Normenkette

EStG § 7 Abs. 4 S. 1; EStDV § 82a

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1978 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks mit einem im Jahre 1910 errichteten Gebäude, das auf ihn im Erbgang von seiner am 18. Februar 1974 verstorbenen Mutter übergegangen ist. Diese war nach Angaben des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuer nicht erfaßt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1978 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für dieses Grundstück u. a. die Nachholung versehentlich unterlassener Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Jahre 1973 bis 1977, verteilt auf die Jahre 1978 bis 1988, aus einem Betrag von 3 445 DM = 314 DM und die Nachholung von irrtümlich 1974 nicht geltend gemachten erhöhten Absetzungen nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), verteilt auf die Jahre 1978 bis 1983, aus einem Betrag von 958 DM = 160 DM, geltend.

Das FA gewährte diese geforderten Absetzungen nicht und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Zur Begründung seines in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 444 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) aus: Die Nachholung von AfA sei zwar im Falle des § 7 b EStG 1977, nicht aber auch in den Fällen des § 7 Abs. 4 EStG und des § 82 a Abs. 1 EStDV vorgesehen. Für das vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellte Gebäude schreibe § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG jährliche AfA von 2,5 v. H. vor. Dieser Vomhundertsatz könne nur dann erhöht werden, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer weniger als 40 Jahre betrage. Diese Voraussetzung für eine Erhöhung des "Abschreibungssatzes" sei bei der Nachholung versehentlich unterbliebener AfA, wie sie der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 21. Februar 1967 VI R 295/66 (BFHE 88, 316, BStBl III 1967, 386) für geboten gehalten habe, nicht erfüllt. Auch die im BFH-Urteil vom 7. Juni 1977 VIII R 105/73 (BFHE 122, 300, BStBl II 1977, 606) entwickelten Rechtsgrundsätze zur steuerlichen Behandlung nachträglicher Herstellungskosten könnten das Klagebegehren nicht stützen. Im übrigen verstoße die Nachholung unterlassener AfA-Beträge gegen das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Sie stehe auch nicht im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG i.V.m. 82 a EStDV sowie der §§ 7 Abs. 4 EStG i.V.m. 11 c Abs. 1 EStDV. Sie sind der Auffassung, das FG sei mit seiner Entscheidung von den BFH-Urteilen in BFHE 88, 316, BStBl III 1967, 386, und vom 3. Juli 1980 IV R 31/77 (BFHE 131, 229, BStBl II 1981, 255) abgewichen. Darin habe der BFH es grundsätzlich für zulässig gehalten, daß versäumte AfA nachgeholt werden dürften. Im übrigen werde ihre Ansicht auch in der Literatur vertreten (so z. B. von Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 7 EStG Anm. 413 m.w.N., und Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 7 Anm. 1 d).

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1978 dahin abzuändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere AfA nach § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von 314 DM und erhöhte Absetzungen nach § 82 a EStDV in Höhe von 160 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Senat folgt im Ergebnis der Ansicht des FG, daß den Klägern im streitigen Veranlagungszeitraum 1978 keine höheren AfA zustehen, als die vom FA auf der Grundlage des Satzes von 2,5 v. H. errechneten Beträge (§ 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG) und daß ebenso ein Überschreiten des in § 82 a EStDV vorgesehenen Vomhundertsatzes nicht möglich ist.

1. Eine Nachholung der von den Klägern versehentlich unterlassenen AfA in der Weise, daß der letzte Buchwert auf die noch verbleibende Restnutzungsdauer verteilt wird mit der Folge des Ansatzes eines höheren Vomhundertsatzes als nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG vorgesehen, ist nicht möglich. § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG legt keine Gesamtnutzungsdauer für Gebäude fest, in der die AfA - also auch die versehentlich unterlassenen AfA - angesetzt werden müssen (so z. B. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7 EStG Anm. 413). Durch die Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG sind vielmehr gesetzlich typisierte feste Vomhundertsätze für die Vornahme der AfA eingeführt worden (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176 unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte). Hiervon abweichend können höhere AfA nur nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG bei kürzerer tatsächlicher Nutzungsdauer vorgenommen werden. Daß dies zutrifft, haben die Kläger nicht behauptet. Da § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG feste Vomhundertsätze vorschreibt, hat es der BFH abgelehnt, bei nachträglichen Herstellungskosten eines Gebäudes "von dem gesetzlich festgelegten Abschreibungsbetrag" abzuweichen (BFHE 122, 300, BStBl II 1977, 606). In dieser Entscheidung ist unter Hinweis auf die Motive des Gesetzgebers weiter ausgeführt worden, daß sich auch durch das Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 16. Juni 1964 (BGBl I 1964, 353, BStBl I 1964, 384) die Abschreibungsdauer über die fiktive Nutzungsdauer hinaus verlängern könne. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Er hält daher bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung die Nachholung versehentlich unterlassener AfA im Hinblick auf die gebotene Beibehaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Vomhundertsätze bei unveränderter tatsächlicher Nutzungsdauer in der Weise für möglich, daß sich der Abschreibungszeitraum verlängert.

Der Hinweis der Kläger auf das Urteil in BFHE 88, 316, BStBl III 1967, 386 geht fehl. Denn dieses Urteil ist zur Vorschrift des § 7 EStG in der bis 1964 geltenden Fassung ergangen, die allein auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes abstellte (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG in der bis 1964 geltenden Fassung).

Der Senat weicht mit der hier vertretenen Ansicht nicht von dem Urteil des IV. Senats in BFHE 131, 229, BStBl II 1981, 255 ab. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, handelte es sich dort nicht um die Nachholung von AfA i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG, sondern um die Verkürzung einer offensichtlich zu lang angesetzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, bei dem keine festen Vomhundertsätze für AfA vorgeschrieben sind.

2. Das FG ist bei der Auslegung des § 82 a EStDV zutreffend davon ausgegangen, daß eine Nachholung der erhöhten Absetzungen nach dieser Bestimmung nicht möglich ist.

a) Nach § 82 a EStDV kann ein Steuerpflichtiger neben der AfA für das Gebäude von den Herstellungskosten, die für den Einbau der in der Anlage 7 der Verordnung bezeichneten Anlagen und Einrichtungen bei einem nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gebäude aufgewendet worden sind, anstelle der nach § 7 Abs. 4 oder 5, § 7 b oder § 54 EStG zu bemessenden AfA im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren jeweils bis zu 10 v. H. absetzen. Die für § 82 a EStDV maßgebende Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG schreibt vor, daß die erhöhten Absetzungen jährlich 10 v. H. der Aufwendungen nicht übersteigen dürfen. Der insoweit eindeutige Wortlaut läßt eine Auslegung nur in dem Sinn zu, daß während des Begünstigungszeitraums von zehn Jahren jährlich höchstens 10 v. H. der begünstigten Aufwendungen abgezogen werden können.

b) Diese Auslegung nach Wortlaut und Wortsinn wird durch die Entstehungsgeschichte des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG (eingefügt durch Art. 1 Nr. 39 des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - vom 18. Juli 1958, BGBl I 1958, 473, 485, BStBl I 1958, 412, 424) und des § 82 a EStDV (eingefügt durch Art. 1 Nr. 45 der Verordnung zur Änderung einkommensteuerlicher Durchführungsvorschriften vom 12. März 1959, BGBl I 1959, 89, 96, BStBl I 1959, 87, 94) bestätigt. In den amtlichen Begründungen in BT-Drucks 3/260 S. 61 bzw. BR-Drucks 34/59 S. 13 ist ausgeführt, daß der Steuerpflichtige "innerhalb der zehn Jahre jeweils einen ihm passenden Absetzungssatz bis zu 10 v. H. wählen" können soll.

Der erkennende Senat sieht dieses Ergebnis auch dadurch bestätigt, daß der Gesetzgeber als Folge des BFH-Urteils vom 8. Februar 1957 VI 132/55 U (BFHE 64, 352, BStBl III 1957, 133), das die Nachholung unterlassener erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG ausdrücklich abgelehnt hatte, eine vorher lediglich als Billigkeitsmaßnahme vorgesehene Nachholregelung der Verwaltung durch Art. 1 Nr. 6 StÄndG vom 18. Juli 1958 (a.a.O.) in das Gesetz aufgenommen hat (vgl. Abschn. 59 der Einkommensteuer-Richtlinien 1955 bis 1957, und Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7 b EStG Anm. 4 und 266). Die Erstreckung der gesetzlichen Neuregelung nur auf § 7 b EStG läßt die Annahme zu, daß für den Bereich des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG und des § 82 a EStDV eine entsprechende Regelung insoweit bewußt nicht beabsichtigt war.

c) Mit der hier vertretenen Rechtsauffassung stimmt auch das Schrifttum überein (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 21 EStG Anm. 29 Buchst. o E 104; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 21 EStG Anm. 205; Henninger, Rechts- und Wirtschaftspraxis, Einkommensteuer SG 5.2 S. 47; en, Der Betrieb 1982, 241).

3. Der Hinweis der Kläger auf die Urteile in BFHE 88, 316, BStBl III 1967, 386, und in BFHE 131, 229, BStBl II 1981, 255 geht schon wegen des unterschiedlichen Regelungsinhalts des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG und § 82 a EStDV einerseits und des § 7 Abs. 4 EStG andererseits fehl. Der Gesetzeszweck zur Begünstigung von bestimmtem Herstellungsaufwand zur Modernisierung mit einem hierfür eingeräumten Wahlrecht zur Geltendmachung der erhöhten Absetzungen ist mit dem Zweck des § 7 Abs. 4 EStG, der eine Verteilung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten entsprechend der Nutzungsdauer vorsieht und AfA zwingend vorschreibt, nicht vergleichbar. Aus diesem Grund kommt bei Anwendung des § 82 a EStDV eine Nachholung der erhöhten Absetzungen nach Ablauf des zehnjährigen Begünstigungszeitraumes nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75075

BStBl II 1984, 709

BFHE 1985, 518

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