Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung eines Wohnmobils an Versicherungsagentur

 

Leitsatz (NV)

Vermietet eine Ehefrau ein Wohnmobil an eine Versicherungsagentur, an der ihr Ehemann zur Hälfte beteiligt ist, steht ihr der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten zu, wenn sie die von ihr zu übernehmenden laufenden Aufwendungen für das Kfz und den Kapitaldienst für eine Finanzierung des Kaufs aus der Miete und sonstigem eigenem Einkommen bestreiten kann, es sei denn, die Ehegatten verwenden das Fahrzeug im wesentlichen nur privat.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 3 Abs. 1, 9, §§ 10, 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1, § 20

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb am 6. Dezember 1982 für ... (rd.90000)DM zuzüglich offen ausgewiesener Umsatzsteuer von ... DM ein Reisemobil, das sie bereits mit Vertrag vom 22. November 1982 für die Dauer von 72 Monaten gegen eine Monatsrate von ...(rd.1200)DM zuzüglich Umsatzsteuer (... DM) an eine Versicherungsagentur, an der ihr Ehemann und der weitere Gesellschafter B je zur Hälfte beteiligt sind, verleast hatte. Zur Finanzierung des Kaufs nahm sie ein Darlehen in Höhe von ... DM auf, wofür sie jährlich an Zinsen und Tilgung ... DM zu entrichten hatte.

Die Klägerin erklärte für 1982 negative Umsatzsteuer in Höhe von ... DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte im Umsatzsteuerbescheid für 1982 vom 7. August 1984 Umsatzsteuer in Höhe von 0 DM und in der Einspruchsentscheidung nach vorherigem Hinweis in Höhe von ... DM fest.

Die Klage, mit der die Klägerin die Festsetzung negativer Umsatzsteuer für 1982 in Höhe von ... DM begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus: Die Verleasung des Reisemobils an die Versicherungsagentur stelle einen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Ungewöhnlich sei, daß sich die Klägerin zunächst auf die Vermietung eines einzigen, zudem relativ teuren und im Dauerbetrieb störanfälligen Wirtschaftsgutes beschränkt habe. Das Fahrzeug sei außer zu betrieblichen Zwecken der Versicherungsagentur auch zu privaten Urlaubsfahrten der Gesellschafter genutzt worden. Ohne ihre persönlichen Beziehungen zu dem einen Gesellschafter, ihrem Ehemann, hätte die Klägerin von der Anschaffung und Verleasung des Reisemobils abgesehen. Das mit der Vertragsgestaltung angestrebte Ziel sei die Erlangung des Vorsteuerabzugs gewesen, der der Versiche- rungsagentur bei eigener Anschaffung nicht zugestanden hätte.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 42 AO 1977. Sie bringt vor: Die Feststellungen des FG zur Verquickung von betrieblicher und persönlicher Nutzung des Büromobils träfen nicht zu. Sie - die Klägerin - habe bis 1987 insgesamt fünf Wirtschaftsgüter verleast.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat versteht den Revisionsantrag entgegen dem Wortlaut dahin, daß die Klägerin nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung begehrt, sondern - wie bereits im Verfahren vor dem FG - die Festsetzung negativer Umsatzsteuer in Höhe von ... DM. Die Revisionsbegründung macht deutlich, daß die Klägerin ihr ursprüngliches Rechtsschutzziel uneingeschränkt weiterverfolgen will.

2. Die Feststellungen des FG tragen nicht die Beurteilung, § 42 AO 1977 stehe der umsatzsteuerrechtlichen Berücksichtigung des Leasingverhältnisses entgegen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich.

a) Nach § 42 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

b) Die vom FG herangezogenen Umstände rechtfertigen die Anwendung des § 42 AO 1977 nicht. Daß die Klägerin (zunächst) nur einen Gegenstand an die Versicherungsagentur verleaste und daß das Reisemobil einschließlich Umsatzsteuer rd. 90000 DM kostete und störanfällig war, reicht hierfür nicht aus.

Gleiches gilt für die persönlichen Beziehungen der Klägerin zu dem einen Gesellschafter der Versicherungsagentur, ihrem Ehemann. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vermietung von Räumen an den anderen Ehegatten zur Nutzung als Arzt- oder Zahnarztpraxis nur dann mißbräuchlich, wenn der Vermieter-Ehegatte die laufenden Aufwendungen für das Grundstück und den Kapitaldienst nicht aus der Miete und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und deshalb auf zusätzliche Zuwendungen des Arzt-Ehegatten in nicht unwesentlichem Umfang angewiesen ist (Senatsurteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).

So verhält es sich im Streitfall nicht. Die Klägerin konnte den vom FG festgestellten Kapitaldienst ohne weiteres aus den Leasingraten finanzieren.

Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten käme in Betracht, wenn trotz des Leasingvertrags mit der Agentur die Klägerin und ihr Ehemann das Fahrzeug im wesentlichen nur privat verwendet hätten und die Nutzung des Reisemobils für betriebliche Zwecke der Versicherungsagentur und für Privatfahrten des Gesellschafters B nicht ins Gewicht gefallen wäre. Die Verleasung hätte dann dazu gedient, privaten Bedarf der Ehegatten in den unternehmerischen Bereich zu verlagern und dadurch hierfür nicht vorgesehene Steuervorteile zu erlangen.

Das FG hat hierzu keine näheren Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.

Sollte sich dabei ergeben, daß die objektiven Voraussetzungen des § 42 AO 1977 vorgelegen haben, wird sich das FG auch mit der Frage der Mißbrauchsabsicht zu befassen haben (vgl. Senatsurteil vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258).

3. Sollte § 42 AO 1977 der umsatzsteuerrechtlichen Berücksichtigung des Leasingverhältnisses nicht entgegenstehen, wird das FG im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage und die Entstehung der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1, ggf. § 20 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980) auf die Frage einzugehen haben, ob eine Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG 1980) oder eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG 1980) vorlag. Ggf. wird auch zu prüfen sein, ob die vereinbarten Leasingraten niedriger als die sog. Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG 1980) waren. Auf den Vorlagebeschluß des Senats vom 24. Juni 1992 V R 151/84 (BFHE 168, 477) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird verwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418884

BFH/NV 1994, 279

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