Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

 

Leitsatz (NV)

Ein Grundstück ist wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet, und zwar auch dann, wenn es für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft nicht besonders gestaltet wurde (Anschluss an BFH-Urteil vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621).

 

Normenkette

EStG § 15

 

Verfahrensgang

Thüringer FG (EFG 2001, 687)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ―eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)― hatte 1993 ein Grundstück erworben und errichtete darauf ein Gebäude, das sie im Streitjahr (1995) fertig stellte. Einen Teil dieses Gebäudes vermietete sie ab dem Streitjahr an eine beteiligungsidentische GmbH. Gegenstand des Unternehmens der GmbH ist der Einzel- und Großhandel mit medizinischen Gebrauchsgütern jeder Art und Medizintechnik. Die GmbH nutzt den ihr überlassenen Gebäudeteil für diese Tätigkeiten. Sie wickelt ihre Geschäfte durch ihre Mit-arbeiter vornehmlich fernmündlich ab. Für Kundenbesuche ist ein Beratungszimmer eingerichtet. Von größeren medizinischen Geräten abgesehen, die die GmbH durch eigene Mitarbeiter bei den Kunden vor Ort montiert, liefert sie kleinere medizinische Geräte unmittelbar von ihrem Betriebssitz an und repariert sie bei Bedarf in ihren Geschäftsräumen. Der von der Klägerin an die GmbH vermietete Gebäudeteil besteht aus zwei Etagen. Außer den Büroräumen im Obergeschoss nutzt sie das Erdgeschoss nach kleinen baulichen Korrekturen als Lager und Ausstellungsraum sowie einen weiteren Raum als Reparaturwerkstatt.

Die GmbH hatte ihr Unternehmen zunächst in gemieteten Räumen in S betrieben. Im Zusammenhang mit erheblichen städtischen Baumaßnahmen an der Zufahrtsstraße, die dazu führten, dass diese ein halbes Jahr nicht genutzt werden konnte, löste sich die GmbH vom Mietvertrag. Sie betrieb ihr Gewerbe bis zur Fertigstellung des von der Klägerin errichteten Gebäudes übergangsweise in einem Doppelcontainer, der auf dem Baugelände aufgestellt war und bezog anschließend die von der Klägerin an sie vermieteten Räume.

Die Klägerin erklärte für das Streitjahr (1995) negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von … DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) stellte im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … DM fest, weil er die Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung als erfüllt ansah. Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage begehrte die Klägerin die Qualifizierung ihrer negativen Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung. Der an die GmbH vermietete Gebäudeteil bilde bei ihr keine wesentliche Geschäftsgrundlage, so dass es an der sachlichen Verflechtung fehle.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es verneinte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 687 veröffentlichten Urteil die Voraussetzungen einer sachlichen Verflechtung. Gebäude und Grundstück seien nicht auf die räumlichen und betrieblichen Bedürfnisse der GmbH zugeschnitten. Die geographische Lage des vermieteten Hausanteils sei für die Betriebsführung ohne Bedeutung.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung wies sie insbesondere in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die GmbH für ihren Betrieb nicht auf das von ihr angemietete Grundstück angewiesen sei. Sie hätte ihr Unternehmen auch von einem anderen Grundstück und ggf. auch von einem anderen Ort aus führen können. Überdies habe die Klägerin das Gebäude vornehmlich zur Alterssicherung ihrer Gesellschafter errichtet. Hiermit vertrage es sich nicht, die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Entscheidung in der Sache selbst. Die Klage ist abzuweisen. Das FG hat unzutreffend eine sachliche Verflechtung der Klägerin mit der GmbH verneint.

1. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung ―sachliche und persönliche Verflechtung (ständige Rechtsprechung, vgl. den Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG)― liegen im Streitfall vor. Das ist für die persönliche Verflechtung unstreitig, gilt aber auch für die sachliche Verflechtung. Der vermietete Grundstücksteil stellt nach den für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen entgegen der Auffassung des FG eine wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH dar.

Eine wesentliche Betriebsgrundlage liegt vor, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist (BFH-Urteile vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vom 23. Januar 2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894; vom 2. April 1997 X R 21/93, BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; BFH-Beschlüsse vom 2. März 2000 IV B 34/99, BFH/NV 2000, 1084; vom 3. April 2001 IV B 111/00, BFH/NV 2001, 1252; vom 19. Dezember 2001 III B 117/00, Steuern und Bilanzen ―StuB― 2002, 558; vom 13. Juli 1998 X B 70/98, BFH/NV 1999, 39, und BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 96/96, BFH/NV 1999, 758). So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte (BFH-Urteile vom 26. Mai 1993 X R 78/91, BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718; in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vgl. dazu auch G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl. 2001, S. 70 ff.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 22. Aufl., § 15 Rz. 811 ff., m.w.N.). Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (BFH-Urteile vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, unter II. B. 2. b bb, m.w.N., und vom 18. September 2002 X R 4/01, BFH/NV 2003, 41).

2. Nach diesen Grundsätzen stellt der von der Klägerin der GmbH zur Nutzung überlassene Grundstücksteil eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage bei der GmbH dar. Das Gebäude ist für die GmbH von nicht nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung: Die GmbH benötigt für ihren Handel mit medizinischen Gebrauchsgütern und für ihre Beschäftigung mit Medizintechnik ein Büro-, Werkstatt- und Lagergebäude. Das angemietete Gebäude der Klägerin ist auch für diesen Zweck geeignet. Wenn es auch ―wie das FG festgestellt hat― für die spezifischen Bedürfnisse der GmbH wegen des nicht ausreichend vorhandenen Lagerraums nicht von vornherein zweckdienlich war, so jedenfalls nach der teilweisen Umwidmung der Ausstellungsräume in zusätzliche Lagerkapazitäten. Dem angemieteten Gebäudeteil kommt auch besonderes Gewicht für die Betriebsführung zu: Die GmbH hat nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG das Gebäude angemietet, weil es als Betriebssitz und zur Aufnahme der Geschäftsleitung erforderlich war und geeignete Räume enthielt, um die Mitarbeiter, die technischen Anlagen für die Verkaufstätigkeit sowie die Reparatur-Werkstatt aufzunehmen. Damit bildet das Gebäude die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der GmbH.

Es kommt demgegenüber nicht darauf an, dass das Unternehmen der GmbH auch von einem anderen ―gemieteten oder gekauften― Grundstück aus hätte betrieben werden können; denn jedenfalls ist ein bebautes Grundstück für die Betriebsführung der GmbH unentbehrlich (vgl. dazu BFH in BFH/NV 2003, 41, 43, unter II. 1. b ee). Unerheblich für die Entscheidung des Streitfalls ist auch, ob die Klägerin das Gebäude ―wie sie insbesondere in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat― aus Gründen der Alterssicherung ihrer Gesellschafter errichtet hatte. Dieses Motiv für eine Investition ist für die steuerrechtliche Würdigung, welcher Einkunftsart die daraus erzielten Einnahmen zuzuordnen sind, ohne Bedeutung.

3. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen nicht. Das FG hat die Voraussetzungen für eine sachliche Verflechtung mit der Begründung verneint, dass der vermietete Gebäudeteil nicht auf die räumlichen und betrieblichen Bedürfnisse der GmbH zugeschnitten sei. Hierin liegt ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zutreffend hat das FA die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 973563

BFH/NV 2003, 1321

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