Leitsatz (amtlich)

Werden Hauswarten Dienstwohnungen überlassen, deren Mieten niedriger sind, als sie für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses gelten sollen, so ist für Zwecke der Lohnversteuerung von den höheren Mieten auszugehen, und zwar unabhängig von tarifvertraglichen Regelungen und den subjektiven Wohnbedürfnissen der Hauswarte. Die besonderen Wertminderungen bei Hauswartswohnungen sind mit einem Abschlag von der Miete angemessen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AO § 217 Abs. 1; EStG § 8 Abs. 2; LStDV § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin der Mietwohngrundstücke A und B. Die Bauten sind freifinanziert. Als Arbeitgeberin beschäftigt die Klägerin ständig Hauswarte, denen sie Dienstwohnungen zur Verfügung stellt. Die gegen den Hauswartslohn verrechneten Mieten für die Wohnungen sind für die Dauer des Dienstverhältnisses niedriger festgesetzt. Werden die Wohnungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses weiterbenutzt, so erhöht sich die Miete für die Wohnung A (45,68 qm) von 123 DM auf 258 DM und für die Wohnung B (47,40 qm) von 149,50 DM auf 361 DM monatlich. Bei einer 1971 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandete der Beklagte und Revisionskläger (FA), daß für die Lohnversteuerung nur die niedrigeren Mieten herangezogen worden waren und forderte für den nichtversteuerten Mietwert der Wohnungen für 1967 bis 1969 1 288,90 DM Lohnsteuer nach. Nachdem die Klägerin zunächst die Forderung des FA anerkannt hatte, legte sie fristgerecht am 1. Juni 1971 Einspruch ein. Sie berief sich dabei auf den Mantel- und Lohntarifvertrag für Hauswarte und Heizer vom 1. Oktober 1968. Danach dürfen für die Wohnungen von Hauswarten höchstens die Mieten des sozialen Wohnungsbaus angesetzt werden. Das FA sei daher zu Unrecht von den Sätzen ausgegangen, wie sie für freifinanzierte Wohnungen gelten. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe ihren Hauswarten Arbeitslohn durch Überlassen von Dienstwohnungen gewährt, für deren Mietwert der übliche Mittelpreis am Verbrauchsort maßgebend sei (§ 8 Abs. 2 EStG, § 3 LStDV). Das sei der Preis, der für entsprechende Wohnungen am Wohnort des Arbeitnehmers üblicherweise gezahlt werde. Bei der Bewertung seien aber alle Eigenarten der Wohnung, die Einfluß auf die Preisbildung hätten, angemessen zu berücksichtigen. Das FA habe die Differenz zwischen der Hauswartsmiete und der außerhalb des Vertragsverhältnisses zu zahlenden Miete zu Unrecht als Mietwert lohnversteuert. Das Mietverhältnis sei eng mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft, so daß es sich um Werkmiet- oder Werkdienstwohnungen handele. Als Inhaber einer derartigen Wohnung hätten die Hauswarte keinen Kündigungsschutz, wobei zu berücksichtigen sei, daß dieser in Berlin (West) allgemein vorerst bis zum 31. Dezember 1972 bestehe. Diesem Umstand käme wertmindernde Bedeutung zu. Im übrigen könne der Vorteil, den ein Hauswart durch die ihm überlassene Wohnung erlange, nicht höher sein als die Aufwendungen, die er sonst für eine Wohnung gehabt hätte. Regelmäßig könne sich ein Hauswart aber keine freifinanzierte Wohnung leisten. Zwar halte die Rechtsprechung des BFH nicht mehr an dem subjektiven Mietwert als der steuerlichen Höchstgrenze fest. Die Steuerverwaltung sei danach aber noch in den Streitjahren verfahren. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß Hauswartswohnungen regelmäßig durch ihre Lage und die damit verbundenen Lärm- und Geruchsbelästigungen gegenüber den anderen Wohnungen des Gebäudes in ihrem Wert gemindert seien. Der Hauswart habe regelmäßig auch keine Möglichkeit, sich eine Dienstwohnung in dem von ihm betreuten Gebäude auszusuchen. Der Wert der Wohnungen sei nach § 217 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. Die Schätzung müsse von der Art der Gebäudefinanzierung unabhängig sein. Das Gericht sei der Ansicht, daß im Tarifvertrag eine vertretbare Schätzungsgrundlage zu sehen sei. Sachkundige Tarifvertragsparteien hätten den Wert der Hauswartswohnungen festgesetzt. Danach dürfe der Mietzins nicht höher sein als im sozialen Wohnungsbau. Die reine Raummiete für Dienstwohnungen vermindere sich für Vollbeschäftigte um 20 %, für nicht Vollbeschäftigte um 10 % der sonst gültigen Miete, jedoch höchstens auf den Betrag von 0,80 DM pro qm Wohnfläche. Wohnten erwerbstätige Familien (außer Ehegatten) oder familienfremde Personen mit ein, so ermäßige sich für eine Wohnung von drei oder mehr Zimmern der sonst zu gewährende Mietnachlaß auf die Hälfte. Einkommen von Kindern, die sich in der Berufsausbildung befänden, blieben dabei bis zu einem Betrag von monatlich 150 DM außer Betracht. Ein Mietzins von 0,80 DM monatlich pro qm werde nicht ermäßigt. Unstreitig sei die Klägerin nach dem Tarifvertrag vorgegangen. Sie habe den für den sozialen Wohnungsbau maßgeblichen qm-Preis von 3,30 DM um die jeweiligen Tarifabschläge gekürzt und um einen Heizungskostenzuschlag erhöht. Der sich dabei ergebende Betrag sei als zutreffender Mietwert der Hauswartswohnungen anzusehen.

Mit seiner Revision rügt das FA rechtsfehlerhafte Würdigung der § 8 Abs. 2 EStG (§ 3 Abs. 1 LStDV) und Verletzung der Aufklärungspflicht. Die Tatsache, daß die Klägerin nach dem Tarifvertrag für die Überlassung der Hauswartswohnungen nur eine geringere als die ortsübliche Miete von ihren Arbeitnehmern erheben dürfe, sei steuerrechtlich ohne Bedeutung; denn der Tarifvertrag habe als arbeitsrechtliche Regelung gegenüber der steuerrechtlichen Regelung in § 8 Abs. 2 EStG (§ 3 Abs. 1 LStDV) zurückzutreten. Folge man der Ansicht des FG, dann hätten die Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit, durch Vereinbarung einer geringeren tarifvertraglichen Miete und eines entsprechend niedrigeren Barlohns die Vorschriften der § 8 Abs. 2 EStG (§ 3 Abs. 1 LStDV) weitgehend zu entkräften und könnten so nach Belieben Steuern sparen. Das FG habe seine Ansicht, Hauswartsdienstwohnungen seien regelmäßig durch ihre Lage im Untergeschoß eines Gebäudes und durch Lärm- und Geruchsbelästigungen gegenüber anderen Wohnungen des Gebäudes in ihrem Wert gemindert, nicht bei seiner Schätzung berücksichtigen dürfen. Einen allgemein anerkannten Erfahrungssatz dieses Inhalts gebe es nicht. Wertmindernde Faktoren tatsächlicher Art seien vielmehr von den Umständen des Einzelfalles abhängig, etwa der Gestaltung des Bauwerks und der Beschaffenheit seiner Wohnungen, der Lage desselben und der Struktur der Gegend, in der es sich befinde. Über diese Tatsachen hätte Beweis durch Einnahme des Augenscheins erhoben werden müssen. Insoweit werde mangelnde Sachaufklärung gerügt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Die Klägerin weist als Entgegnung auf die Ausführungen des FA darauf hin, daß es sich bei der Hauswartswohnung um einen Teil der "Dienstausstattung" des Hauswarts handele; mindestens müßte ein Raum der Hauswartswohnung als Dienstraum bei der Berechnung der Miete außer Ansatz bleiben, den der Hauswart für die sachgerechte Ausführung seiner Arbeiten benötige. Die Lohnversteuerung der vollen Miete widerspreche den Wohnungsbauförderungsmaßnahmen der öffentlichen Hand. Es ergebe sich auch eine unvertretbare und gegen Art. 3 GG verstoßende Differenzierung des zu versteuernden Mietwerts, wenn man bei Hauswarten, die freifinanzierten Wohnraum zu betreuen hätten, einen ungleich höheren Mietwert der Besteuerung unterwerfe als bei denen, die in Häusern tätig wären, die mit öffentlichen Mitteln erbaut wurden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin ihren Hauswarten Werkwohnungen überläßt; denn sie stehen in ihrem Eigentum und werden an ihre Arbeitnehmer vermietet (BFH-Urteil vom 9. Februar 1962 VI 219/61 U, BFHE 74, 441, BStBl III 1962, 165). Es bestehen auch insoweit keine Zweifel, daß unter Arbeitslohn im Sinn des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EstG u. a. der Wert verbilligt überlassener Wohnungen zu verstehen ist und für die Lohnversteuerung grundsätzlich der übliche Mittelpreis am Verbrauchsort maßgebend ist (§ 8 Abs. 2 EStG, § 3 LStDV). Die Vorentscheidung entspricht aber insoweit nicht der Rechtsprechung des Senats, als sie auf dem subjektiven Wohnbedürfnis der Beschäftigten und auf der tariflichen Regelung als Anknüpfungspunkt für die steuerliche Bewertung des Sachbezugs aufbaut. Das FG hat selbst darauf hingewiesen, daß der Senat bei der Berechnung des Mietvorteils nicht mehr die persönlichen Bedürfnisse des Arbeitnehmers berücksichtigt (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 64/68, BFHE 94, 23, BStBl II 1969, 73). Daß die Klägerin nach dem Tarifvertrag nur eine bestimmte Miete für die Hauswartswohnungen ansetzen durfte, ist gleichfalls ohne Bedeutung, denn der Tarifvertrag hat nur arbeitsrechtliche, aber nicht steuerrechtliche Verbindlichkeit (BFH-Urteil vom 8. März 1968 VI R 328/66, BFHE 92, 96, BStBl II 1968, 459).

In seiner Entscheidung vom 3. März 1972 VI R 242/68 (BFHE 105, 124, BStBl II 1972, 490) hat der Senat ausgeführt, daß in den Fällen, in denen der Arbeitgeber eine bestimmte Wohnung von einem Dritten mietet und diese unentgeltlich oder verbilligt einem Arbeitnehmer überläßt, in der Regel als ortsübliche Miete die vom Arbeitgeber selbst bezahlte Miete anzusehen ist. Das gleiche muß für die Fälle gelten, in denen der Mietpreis einer Wohnung feststeht und dieser nur mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis ermäßigt wird. Mit dem FA ist davon auszugehen, daß die Miete der Ausgangspunkt für die Bewertung des Sachbezugs "Wohnungsüberlassung" sein muß, die die Klägerin ohne Rücksicht auf ein bestehendes Dienstverhältnis verlangen würde. Allerdings ist dieser Betrag für Zwecke der Lohnversteuerung herabzusetzen. Bei Sachbezügen, für die der normale Marktpreis feststeht, ist eine Minderung des der Lohnbesteuerung zu unterwerfenden Wertes nicht ausgeschlossen, wenn und soweit wertmindernde Umstände feststellbar sind. So hat der Senat im Fall von Freiflügen und verbilligten Flügen, die Fluggesellschaften ihren Angestellten gewähren, eine Schätzung des Sachbezuges unter den eigentlichen Flugpreisen zugelassen, weil die Gewährung dieser Flüge von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht wurde (Urteil vom 20. August 1965 VI 54/64 U, BFHE 84, 279, BStBl III 1966, 101). Bei den Hauswartswohnungen kann zwar kein Abschlag wegen Lage, Ausstattung usw. gemacht werden, wenn der qm-Preis für den Fall feststeht, daß das Mietverhältnis nicht mit dem Dienstverhältnis gekoppelt ist; denn derartige wertmindernde Umstände sind dann bereits berücksichtigt. Die Klägerin hat aber zu Recht darauf hingewiesen, daß zwischen seiner Hauswartstätigkeit und der Anmietung der Wohnung ein besonders enger Zusammenhang besteht. Zwar ist eine anteilige Berücksichtigung des Mietwerts der Hauswartswohnungen als Werbungskosten nach der Entscheidung des Großen Senats (Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) nicht möglich. Es besteht aber ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einem Arbeitnehmer, der eine Werkwohnung bezieht und in dieser ohne weitere Verbindung zu seiner beruflichen Tätigkeit lebt, und zwischen einem Hauswart, dessen Anwesenheit in seiner Wohnung zu bestimmten Zeiten erforderlich ist und der den Hausbewohnern bei notwendigen Gesprächen auch Zugang zu seinen Räumen gewähren muß, ohne Rücksicht auf persönliche Wünsche. Hinzu kommt, daß er in der Regel Werkzeug und Material in der Wohnung bzw. in den Nebenräumen aufbewahren muß, weil er es für die Ausübung seiner Hauswartstätigkeit benötigt.

Diese besonderen Verhältnisse können nur durch einen Abschlag von der Miete aufgefangen werden, den das FG als Tatsacheninstanz ermitteln muß. Dabei wäre zu prüfen, ob die tarifvertragliche Regelung, nach der die Miete bei einem vollbeschäftigten Hauswart um 20 % und bei einem nicht vollbeschäftigten um 10 % zu kürzen ist, hier eine brauchbare Schätzungsgrundlage sein kann. Zunächst wird das FG aber festzustellen haben, ob die nach Beendigung der Hauswartstätigkeit zu zahlenden Beträge tatsächlich in voller Höhe Miete sind. Wie das FG angedeutet hat, könnten sie zu einem Teil als eine Art Konventionalstrafe dafür gedacht sein, daß die Wohnungen nicht sofort nach Beendigung des Dienstverhältnisses geräumt wurden. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, so wäre unter Ausklammerung derartiger Zuschläge die tatsächliche Miete zu ermitteln. Die sich nach Berücksichtigung des weiteren Abzugs wegen der besonderen Verhältnisse bei Hauswartswohnungen ergebenden Mieten unterliegen der Lohnbesteuerung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71167

BStBl II 1975, 81

BFHE 1975, 452

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