Leitsatz (amtlich)

Bei einer Einfuhrhandelsprüfung kann nach den Umständen des Falles die Angabe des Prüfungszeitraums mit "nichtverjährter Zeitraum" hinreichend bestimmt sein.

 

Orientierungssatz

1. Für die Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die unter § 193 Abs. 1 AO 1977 fallen, genügt es im allgemeinen, wenn als Begründung (§ 121 Abs. 1 AO 1977) die Rechtsgrundlage angegeben wird (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Ein Verwaltungsakt ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn sich sein Regelungsinhalt durch Auslegung entnehmen läßt. Bei dieser Auslegung kommt es darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstehen konnte, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden darf (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur). Die Auslegung muß allerdings zu einem klaren Ergebnis führen können d.h. die Regelung des Verwaltungsakts muß so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, daß der Adressat sein Verhalten danach einrichten kann (Lit.).

3. Unklarheiten eines Verwaltungsakts gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. BVerwG-Urteil vom 12.1.1973 VII C 3.71). Die Angabe des Prüfungszeitraums bei einer Einfuhrhandelsprüfung mit "nicht verjährter Zeitraum" muß bei Fehlen besonderer, auf Verkürzung der Steuern hinweisender Zusätze stets im Interesse des Betroffenen einengend dahin ausgelegt werden, daß bei der Bestimmung des Prüfungszeitraums nur die normale kurze Verjährungsfrist zugrunde gelegt werden kann.

4. NV: Eine Einfuhrhandelsprüfung, bei der routinemäßig alle Außenhandelsgeschäfte eines Steuerpflichtigen innerhalb des Prüfungszeitraums überprüft werden sollen, ist nach § 193 Abs. 1 AO 1977 zulässig. Eine Außenprüfung ist auch ein geeignetes Mittel, bei der Klärung "aufgetretener Zweifel an der Richtigkeit der ... ausgestellten Präferenznachweise" mitzuwirken. Die Möglichkeit eines Nachprüfungsersuchens nach Art. 17 des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen EWG/Österreich schließt den Erlaß einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO 1977 nicht aus. Beide Vorschriften haben grundsätzlich einen unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Regelungsinhalt. Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO 1977 und Nachprüfung nach Art. 17 des Protokolls Nr. 3 können sich aber gegenseitig ergänzen. Im Streitfall konnte dahingestellt bleiben, ob es ermessensmißbräuchlich ist, eine Außenprüfung zu dem einzigen Zweck anzuordnen, den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen.

5. NV: Es konnte unentschieden bleiben, ob Steuerbescheide nachträglich und rückwirkend zu vorläufigen Bescheiden geändert werden können.

 

Normenkette

AO 1977 § 119 Abs. 1, § 193 Abs. 1, §§ 196, 165 Abs. 1; BGB §§ 133, 157; AO 1977 § 121 Abs. 1; EWGAbkProt AUT 3 Art. 17

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.09.1983; Aktenzeichen II 93/81 Z)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Großhandelsunternehmen, das sich u.a. mit der Einfuhr und dem Weiterverkauf von Isolier- und Heizungssystemen befaßt. Bis 31.Januar 1980 führte die Klägerin Waren aus Vliesstoffen und Vliesstoffe als Meterware unter Vorlage von Präferenznachweisen aus Österreich ein und ließ diese Waren bei einem dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) unterstehenden Zollamt (ZA) zum freien Verkehr abfertigen. Lieferer der Waren war die Firma X in Österreich. Die Festsetzungsfrist bezüglich der vor 1979 eingeführten Waren ist abgelaufen (§ 169 Abs.2 Nr.1 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Am 5.Dezember 1980 erließ das HZA eine Prüfungsanordnung nach §§ 193 ff. AO 1977 mit dem Prüfungsumfang "Einfuhrhandelsprüfung; insbesondere die Einfuhren von der Fa. X, wegen aufgetretener Zweifel an der Richtigkeit der von dieser Firma ausgestellten Präferenznachweise". Der Prüfungszeitraum wurde mit "nichtverjährter Zeitraum" angegeben. Im Hinblick auf die Zweifel an der Richtigkeit der ausgestellten Präferenznachweise veranlaßte das HZA deren Überprüfung durch die österreichischen Zollbehörden. Diese ergab, daß die Nachweise für eine bestimmte Gruppe der eingeführten Waren zu Unrecht ausgestellt wurden. Aus diesem Grunde wurden von der Klägerin Eingangsabgaben nachgefordert. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Prüfungsanordnung wies die Oberfinanzdirektion zurück.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin hatte keinen Erfolg (Urteil des Finanzgerichts --FG-- vom 21.September 1983 II 93/81 Z, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 319).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Die Prüfungsanordnung nach § 196 AO 1977 ist ein schriftlicher Verwaltungsakt. Er ist wie andere schriftliche Verwaltungsakte nach § 121 Abs.1 AO 1977 "schriftlich zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist". Für die Anordnung einer routinemäßigen Prüfung bei Steuerpflichtigen, die unter § 193 Abs.1 AO 1977 fallen, genügt es im allgemeinen, wenn als Begründung die Rechtsgrundlage angegeben wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, 406, BStBl II 1983, 286, und vom 28.April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, 408, BStBl II 1983, 621). Die Klägerin unterliegt routinemäßig sowohl steuerlichen als zollrechtlichen Außenprüfungen. Das HZA hat auch im Bescheid die Rechtsgrundlage angegeben.

II. Die Finanzbehörde ist verpflichtet, in der Prüfungsanordnung den Umfang der Außenprüfung zu bestimmen (§ 196 AO 1977). Zum Umfang der Außenprüfung rechnet auch deren Umfang in zeitlicher Hinsicht. Die Prüfungsanordnung muß also auch den Zeitraum bezeichnen, auf den sich die Prüfung erstrecken soll (vgl. z.B. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., Stand November 1985, § 196 AO 1977 Anm.84). Diese Bezeichnung muß die Anforderungen des § 119 Abs.1 AO 1977 (*= § 37 Abs.1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes --VwVfG--) erfüllen, d.h. inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Angabe "nichtverjährter Zeitraum" in der streitbefangenen Prüfungsanordnung genügt bei den besondern Umständen des vorliegenden Falles diesen Anforderungen (anderer Ansicht offenbar Schick, a.a.O., Anm.86, der sich von der Auffassung distanziert, die das FG in der durch das vorliegende Urteil bestätigten Vorentscheidung vertreten hat).

1. Der Senat teilt nicht die Auffassung, die die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung vertreten hat, nur eine Eingrenzung des Prüfungszeitraums durch die Angabe genauer Daten erfülle das Gebot hinreichender Bestimmtheit. Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß ein Verwaltungsakt auch dann hinreichend bestimmt ist, wenn sich sein Regelungsinhalt durch Auslegung entnehmen läßt. Bei dieser Auslegung kommt es nach den entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstehen konnte, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden darf (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25.August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, 100, BStBl II 1982, 34; vom 26.August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, 354, BStBl II 1983, 23, und vom 17.Oktober 1985 IV R 187/83, BFHE 144, 400 bestimmt; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3.Aufl., § 37 Anm.5; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2.Aufl., § 37 Anm.9, ebenso wie bei Kopp mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte). Die Auslegung muß allerdings zu einem klaren Ergebnis führen können, d.h. die Regelung des Verwaltungsakts muß so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, daß der Adressat sein Verhalten danach einrichten kann (vgl. Kopp, a.a.O., Anm.4 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im Fall der Prüfungsanordnung ist dabei auf ihre besondere Rechtswirkung Bedacht zu nehmen; sie grenzt einerseits die Rechte und Pflichten der Behörde, andererseits die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen des Prüfungsverfahrens ein (vgl. Schick, a.a.O., Anm.52). Insbesondere muß die Angabe des Prüfungszeitraums so genau sein, daß der Betroffene über den Umfang seiner Mitwirkungspflichten nach § 200 AO 1977 Bescheid weiß.

2. Bei Beachtung der unter Buchst.a aufgeführten Rechtsgrundsätze ist die Angabe "nichtverjährter Zeitraum" nach den Umständen des vorliegenden Falles als hinreichend bestimmt anzusehen. Ihr konnte die Klägerin durch Auslegung klar entnehmen, daß als Prüfungszeitraum nur die Zeit ab 1.Januar 1979 bis zum Beginn der Prüfung in Frage kam.

a) Die Einfuhrhandelsprüfung betrifft keine Abschnittssteuern und nicht bestimmte Besteuerungszeiträume; es geht vielmehr um Eingangsabgaben. Der Prüfungszeitraum wird durch die Fristen der Festsetzungsverjährung präjudiziert. Die entsprechende Regelung findet sich in § 169 Abs.2 Nr.1 AO 1977. Die Regelung besagt, daß die Festsetzungsfrist ein Jahr beträgt. Ebenso deutlich ergibt sich aus § 170 Abs.1 AO 1977, daß diese mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Steuer entstanden ist. Die Eingangsabgabenschuld entstand im Zeitpunkt der Stellung des Zollantrags bei der Einfuhr (vgl. §§ 35, 35a des Zollgesetzes). Daraus ergab sich für die Klägerin, bei der nach den Feststellungen des FG schon früher Einfuhrhandelsprüfungen vorgenommen worden waren, mit hinreichender Deutlichkeit, daß sich die Prüfung auf die Einfuhren ab dem 1.Januar 1979 erstrecken sollte.

b) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, daß nach § 169 Abs.2 Satz 2 AO 1977 an die Stelle der einjährigen Festsetzungsfrist im Falle der Steuerhinterziehung eine zehnjährige und im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung eine fünfjährige Frist trete. Der Normalfall ist die Einjahresfrist. Die längeren Festsetzungsfristen betreffen dagegen Ausnahmefälle. Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, daß diese im vorliegenden Fall in Frage kämen. Anders wäre es nur dann gewesen, wenn die Prüfungsanordnung entsprechende besondere Hinweise enthalten hätte. Daran fehlt es aber hier. Der Hinweis, es bestünden Zweifel an der Richtigkeit der von der österreichischen Lieferfirma ausgestellten Präferenznachweise, spricht nicht für die Annahme, das HZA sei davon ausgegangen, der Klägerin selbst falle eine vorsätzliche oder leichtfertige Steuerverkürzung zur Last. Die besondere Erwähnung etwaiger Unregelmäßigkeiten bei der österreichischen Firma spricht eher für das Gegenteil. Überdies gehen Unklarheiten eines Verwaltungsakts zu Lasten der Verwaltung (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 12.Januar 1973 VII C 3.71, BVerwGE 41, 305, 306). Das bedeutet, daß die Angabe "nichtverjährter Zeitraum" bei Fehlen besonderer, auf Verkürzung der Steuern hinweisender Zusätze stets im Interesse des Betroffenen einengend dahin ausgelegt werden muß, daß bei der Bestimmung des Prüfungszeitraums nur die normale kurze Verjährungsfrist zugrunde gelegt werden kann.

c) Zu Unrecht sieht die Klägerin eine mangelnde Bestimmtheit des Prüfungszeitraums im vorliegenden Fall in dem Umstand, daß der Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 AO 1977 im Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung noch ungewiß gewesen sei. Die Klägerin verkennt, daß diese Ungewißheit zwangsläufig jeder Prüfungsanordnung anhaftet, auch wenn diese einen durch Daten umschriebenen Prüfungszeitraum genau benennt. Denn falls entgegen den Annahmen der die Prüfung anordnenden Behörde sich der Beginn der Prüfung über das Jahresende hinaus verzögert, erweist sich der in der Prüfungsanordnung angegebene Prüfungszeitraum trotz aller Genauigkeit als unrichtig, da Ermittlungen hinsichtlich verjährter Zeiträume nicht in Frage kommen.

Die streitbefangene Prüfungsanordnung war, wie oben ausgeführt, von der Klägerin dahin zu verstehen, daß der Prüfungszeitraum am 1.Januar 1979 begann und mit Beginn der Prüfung endete. Die so zu verstehende Prüfungsanordnung bestimmt also einen genauen Prüfungszeitraum. Diese Genauigkeit litt nicht darunter, daß im Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung noch nicht mit Sicherheit abzusehen war, wann eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs.4 AO 1977 künftig eintreten würde. Jedenfalls mußte die Klägerin bei den besonderen Umständen einer Einfuhrhandelsprüfung und in Kenntnis der für Eingangsabgaben geltenden kurzen normalen Festsetzungsfrist von einem Jahr damit rechnen, daß die Behörde die Prüfung noch im Jahre 1980 beginnen würde, also die Festsetzungsverjährung für die Einfuhrvorgänge ab 1.Januar 1979 rechtzeitig gehemmt werden würde. Das mußte sich der Klägerin insbesondere aufgrund des Hinweises in der Prüfungsanordnung auf die möglicherweise unrichtigen Präferenznachweise der österreichischen Lieferfirma aufdrängen. Ergab sich in Zukunft dann ein anderer Sachverhalt im Hinblick auf die Ablaufhemmung, so konnte dies einen Verwaltungsakt, der den Anforderungen an seine hinreichende Bestimmtheit im Zeitpunkt seines Erlasses entsprach, nicht nachträglich zu einem mangels hinreichender Bestimmtheit fehlerhaften Verwaltungsakt machen. Deswegen kann es im vorliegenden Prozeß auch keine Rolle spielen, daß wegen der Frage, ob eine Ablaufhemmung i.S. des § 171 Abs.4 AO 1977 im vorliegenden Fall eingetreten ist, ein Rechtsstreit zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens noch anhängig ist.

d) Da die streitbefangene Prüfungsanordnung einen genauen Prüfungszeitraum angab, war dem Betriebsprüfungsdienst oder dem prüfenden Bediensteten der Finanzverwaltung auch keine Dispositionsmöglichkeit hinsichtlich des Prüfungszeitraumes eingeräumt. Der Prüfer war bei dieser Auslegung der Prüfungsanordnung nicht etwa befugt, von sich aus --etwa nachdem die Prüfung bestimmte Verdachtsmomente ergeben hatte-- den Prüfungszeitraum in die Vergangenheit zu verlängern. Eine solche Verlängerung hätte vielmehr in jedem Falle einer entsprechenden Erweiterung der Prüfungsanordnung durch das HZA bedurft.

++/ III. Das FG hat zu Recht die Prüfungsanordnung für materiell rechtmäßig gehalten.

In der angefochtenen Prüfungsanordnung war als Prüfungsumfang angegeben "Einfuhrhandelsprüfung". Der Zusatz "insbesondere die Einfuhren von der Fa. X wegen aufgetretener Zweifel an der Richtigkeit der von dieser Firma ausgestellten Präferenznachweise" besagt deutlich, daß nicht nur diese Einfuhren überprüft werden sollten. Das FG hat auch nicht festgestellt, daß es ausschließlich um die Richtigkeit dieser Präferenznachweise ging. Der Senat als Revisionsinstanz hat daher nach den Feststellungen des FG davon auszugehen, daß nach der Prüfungsanordnung eine routinemäßige Überprüfung aller Außenhandelsgeschäfte der Klägerin innerhalb des Prüfungszeitraums erfolgen sollte. Eine solche Außenprüfung ist nach § 193 Abs.1 AO 1977 zulässig. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob für die Prüfung der Richtigkeit von Präferenznachweisen eine Außenprüfung nicht das geeignete Mittel ist und ob überdies Art.17 des Protokolls Nr.3 zum Abkommen EWG/Österreich vom 22.7.1972, ABl. EG Nr. L 300 vom 31.12.1972 S. 36 (Protokoll Nr. 3) eine Spezialvorschrift gegenüber den §§ 193 ff. AO 1977 ist. Denn das Ziel der angeordneten Außenprüfung war die Überprüfung sämtlicher Außenhandelsgeschäfte der Klägerin.

Der Senat folgt überdies der Auffassung des FG, daß eine Außenprüfung ein geeignetes Mittel ist, bei der Klärung, wie es in der Prüfungsanordnung heißt, "aufgetretener Zweifel an der Richtigkeit der ... ausgestellten Präferenznachweise" mitzuwirken. Die Außenprüfung war geeignet, die Notwendigkeit und die tatsächlichen Unterlagen für ein Nachprüfungsersuchen bei den österreichischen Zollbehörden festzustellen. Weder aus dem angefochtenen Verwaltungsakt noch aus den Feststellungen des FG ergibt sich, daß das HZA davon ausgegangen ist, bei der Außenprüfung könne darüber hinaus auch ohne Einschaltung der österreichischen Zollbehörden die Richtigkeit der Präferenznachweise endgültig festgestellt werden.

Die Möglichkeit eines Nachprüfungsersuchens nach Art.17 des Protokolls Nr.3 schließt den Erlaß einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO 1977 nicht aus. Beide Vorschriften haben grundsätzlich einen unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Regelungsinhalt. Außenprüfung nach den §§ 193 ff. AO 1977 und Nachprüfung nach Art.17 des Protokolls Nr.3 können sich aber, wie das FG zutreffend ausgeführt hat und der vorliegende Fall gerade belegt, gegenseitig ergänzen. Überdies ist es bei der im wesentlichen völkerrechtlichen Natur des Protokolls Nr.3 zu verneinen, daß einer seiner Vorschriften der Sinn beigemessen werden könne, eine ausschließende Spezialvorschrift gegenüber den Regelungen der AO 1977 über die Außenprüfung zu sein.

IV. Da die Klägerin einen gewerblichen Betrieb unterhält, konnte bei ihr ohne weitere Voraussetzungen eine Außenprüfung durchgeführt werden (§ 193 Abs.1 AO 1977). Ob die Finanzbehörde von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und eine Prüfung anordnet, steht in ihrem pflichtmäßigen Ermessen. Ihre Entscheidung kann vom Gericht nur darauf überprüft werden, ob dabei die Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; vgl. BFH-Urteil vom 24.Januar 1985 IV R 232/82, BFHE 143, 210). Das FG hat ohne Rechtsirrtum entschieden, daß dem HZA Ermessensfehler nicht unterlaufen sind.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es ermessensmißbräuchlich ist, eine Betriebsprüfung zu dem einzigen Zweck anzuordnen, den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen. Ein solcher Sachverhalt liegt jedenfalls nach den Feststellungen des FG nicht vor. Diese Feststellungen sind aber für den Senat bindend, da die Klägerin insoweit zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgetragen hat. Mit ihrer anderen Sachverhaltsdarstellung in der Revisionsbegründung kann die Klägerin im Revisionsverfahren nicht gehört werden (§ 118 Abs.2 FGO).

Ferner kann auch unentschieden bleiben, ob Steuerbescheide nachträglich und rückwirkend zu vorläufigen Bescheiden geändert werden können. Auch wenn dem HZA diese rechtliche Möglichkeit offengestanden haben sollte, hat es nicht deswegen ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es nicht diese Möglichkeit genutzt, sondern eine Prüfungsanordnung erlassen hat. Überdies kann das HZA auch deswegen nicht lediglich auf die Möglichkeit der Abänderung der endgültigen in vorläufige Steuerbescheide verwiesen werden, weil es, wie im Vorabsatz ausgeführt, nicht allein um die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist ging. Nach den Feststellungen des FG sollte vielmehr eine routinemäßige Prüfung sämtlicher Einfuhrhandelsgeschäfte der Klägerin im Prüfungszeitraum durchgeführt werden. /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 61098

BStBl II 1986, 439

BFHE 145, 492

BFHE 1986, 492

HFR 1986, 226-227 (ST)

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