Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wann bewegt sich die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften auf gesellschaftsrechtlicher und wann auf betrieblicher Grundlage?

 

Normenkette

KStG § 15

 

Tatbestand

Die X.-AG (Beschwerdeführerin - Bfin. -) hat ein Grundkapital von 375 000 DM. Von diesem Betrag befanden sich bis zum 31. Dezember 1950 226 600 DM im Besitze der Y.-AG. Die beiden Gesellschaften schlossen unter dem 10. Dezember 1950 einen Verschmelzungsvertrag ab, der u. a. folgendes enthielt:

§ 1 "Das Vermögen der Y.-AG geht vom 1. Januar 1951 ab als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf die X.-AG über. Eine Liquidation des Vermögens der Y.-AG findet nicht statt.

§ 2 Die Y.-AG besitzt an der X.-AG Aktien in Höhe von nom. 226 600 DM.

Das Grundkapital der Y.-AG beträgt 225 000 DM. ...

Anstelle dieser Aktien treten die Aktien von 226 000 DM, welche die Y.-AG an der X.-AG besitzt. Sie werden kosten- und steuerfrei gegen Zurverfügungstellung der obengenannten Aktien an der Y.-AG zugeteilt".

Es folgen die Namen der Gesellschafter der Y.-AG. Zur Durchführung des Vertrages wurde von der Y.-AG eine Fusionsbilanz zum 31. Dezember 1950 aufgestellt, die zusammengefaßt wie folgt lautet:

Aktiva: - - - - - - - - - Passiva: Anlagevermögen - 97 060 DM Grundkapital 225 000 DM Beteiligung X.-AG 226 600 DM Versteuerte - - - - - - - - - - - - - - Rücklagen - - 35 260 DM Umlaufvermögen - 125 690 DM Rückstellungen 9 340 DM ---------------------------- Verbindlichkeiten ------------------------------------------- 180.000 DM Abgrenzungen - - - - 390 DM Abgrenzungen - - 140 DM - - - - - - - - 449 740 DM - - - - - - - 449 740 DM.Das Finanzamt hat die Verbindlichkeiten um 8 000 DM herab= gesetzt und die versteuerten Rücklagen um den gleichen Betrag erhöht, so daß nunmehr bei unveränderter Bilanzsumme die versteuerten Rücklagen mit 43 260 DM und die Verbindlichkeiten mit 172 000 DM ausgewiesen wurden.

Die Vorinstanzen waren der Ansicht, daß bei der Bfin. ein Fusionsgewinn entstanden sei, den sie mit 43 260 DM abzüglich 1 600 DM (Differenz des Nennwertes der gewährten und eingezogenen Aktien) = 41 660 DM errechneten. Sie unterwarfen diesen Gewinn der Besteuerung. Demgegenüber ist die Bfin. der Ansicht, daß es sich um einen steuerfreien Betrag handle.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 10. Dezember 1950 geht das Vermögen der Y.-AG auf die Bfin. als Ganzes über. Diese Verschmelzung ist keine Verschmelzung nach § 233 des Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (AktG). Hiernach kann eine Verschmelzung durch Aufnahme und durch Neubildung vorgenommen werden. Beide Arten der Verschmelzung setzen voraus, daß den Gesellschaftern der untergehenden AG gegen Hingabe ihrer eigenen Anteile Anteile an der aufnehmenden bzw. neugebildeten AG gewährt werden. Eine Verschmelzung ist auch dann möglich, wenn die aufnehmende AG auf ihrem Beteiligungskonto die sämtlichen Anteile der aufzunehmenden Gesellschaft besitzt und im Wege der Umwandlung das Vermögen der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft überführt wird.

Im Streitfall haben sich die Aktien, die den Gesellschaftern der Y.-AG zur Verfügung gestellt worden sind, im Besitz der untergehenden Gesellschaft und damit mittelbar im Besitz der Aktionäre der Y.-AG befunden. Wirtschaftlich betrachtet ist das Vermögen der Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft, nicht umgekehrt, eingebracht worden.

Für die rechtliche Beurteilung einer Verschmelzung bei der aufnehmenden oder neugebildeten Gesellschaft ist es von entscheidender Bedeutung, ob sie sich auf gesellschaftsrechtlicher oder betrieblicher Grundlage bewegt. Ein Betriebsvorgang, der zu Gewinn und Verlust führen kann, ist dann gegeben, wenn die übernehmende Gesellschaft Werte aus ihrem Beteiligungskonto dazu verwendet, die Gesellschafter der untergehenden Gesellschaft abzufinden, oder wie bereits oben dargestellt, mit Hilfe dieser Anteile die Tochtergesellschaft umzuwandeln. Den letzteren Vorgang behandeln die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 353/42 vom 27. Oktober 1943 - Slg. Bd. 54 S. 1, Reichssteuerblatt (RStBl) 1944 S. 194 - und das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 1/50 S vom 26. Juni 1950 - Slg. Bd. 54 S. 492, Steuerrechtsprechung in Karteiform, D-Markbilanzgesetz § 45 Rechtsspruch 1 - (siehe das Gutachten unter 1c). In einem derartigen Falle entsteht ein Verschmelzungsgewinn bzw. Verschmelzungsverlust in Höhe des Unterschiedes des Ansatzes der Beteiligung und des Buchwertes der übernommenen Werte. Das gleiche Ergebnis liegt dort vor, wo die aufnehmende Gesellschaft eigene Anteile auf dem freien Markt kauft und diese mit den Gesellschaftern der untergehenden Gesellschaft gegen ihre Anteile tauscht.

Auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage bewegt sich eine Verschmelzung, wenn die Anteile, die den Gesellschaftern der untergehenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, aus einer Kapitalerhöhung stammen. In diesem Falle sind die Grundsätze der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 94/23 vom 30. Juni 1923 (Slg. Bd. 12 S. 306) anzuwenden. Der bei der Neuausgabe von Aktien für einen höheren als den Nennbetrag erzielte sogenannte Agio-Gewinn ist nicht körperschaftsteuerpflichtig. Er stellt eine Einlage der neuen Gesellschafter dar, die den Gewinn nicht beeinflussen kann. Siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 22/34 vom 24. April 1934, RStBl 1934 S. 766.

Im Streitfall haben sich die Anteile, die den Gesellschaftern der untergehenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind, bereits im Besitz der Y.-AG und damit mittelbar im Besitz ihrer Aktionäre befunden. Wirtschaftlich betrachtet ist das Vermögen der Muttergesellschaft von der Beteiligung an der Tochtergesellschaft abgesehen, in die Tochtergesellschaft überführt worden, nicht umgekehrt. Die Muttergesellschaft hat in Höhe von 43 260 DM eine Einlage in die Tochtergesellschaft vorgenommen. Sie kann nach den oben dargestellten Grundsätzen den Gewinn der Bfin. nicht erhöhen. Gleichzeitig hat sich die Y.-AG aufgelöst und ihren Aktionären ihren Besitz an den Aktien der übernehmenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt.

Zu einem im wesentlichen gleichartigen Ergebnis käme man auch dann, wenn man annehmen wollte, daß die Y.-AG der übernehmenden Gesellschaft ihre Anteilsrechte in Höhe von 226 600 DM mit der Verpflichtung zur Verfügung gestellt hat, die Verschmelzung durchzuführen. Das hätte zur Folge, daß das Aktienpaket nunmehr bei der Bfin. bilanzmäßig in gleicher Weise zu behandeln wäre wie auf dem freien Markt erworbene Aktien. Es würde sich um eine Einlage des Aktienpaketes in die Tochtergesellschaft handeln. Die Schwierigkeit dieser Konstruktion bestünde allerdings darin, daß der Wert des Aktienpaketes im Nominalbetrag von 226 600 DM und das Verhältnis zu dem Wert der Aktien der Y.-AG in Höhe von 225 000 DM nicht feststeht. Des weiteren käme hinzu, daß die Bfin. wirtschaftlich betrachtet die Aktien in Höhe von 226 600 DM nicht erhalten hat. Es würde sich auch bei dieser Würdigung um einen Vorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage handeln, der in seiner Gesamtheit betrachtet werden müßte. Auch hierbei müßte der Betrag von 43 260 DM im Ergebnis als steuerfreie Einlage angesehen werden.

Unberührt von dieser Betrachtung bleibt die Frage, wie der Vorgang bei den Aktionären der Y.-AG zu behandeln ist, die ihre Gesellschaft liquidiert und hierbei teilweise in die Tochtergesellschaft überführt haben.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur Durchführung der Veranlagung entsprechend den oben angeführten Grundsätzen an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409037

BStBl III 1958, 298

BFHE 1959, 66

BFHE 67, 66

BB 1958, 618

DB 1958, 672

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