Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine nachträglichen Anschaffungskosten bei Bürgschaftsübernahme für mittelbare Beteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Übernahme von eigenkapitalersetzenden Bürgschaften für eine Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner nur mittelbar beteiligt ist, führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1-2; HGB § 255 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 24.08.2006; Aktenzeichen 10 K 4703/02; EFG 2006, 1837)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger hielt seit Dezember 1994  98 Prozent des Stammkapitals der F-GmbH; ab Januar 1999 war er deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer. Die F-GmbH war ihrerseits zu 50 Prozent an der P-GmbH beteiligt. In den Jahren 1998 und 1999 übernahm der Kläger für die P-GmbH zwei Höchstbetragsbürgschaften über insgesamt 300 000 DM. Hieraus wurde der Kläger in Höhe von insgesamt 144 849,72 DM in Anspruch genommen. Ende Dezember 1999 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der F-GmbH.

In seiner Einkommensteuerklärung für das Streitjahr 1999 machte der Kläger die Aufwendungen für seine Inanspruchnahme aus den Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Aufwendungen nicht. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1837, veröffentlichten Urteil statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften für Verbindlichkeiten der P-GmbH seien nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der F-GmbH zu beurteilen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Unrecht die Aufwendungen des Klägers für seine Inanspruchnahme aus den Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts i.S. des § 17 Abs. 1 und 2 EStG berücksichtigt.

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 Prozent unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Veräußerungsgewinn i.S. dieser Vorschrift ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; zu Einlagen und Nachschüssen vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 62/93, BFHE 194, 130, BStBl II 2001, 234; siehe zum Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten auch Döllerer, Finanz-Rundschau 1992, 233, 234). Dazu rechnen Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817; zu § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG: BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286). Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (BFH-Urteil in BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817).

2. Im Streitfall waren die Aufwendungen des Klägers für seine Inanspruchnahme aus den Bürgschaften weder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst noch sind die Voraussetzungen einer (mittelbaren) verdeckten Einlage in das Vermögen der F-GmbH gegeben.

a) Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die Bürgschaftsübernahmen im Streitfall bei der P-GmbH eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt haben können. Die Eigenkapitalersatzregeln gelten auch für den Kläger als Gesellschafter-Gesellschafter der P-GmbH. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den Grundsätzen der Kapitalaufbringung und -erhaltung hat auch der Gesellschafter-Gesellschafter genauso wie der unmittelbare Gesellschafter für die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals einzustehen. Der Gesellschafter-Gesellschafter wird jedenfalls dann einem Gesellschafter gleichgestellt, wenn er einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann, etwa aufgrund einer qualifizierten Anteilsmehrheit (vgl. BGH-Urteil vom 21. November 2005 II ZR 277/03, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2006, 1283, m.w.N., unter III. 2. a; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a, 32b Rz 151). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn der Kläger konnte aufgrund seiner Beteiligung von 98 Prozent bzw. 100 Prozent an der F-GmbH auf die F-GmbH als Gesellschafterin der P-GmbH einen beherrschenden Einfluss ausüben.

b) Die Übernahme von eigenkapitalersetzenden Bürgschaften für eine Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner --wie im Streitfall der Kläger-- nur mittelbar beteiligt ist, führt jedoch nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung. Eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen bei einer mittelbaren Beteiligung sind nicht durch das Gesellschaftsverhältnis mit der unmittelbaren Beteiligungsgesellschaft veranlasst (a.A. Urteil des FG München vom 21. April 2006  8 K 1923/04, EFG 2006, 1244; Dörner in: Die Information über Steuer und Wirtschaft 1999, 646).

aa) Finanzierungsmaßnahmen einer mittelbaren Beteiligung stehen beim Steuerpflichtigen in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften nach § 17 EStG, da die Veräußerung einer mittelbaren Beteiligung nicht der Besteuerung nach § 17 EStG unterliegt. Nur die Veräußerung unmittelbarer Anteilsrechte erfüllt den Tatbestand des § 17 EStG, wie der Vergleich von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 4 EStG zeigt. Eine mittelbare Beteiligung hat allein für die Frage des Erreichens der Wesentlichkeitsgrenze Bedeutung, da unmittelbare und mittelbare Beteiligungen --nach Maßgabe der rein kapitalmäßig zu bestimmenden Anteilsquoten-- zusammenzurechnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2000 VIII R 41/99, BFHE 192, 273, BStBl II 2000, 686, m.w.N.). Folgerichtig sind auch Aufwendungen auf die mittelbare Beteiligung nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des FG ist deshalb aus dem "Zählwert" einer mittelbaren Beteiligung für die Frage der Wesentlichkeit der unmittelbaren Beteiligung nicht zu folgern, dass eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen bei einer mittelbaren Beteiligung steuerrechtlich wie bei einer unmittelbaren Beteiligung zu behandeln sind.

bb) Eine mittelbare Beteiligung dient überdies nicht dem Steuerpflichtigen, sondern nur der unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft zur Einkünfteerzielung; ein Durchgriff auf diese Gesellschaft kommt nicht in Betracht.

Eine Kapitalgesellschaft ist ein selbständiges Steuersubjekt (vgl. § 1 des Körperschaftsteuergesetzes), das die von ihr aus der Beteiligung erzielten Einkünfte unabhängig vom Gesellschafter zu versteuern hat (sog. Trennungsprinzip). Der Anteilseigner hat unmittelbar keinen Gewinn aus der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft zu versteuern (BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 64/05, BFHE 217, 497, BStBl II 2007, 639, m.w.N.). Diese Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern bewirkt, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, unter C. III. 1. b). Die (unmittelbare) Beteiligung des Anteilseigners erlangt steuerrechtlich erst Bedeutung, wenn die Kapitalgesellschaft an ihn Ausschüttungen vornimmt, die der Gesellschafter dann als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern hat, oder wenn der Gesellschafter seine Beteiligung veräußert und der Veräußerungsgewinn steuerbar ist.

c) Die Übernahme der Bürgschaften für die P-GmbH hat auch nicht zu verdeckten mittelbaren Einlagen in die F-GmbH geführt.

Zwar liegen zwei mittelbare Einlagen vor, wenn der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft I, welche Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft II ist, der Kapitalgesellschaft II Vermögensvorteile gewährt, die geeignet sind, Gegenstand einer verdeckten Einlage zu sein (BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 159/85, BFHE 148, 246, BStBl II 1987, 257). Gegenstand einer verdeckten Einlage kann jedoch nur eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuwendung eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils sein, die nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entspricht. Weder durch die Übernahme der Bürgschaft noch durch die Leistung des Bürgen an den Gläubiger wird das bilanzierungsfähige Vermögen der Gesellschaft vermehrt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, m.w.N.). Auch der Ausfall der Regressforderung aus einer eigenkapitalersetzenden Bürgschaft führt nicht zu einer verdeckten Einlage (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VIII R 27/00, BFHE 197, 483, BStBl II 2002, 733).

d) Entgegen der Auffassung des FG sind im Streitfall die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften auch nicht deshalb als nachträgliche Anschaffungskosten zu beurteilen, weil ein Verzicht des Klägers auf seine Rückgriffsforderung gegen die F-GmbH (vgl. § 774 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu zwei mittelbaren verdeckten Einlagen geführt hätte; denn diese wären nur in Höhe des Teilwerts der Forderungen erfolgt (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307). Die Regressforderungen waren aber nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wertlos.

3. Die Sache ist spruchreif. Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften für die P-GmbH sind nicht als Anschaffungskosten der Beteiligung des Klägers an der F-GmbH zu berücksichtigen. Die Klage ist daher abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1982124

BFH/NV 2008, 1039

BFH/PR 2008, 342

BStBl II 2008, 575

BFHE 2008, 446

BFHE 220, 446

DB 2008, 1129

DStR 2008, 965

DStRE 2008, 721

HFR 2008, 705

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