und trägt ergänzend folgendes vor:

Das inzwischen ergangene Urteil des Senats vom 19. Juli 1973 V R 62/68 (BFHE 110, 70, BStBl II 1973, 751) sei nicht einschlägig, weil im vorliegenden Falle die Leistung der Klägerin eher als Vermittlungsleistung im Sinne der Ausführungen in dem Urteil des Senats V 127/64 anzusehen sei. Diese werde aber nach dem vorgenannten Urteil dort ausgeführt, wo sie sich auswirke. Von dieser Entscheidung, die noch in dem Urteil des Senats V R 34/68 erwähnt werde, sei der Senat bisher nicht abgerückt und habe auch nicht abrücken wollen. Andererseits habe das Urteil V 235/57 U für die Entscheidung nicht die Bedeutung, die ihm der Senat in dem Urteil V R 62/68 beigemessen habe. Denn es sei in dem erstgenannten Urteil lediglich darum gegangen, ob die Leistung des Unternehmers als Lieferung oder sonstige Leistung anzusehen sei, weil die Inanspruchnahme der Großhandelsvergünstigung streitig gewesen sei. Schließlich sei durch die Änderung des § 3 Abs. 10 UStG 1967 durch das StÄndG 1973 (BStBl I 1973, 545) klargestellt worden, daß die der Werbung dienenden Leistungen dort ausgeführt würden, wo die Werbung von den Adressaten überwiegend wahrgenommen werde.

Hilfsweise macht die Klägerin darauf aufmerksam, daß die USt für die in Rede stehenden Umsätze jedenfalls insofern falsch berechnet worden sei, als der Berechnung das Entgelt einschließlich der USt zugrunde gelegt worden sei. Um den entsprechenden Steuerbetrag müsse die im Umsatzsteuerbescheid 1968 festgesetzte USt mindestens gekürzt werden. Dies habe sie bereits vor dem FG vorgetragen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Aufnahme von Inseraten in die beiden von der Klägerin herausgegebenen Zeitschriften ist jeweils eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 8 UStG 1967. Diese sonstigen Leistungen bestehen ausschließlich aus einem positiven Tun der Klägerin. Eine aus einer Tätigkeit bestehende sonstige Leistung wird im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird (§ 3 Abs. 10 UStG 1967; insoweit unverändert im Verhältnis zu § 7 Abs. 2 UStDB 1951). Wie der Senat bereits in dem Urteil V R 62/68 unter Bezugnahme auf das Urteil V 235/ 57 U ausgeführt hat, besteht der Inhalt der Leistung des Unternehmers im Anzeigengeschäft darin, daß eine nach Inhalt, Form, Ausmaß und anderen Merkmalen näher bestimmte Anzeige in die von ihm herausgegebene Zeitung oder Zeitschrift eingerückt (Druck) und diese Drucksache an die Abonnenten oder sonstigen Abnehmer ausgeliefert wird. Daß das letztgenannte Urteil zur Frage der Inanspruchnahme von Großhandelsvergünstigungen ergangen ist, ändert nichts an der darin enthaltenen zutreffenden Beurteilung des Inhalts der Leistung beim Anzeigengeschäft. Zu Unrecht ist das FG bei der Frage nach dem Inhalt der Leistung unter Berufung auf das Urteil V 127/64 davon ausgegangen, daß auch bei sonstigen Leistungen, die lediglich durch ein Tätigwerden des Unternehmers bewirkt werden, für die Frage nach dem Ort der Leistung darauf abzustellen sei, wo das Vertragsziel verwirklicht wird. Soweit eine solche Auffassung aus dem vorbezeichneten Urteil entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest. In dem Urteil des Senats V R 34/68 ist die vorgenannte Entscheidung nicht zustimmend, sondern als einen anderen Sachverhalt behandelnd, erwähnt. Die übrigen vom FG und der Klägerin in Bezug genommenen Urteile sind nicht einschlägig. Die Urteile des Senats V 7/63, V 86/57 U, V 93/65, V R 95/66 und V R 18/66 behandeln Duldungsleistungen, bei denen die Rechtslage im Hinblick auf den Leistungsort eine andere ist. In den Fällen der Urteile V 138/53 U und V 283/60 hatte der Unternehmer jeweils mehrere Tätigkeiten an verschiedenen Orten ausgeführt, wobei der Senat die Frage, wo der Unternehmer wesentlich tätig war, danach beurteilt hat, welche der Tätigkeiten für den Erfolg entscheidend war.

Da das FG diese Rechtslage verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif.

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin, die sonstige Leistungen ausgeführt hat, ausschließlich im Inland tätig geworden. Ob und wo der Erfolg dieser Tätigkeit eintritt, ist für den Leistungsort in solchen Fällen ohne Bedeutung. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine Ausführungen in dem Urteil V R 62/68.

Falls sich die Änderung der Vorschrift des § 3 Abs. 10 UStG 1967 überhaupt auf Umsätze der hier vorliegenden Art erstrecken sollte, was der Senat für äußerst zweifelhaft hält, folgt die Tatsache, daß es sich nicht um eine Klarstellung handelt, schon aus dem gegenüber den sonstigen Vorschriften unterschiedlichen Inkrafttretenszeitpunkt (§ 27 Abs. 1 und 6 UStG 1973).

Bei den in Rede stehenden Umsätzen handelt es sich daher um im Inland ausgeführte sonstige Leistungen.

Der Klägerin ist jedoch insoweit zuzustimmen, als sie die Berechnung der USt für diese Umsätze beanstandet, weil dieser Berechnung entgegen der Vorschrift des § 10 Abs. 1 UStG 1967 das Entgelt einschließlich der USt zugrunde gelegt worden ist. Die USt war daher entsprechend herabzusetzen.

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO durch Urteil. Beide Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Später hat die Klägerin sodann erneut mündliche Verhandlung beantragt. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist jedoch nicht frei widerruflich (Urteile des BFH vom 26. Oktober 1970 III R 122/66, BFHE 101, 49, BStBl II 1971, 201, und vom 26. November 1970 IV R 131/69, BFHE 101, 61, BStBl II 1971, 241). Die Frage, ob die Tatsache, daß der Senat in der Zwischenzeit einen im wesentlichen gleichgelagerten Fall entschieden hat, eine wesentliche Änderung der Prozeßlage ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da er mit Eyermann-Fröhler (Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 1971, § 101 Anm. 3) der Auffassung ist, daß aus der Natur der Verzichtserklärung ihre Unwiderruflichkeit auch für den Fall einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage folgt. Von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, trotz vorliegender Verzichtserklärungen eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, sieht sich der Senat im Hinblick auf die optimale Vorbereitung der Entscheidung und erschöpfende schriftliche Erörterung des Prozeßstoffes nicht veranlaßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70943

BStBl II 1974, 532

BFHE 1974, 316

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