Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungsregelung (Verbleibregelung) bei der Investitionszulage

 

Leitsatz (NV)

1. Zur dreijährigen Bindung beweglicher Wirtschaftsgüter an die Betriebsstätte des Investors.

2. Zur Verpachtung beweglicher Wirtschaftsgüter an Schwestergesellschaft, die ihren Sitz nicht am gleichen Ort wie die Verpächterfirma hat.

 

Normenkette

InvZulG 1977 § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit dem Sitz in A. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Gewinnung und Aufbereitung von Kies und Sand. Zu diesem Zweck hat die Klägerin mehrere Halden gepachtet.

In den Streitjahren 1976 und 1978 schaffte die Klägerin mehrere Maschinen in beträchtlichem Wert an. Die Maschinen sind bei der Gewinnung der Rohstoffe eingesetzt. Der Erwerb wurde vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als förderungswürdige Betriebstättenerweiterung anerkannt. Auf die Anschaffungskosten gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Investitionszulage nach § 1 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG).

Noch innerhalb der in § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvZulG vorgesehenen dreijährigen Bindungsfrist vermietete die Klägerin Maschinen je nach Bedarf für die Dauer zwischen einem Monat und einem Jahr an die Firma X. Die X hat ihren Sitz in Frankreich. Gegenstand ihres Unternehmens ist ebenfalls die Gewinnung und Aufbereitung von Baustoffen. Die Klägerin und die X sind Schwestergesellschaften. Sie werden beide von dem Geschäftsführer der Klägerin zu 100 % beherrscht. Die vorzeitige Verpachtung der Maschinen wird von der Klägerin damit gerechtfertigt, daß das Rohmaterial in einer der angepachteten Halden früher als erwartet erschöpft gewesen sei. Es sei ihr nicht möglich gewesen, eine andere Halde zu pachten. Auch habe sie in der Folgezeit Rohmaterial von der X erwerben müssen, um ihren Lieferpflichten nachzukommen. Der X habe es aber an einem ausreichenden Maschinenpark gefehlt, weshalb sie, die Klägerin, mit Maschinen ausgeholfen habe. Die mit dem Erwerb geschaffenen neuen Arbeitsplätze seien durch die Vermietung nicht verlorengegangen; denn sie habe die Maschinen mit der jeweiligen Bedienungsmannschaft vermietet.

Das FA nahm die vorzeitige Verpachtung zum Anlaß, um seine Investitionszulagebescheide 1976 und 1978 zu ändern. Das führte zu Investitionszulage-Rückforderungen von . . . DM und . . . DM. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Die Klage wurde ebenfalls abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 1 Abs. 1 und 3 InvZulG 1977 ist die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern begünstigt, die zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehören. Die Anschaffung der Wirtschaftsgüter muß mit der Gründung oder Erweiterung einer Betriebstätte im Zusammenhang stehen. Der Steuerpflichtige muß durch eine Bescheinigung des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft nachweisen, daß die Investition in einem förderungswürdigen Gebiet vorgenommen wird und daß sie volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist. Außerdem muß das bewegliche Wirtschaftsgut mindestens drei Jahre lang nach seiner Anschaffung in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben. Unbewegliche Wirtschaftsgüter (hauptsächlich Gebäude) müssen mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung vom Steuerpflichtigen zu mindestens 90 v. H. zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden.

2. Die von der Rechtsprechung zu der sog. Bindungsregelung (Verbleibregelung) entwickelten Rechtsgrundsätze hat der Senat letztmals in seinem Urteil vom 25. Oktober 1985 III R 79/82 (BFHE 145, 479, BStBl II 1986, 150) zusammengefaßt. Danach trifft die gesetzliche Regelung eine Aussage über die tatsächliche Verwendung der begünstigten Wirtschaftsgüter während der dreijährigen Bindungsfrist. Diese tatsächliche Verwendung ist im Sinne einer eigenbetrieblichen Nutzung der Wirtschaftsgüter durch den Investor zu verstehen. Die Wirtschaftsgüter müssen drei Jahre lang tatsächlich (räumlich) in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben. Ausnahmen sind nur bei Wirtschaftsgütern gerechtfertigt, deren bestimmungsgemäße Verwendung im Einsatz außerhalb der Betriebstätte liegt (z. B. bei Lastkraftwagen, Omnibussen sowie bei Baugeräten eines Bauunternehmers). Eine dreijährige (rechtliche) Bindung an das Anlagevermögen des Betriebs genügt nicht. Diese Grundsätze wirken sich im Ergebnis dahin aus, daß Investitionszulagen grundsätzlich nur der Investor bekommt, der mit dem begünstigten Wirtschaftsgut selbst Waren produziert oder Dienstleistungen erbringt, und daß die Vermietung oder Veräußerung von Wirtschaftsgütern vor Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist zulageschädlich ist. Ohne Bedeutung ist, ob das vorzeitige Ausscheiden auf Gründen beruht, die der Investor nicht zu vertreten hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Mai 1980 III R 12/79, BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758). Die Auffassung der Klägerin, die in der Verbleibregelung lediglich eine Vorschrift zur Vermeidung von Mißbräuchen sieht, erweist sich somit als zu eng.

3. Nach diesen Grundsätzen stehen der Klägerin Investitionszulagen nicht zu. Sie hat die Maschinen nicht selbst drei Jahre lang nach ihrer Anschaffung genutzt, sondern sie zwischenzeitlich an einen ,,Dritten" vermietet. Die Maschinen wurden dabei im übrigen außerhalb des Fördergebiets eingesetzt. Die Wirtschaftsbehörde hat aber nur den Einsatz der Maschinen in der im Fördergebiet belegenen Betriebstätte der Klägerin als volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig anerkannt. Bei den Maschinen handelt es sich auch nicht um Baugeräte im Sinne der von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmeregelung, und die Klägerin ist kein Bauunternehmer in diesem Sinne. Unerheblich ist schließlich die Behauptung der Klägerin, daß die für den Einsatz der Maschinen vorgesehene Halde schneller als vorgesehen erschöpft gewesen sei. Darauf kommt es nicht an, so daß auch das Finanzgericht (FG) seine Ermittlungspflicht nicht verletzt hat.

4. Es könnte zweifelhaft sein, ob die Firma X als Schwestergesellschaft der Klägerin ,,Dritte" im Sinne der unter 2. und 3. dargelegten Rechtsgrundsätze ist. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) hat in Tz. 101 und 104 seines Schreibens vom 5. Mai 1977 (BStBl I 1977, 246) die Übertragung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern als unschädlich angesehen, wenn sie im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer Betriebsaufspaltung erfolgen. Die Möglichkeit einer unschädlichen Übertragung oder Verpachtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung hat der BMF in seinem Schreiben vom 10. Dezember 1985 (BStBl I 1985, 683) wesentlich erweitert. Der Senat hat daraufhin in seinem Beschluß vom 24. April 1986 III B 55/85 (BFHE 146, 329, BStBl II 1986, 573) die Vollziehung eines Rückforderungsbescheids in einem Fall ausgesetzt, in dem eine GmbH ihren Betrieb an die Schwestergesellschaft (eine GmbH & Co. KG) veräußert hatte. Der Senat hat ausgeführt, daß weder das Prinzip erkennbar sei, nach dem die Finanzverwaltung Ausnahmen von der schädlichen Übertragung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern anerkenne, noch daß die rechtliche Tragfähigkeit eines solchen Prinzips von der Rechtsprechung bisher anerkannt sei. Es seien deshalb weitere Ausnahmefälle denkbar.

Unbeschadet der grundsätzlichen Frage, ob und welche Ausnahmen nach dem Gesetz anzuerkennen sind (vgl. zur Verpachtung eines Wirtschaftsguts von einer Schwestergesellschaft an die andere während der dreijährigen Bindungsfrist neuerdings das BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117), müßten sich diese auf Fälle beschränken, in denen die örtliche Betriebstätte als solche bestehen bleibt und wo sich lediglich der Rechtsträger ändert. Andernfalls wäre der Einsatz der Wirtschaftsgüter durch die erteilte Bescheinigung der Wirtschaftsbehörde nicht mehr gedeckt. So ist es hier. Die Bescheinigung bezieht sich lediglich auf die Betriebstätte der Klägerin. Die vermieteten Maschinen wurden aber außerhalb dieser Betriebstätte eingesetzt. Der Einsatzort liegt sogar außerhalb des Fördergebiets.

5. Der Senat hat mit Urteil vom 23. Mai 1986 III R 66/85 (BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916) entschieden, daß es der Verbleibregelung nicht entgegensteht, wenn der Investor ein Wirtschaftsgut in Erfüllung seines Geschäftszwecks nur kurzfristig, d. h. nicht länger als drei Monate vermietet. Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin einzelne Maschinen nur einen Monat vermietet hat. Es kann offenbleiben, ob die vom Senat in seinem Urteil in BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916 zu § 4b InvZulG 1982 entwickelten Rechtsgrundsätze auf § 1 InvZulG anzuwenden sind (gegen eine Anwendung dieser Grundsätze das BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51, Tz. 41). Bedenken gegen eine Übernahme dieser Grundsätze auf § 1 InvZulG könnten deshalb bestehen, weil bei § 1 anders als bei § 4b InvZulG das Fördergebiet begrenzt ist und sich die Bescheinigung der Wirtschaftsbehörde gezielt auf die Betriebstätte des Investors bezieht. Die Klägerin hat die Maschinen jedenfalls nicht in Erfüllung ihres Geschäftszwecks vermietet. Dieser besteht in der Erzeugung von Baustoffen und nicht in der Vermietung von Maschinen. Von diesem Geschäftszweck ist auch die Wirtschaftsbehörde ausgegangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415176

BFH/NV 1987, 740

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