Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine Leibrente oder eine dauernde Last

 

Leitsatz (NV)

1. Wiederkehrende Leistungen auf Grund eines Vermögensübertragungsvertrages können nur dann als mit dem Ertragsanteil abziehbare Leibrente oder als vollen Umfangs abziehbare dauernde Last berücksichtigt werden, wenn der Übertragungsvertrag auch tatsächlich durchgeführt worden ist.

2. Die Überlassung einer Wohnung gegen eine Miete kann schon deswegen keine dauernde Last bilden, weil der Vermieter hierfür als Gegenwert die Miete erhält.

 

Normenkette

EStG 1975 § 10 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (Kläger) und sein Bruder erhielten von ihrer Tante mit notariellem Vertrag vom Juli 1974 deren Zweifamilienhausgrundstück übertragen. Die beiden Erwerber versprachen ihrer Tante dafür ein Leibgedinge, das aus einem dinglichen Wohnrecht an der Kellerwohnung des Zweifamilienhauses, Freiheit von Kosten für Strom und Wasser, Leistungen im Krankheits- und Todesfalle, einem Taschengeld von 100 DM monatlich und 1/3 des jährlichen Obstertrages des Grundstücks bestand. Ihr Wohnrecht wurde im Grundbuch eingetragen. Für die übrigen Ansprüche der Tante sollte eine Reallast an dem Grundstück bestellt werden.

Die Tante bewohnte auch nach der Grundstücksübergabe die Erdgeschoßwohnung und weigerte sich, entsprechend dem Vertrag vom Juli 1974 in die Kellerwohnung umzuziehen. Die Übernehmer erklärten sich damit einverstanden, da sie mit ihrer Tante keinen Rechtsstreit führen wollten. Die Tante verzichtete dafür auf das ihr zustehende Taschengeld und auf Leistungen im Krankheitsfall und führte die Mieteinnahmen aus der vermieteten Kellerwohnung an die Übernehmer ab. Die Übernehmer bewohnen das Obergeschoß des Zweifamilienhauses.

Das Belegenheitsfinanzamt rechnete bei seiner gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Zweifamilienhaus für das Streitjahr 1976 den Übernehmern den Nutzungswert der Erd- und Obergeschoßwohnung sowie die Mieteinnahmen aus der Kellerwohnung zu. Der Feststellungsbescheid ist bestandskräftig.

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1976 die Hälfte des vom Belegenheitsfinanzamt für die Erdgeschoßwohnung angesetzten Nutzungswerts (1 800 DM) als dauernde Last geltend. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Überlassung der Erdgeschoßwohnung eine freiwillige Zuwendung i. S. von § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und lehnte den Abzug einer dauernden Last ab.

Seiner zusammen mit seiner Ehefrau erhobenen Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgte, gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt. Die Überlassung der Kellerwohnung an die Tante könne bei den Übernehmern mangels Aufwendungen keine dauernde Last bilden, weil die Tante sich das dingliche Wohnrecht schon im Zuge der Grundstücksübertragung vorbehalten habe. Eine dauernde Last könne auch nicht durch die fehlerhafte Zurechnung der Kellerwohnung bei den Übernehmern in der gesonderten und einheitlichen Feststellung begründet werden. Die Frage nach der steuerlichen Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sei nicht notwendig mit der einer dauernden Last verknüpft. Die Überlassung der Erdgeschoßwohnung könne keine dauernde Last bilden, weil die Übernehmer zwar das Verbleiben ihrer Tante in dieser Wohnung geduldet hätten, dafür aber einen Gegenwert wie ein Vermieter erlangt hätten. Denn die Tante habe als Gegenleistung ihre Rechte aus ihrem Leibgedinge nicht geltend gemacht. Wirtschaftlich betrachtet seien der Anspruch der Übernehmer auf Mietzins und die Ansprüche der Tante aus dem Leibgedinge miteinander verrechnet worden. Damit bildeten das Taschengeld von monatlich 100 DM, die Übernahme der Kosten für Strom und Wasser und die Beteiligung an der Obsternte mit einem geschätzten Wert von jährlich 400 DM eine dauernde Last. Auf den Kläger entfalle hiervon die Hälfte = 800 DM als dauernde Last.

Nachdem das FG die Revision zugelassen hatte, rügt das FA mit seiner Revision Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975. Das FG habe entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sämtliche Leistungen im Rahmen des Leibgedinges einheitlich als dauernde Last beurteilt. Die Barleistungen stellten jedoch eine Leibrente dar.

Die Kläger haben sich der Revision innerhalb der Revisionsfrist angeschlossen. Sie rügen ebenfalls Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975. Auch die schuldrechtliche Überlassung einer Wohnung könne eine dauernde Last bilden.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des FA ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil verletzt § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975, da das FG die Taschengeldleistungen rechtsirrtümlich nicht als Leibrente, sondern als dauernde Last beurteilt hat.

a) Die Vorinstanz ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger und sein Bruder ihrer Tante das in dem Übergabevertrag vom 2. Juli 1974 vorgesehene Taschengeld von 100 DM monatlich erbracht haben. Die Tante schuldete ihnen einen Mietzins dafür, daß sie entgegen dem Übergabevertrag nicht in die ihr auf Grund eines dinglichen Wohnrechts vorbehaltene Kellerwohnung umzog, sondern zusätzlich auch die ihr vertraglich nicht zustehende Erdgeschoßwohnung weiter nutzte. Zur Erfüllung des Anspruchs der Übernehmer auf einen Mietzins für die Erdgeschoßwohnung führte die Tante die von ihr für die Kellerwohnung vereinnahmte Miete an ihre Neffen ab und erklärte sich außerdem mit einer Verrechnung des ihr zustehenden Taschengeldes mit der Miete für die Erdgeschoßwohnung einverstanden. Damit sieht der Senat den Übergabevertrag vom 2. Juli 1974 auch insoweit als tatsächlich durchgeführt an.

b) Das angefochtene Urteil war jedoch aufzuheben, weil es sich - entgegen dem angefochtenen Urteil - bei den Taschengeldzahlungen von 100 DM monatlich um wiederkehrende Leistungen in gleichbleibender Höhe entsprechend einer Leibrente handelt (vgl. zur Unterscheidung Leibrente - dauernde Last BFH-Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Diese dürfen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975 nur mit ihrem Ertragsanteil bei den Sonderausgaben berücksichtigt werden.

2. Die selbständige Anschlußrevision der Kläger ist unbegründet.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, bilden weder die Nutzungsüberlassung der Kellerwohnung noch diejenige der Erdgeschoßwohnung eine dauernde Last i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975.

Bezüglich der Kellerwohnung scheiden wiederkehrende Leistungen der Übernehmer an die Tante schon deswegen aus, weil diese sich hieran ein dingliches Wohnrecht bei der Grundstücksübergabe vorbehalten hat. Die Tante nutzte die Kellerwohnung damit nicht kraft eines abgeleiteten, sondern kraft eines eigenen vorbehaltenen Rechts (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660).

Für die Überlassung der Erdgeschoßwohnung erhielten die Übernehmer einem Vermieter entsprechend eine Gegenleistung, indem die Tante an sie ihre Mieteinnahmen aus der Kellerwohnung abführte und sich mit einer Verrechnung ihres Taschengeldanspruchs einverstanden erklärte. Die Überlassung einer Wohnung gegen eine Miete kann schon deswegen keine dauernde Last bilden, weil der Vermieter hierfür als Gegenwert die Miete erhält.

3. Die Sache geht an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, damit dieses zur Berechnung des Ertragsanteils der Leibrentenleistungen den Beginn der Taschengeldzahlungen und das in diesem Zeitpunkt vollendete Lebensjahr der rentenberechtigten Tante (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG 1975) feststellt.

Sollte der Abzug der Taschengeldzahlungen lediglich mit dem Ertragsanteil noch nicht zu der vom FA beantragten Erhöhung der Einkommensteuer führen, so wird das FG weiter zu prüfen haben, ob dem von ihm vorgenommenen Abzug der anteiligen Obsterträge als dauernde Last entgegensteht, daß die Tante diese Erträge möglicherweise kraft eines eigenen, vorbehaltenen, dinglichen Rechts zieht. Gegebenenfalls würde es dann an laufenden Zuwendungen seitens der Neffen ebenso wie bei der Nutzung der Kellerwohnung auf Grund des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts fehlen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414393

BFH/NV 1986, 600

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