Entscheidungsstichwort (Thema)

Liebhaberei oder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

 

Leitsatz (NV)

Das für die Annahme steuerpflichtiger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft notwendige Streben des Steuerpflichtigen nach einem Totalgewinn setzt voraus, daß erwartete Gewinne auch die in der Anfangsphase des Betriebs entstandenen Verluste abdecken. Dies wird regelmäßig bei einem von einem Verwalter geführten Hof auch dann nicht der Fall sein, wenn man entsprechend den vom Großen Senat des BFH aufgestellten Grundsätzen (Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) in die Totalgewinnprognose die Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation des Betriebs einbezieht.

 

Normenkette

EStG 1969 § 2 Abs. 3

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aus einer landwirtschaftlichen Betätigung im Jahre 1969 einen mit positiven Einkünften auszugleichenden Verlust erlitten hat, oder ob es sich um Liebhaberei handelte, die nicht zu steuerlichen Einkünfte führte.

Die Klägerin ist im Jahre 1957 Erbin ihres Vaters geworden. Zum Nachlaß gehörten eine wesentliche Beteiligung an einem Gewerbebetrieb und zwei benachbart gelegene landwirtschaftliche Höfe. Beide Höfe wurden seit Oktober 1958 gemeinsam bewirtschaftet. Die Höfe hatten eine Größe von insgesamt etwa 130 ha; neben der Feldwirtschaft wurden auf ihnen Rindvieh- und Schweinehaltung betrieben. Dabei ergaben sich für die Veranlagungszeiträume 1958 bis 1970 folgende Verluste:

Veranlagungszeitraum DM

1958 22 629

1959 33 330

1960 58 168

1961 83 830

1962 128 046

1963 156 835

1964 170 650

1965 248 492

1966 261 757

1967 206 069

1968 208 902

1969 196 145

1970 149 011

1 923 864.

Darin waren in den Wirtschaftsjahren 1965/66 bis 1969/70 Sonderabschreibungen von insgesamt 241 936 DM enthalten. Die Klägerin glich die Verluste jeweils durch Einlagen aus; der Betrieb wirtschaftete deswegen ohne Fremdmittel. Schon der Erblasser hatte mit den Höfen seit der Währungsreform Verluste von insgesamt 489 055 DM erlitten.

Nach einer Betriebsprüfung lehnte es das FA ab, die von der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 1965 bis 1970 geltend gemachten Verluste bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen; die Einkommensteuerbescheide wurden entsprechend berichtigt. Die hiergegen erhobene Sprungklage, der das FA nur für das Jahr 1969 zugestimmt hatte, blieb erfolglos.

Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG). Der Senat hielt das vom FG nicht geprüfte Vorbringen der Klägerin für wesentlich, daß sie die Verluste nur infolge des Eintritts unvorhergesehener Ereignisse erlitten habe und daß der Betrieb nach der Überwindung dieser Umstände geeignet sei, Gewinne zu erzielen (Urteil vom 18. März 1976 IV R 113/73, BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485).

Das FG holte im zweiten Rechtsgang ein schriftliches Sachverständigengutachten zu den Fragen ein, ob der landwirtschaftliche Betrieb der Klägerin im Streitjahr und in den vorhergehenden und darauffolgenden Jahren nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden ist, sowie weiter, ob die Klägerin aus der Sicht des Streitjahres 1969 nach der Wesensart und der Art der Bewirtschaftung des Betriebs auf die Dauer nachhaltig mit Gewinnen rechnen konnte. Aufgrund des erstatteten Gutachtens gab das FG nunmehr der Klage statt.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA muß die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

1. Gewinne und Verluste, die einem Steuerpflichtigen aus einer Betätigung erwachsen, sind nur dann bei der Bemessung seiner Einkommensteuer zu berücksichtigen, wenn sie sich einer der in § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Einkunftsarten zurechnen lassen. Deshalb setzt die Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Verluste voraus, daß sie aus der Unterhaltung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i. S. von § 13 Abs. 1 EStG erwachsen sind.

Nach geltendem Recht kann von einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nur gesprochen werden, wenn es sich um eine selbständige nachhaltige Betätigung handelt, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

2. Die Absicht der Gewinnerzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens des Betriebes, d. h. von seiner Gründung bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation aufs ganze gesehen einen Gewinn zu erzielen. Ob der Steuerpflichtige eine derartige Absicht hatte, läßt sich als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen. Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob der Betrieb bei objektiver Betrachtung nach seiner Art, der Gestaltung der Betriebsführung und den gegebenen Ertragsaussichten einen ,,Totalgewinn" in dem beschriebenen Umfang erwarten läßt. Ist danach bei objektiver Betrachtung ein positives Ergebnis nicht zu erwarten, kann der Steuerpflichtige gleichwohl nachweisen, daß er die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet habe, daß zunächst angefallene Verluste im Laufe der weiteren Entwicklung des Betriebs durch Gewinne ausgeglichen würden und insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielt werden könne (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. März 1985 IV R 25/82, BFHE 143, 361, BStBl II 1985, 399; vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289; vom 28. August 1987 III R 273/83, BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10).

Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht erfüllt.

3. Gutachter und FG sind zu dem Ergebnis gekommen, daß der Betrieb nach wirtschaftlich vernünftigen Grundsätzen geführt sei. Diesem Merkmal kommt insoweit Bedeutung zu, als eine offensichtlich unwirtschaftliche Betriebsführung darauf schließen läßt, daß es dem Betriebsinhaber nicht auf die Erzielung eines positiven Ergebnisses ankommt. Umgekehrt kann allerdings aus einer wirtschaftlichen Betriebsführung noch nicht geschlossen werden, der Betriebsinhaber habe auch in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Eine solche Betriebsführung kann auch den Zweck haben, erwartete Verluste möglichst gering zu halten. Ob Gewinnerzielungsabsicht bestand, hängt auch bei wirtschaftlicher Betriebsführung von den objektiven Gewinnaussichten und der subjektiven Überzeugung des Betriebsinhabers ab.

Hinsichtlich der Ertragssituation des Betriebs hat der Sachverständige ausgeführt, daß trotz der 1972/73 vorgenommenen Umorganisation angesichts überhöhter Löhne und überhöhter Energiekosten nur mit einem bescheidenden Gewinn habe gerechnet werden können, der allerdings schon bei geringfügigen negativen Einflüssen in einen Verlust umschlagen konnte. Der Sachverständige hat bei dieser Prognose die Betriebsergebnisse der Wirtschaftsjahre 1971/72 bis 1979/80 herangezogen, die in fünf Wirtschaftsjahren Verluste von insgesamt 650 000 DM, in vier Wirtschaftsjahren aber Gewinne von rd. 140 000 DM ausweisen. Der Gutachter hat diese Ergebnisse anhand eigener Berechnungen korrigiert und zu diesem Zweck die Bilanzgewinne um die von der Klägerin in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen bereinigt. Hieraus hätten sich aber erhöhte Normalabschreibungen ergeben, die der Sachverständige jedoch unberücksichtigt gelassen hat. Bei Berücksichtigung dieses Umstands hätten die Berechnungen des Sachverständigen eher zu einem in Zukunft zu erwartenden Verlust geführt. Dies würde sich mit der vom Senat gewonnenen Erfahrung decken, daß ein nicht vom Betriebsinhaber, sondern durch einen Verwalter geführter Hof in der im Streitfall gegebenen Größe auch bei günstiger Finanzierung keinen Gewinn abwirft, da die zusätzlichen Lohnkosten das Ergebnis zu stark beeinträchtigen.

Das FG und der Sachverständige haben zudem die Notwendigkeit außer acht gelassen, daß die erwarteten Gewinne auch die zu Anfang entstandenen Verluste überdecken müssen, damit ein Totalgewinn aus der landwirtschaftlichen Betätigung erzielt werden kann (vgl. Urteil in BFHE 143, 361, BStBl II 1985, 399). Dies ist nach den vom FG übernommenen Feststellungen des Sachverständigen schlechterdings ausgeschlossen, weil der erwartete bescheidene Gewinn die aufgelaufenen Verluste von rd. 2,5 Mio. DM keinesfalls aufwiegen konnte. Dies gilt auch, wenn man eine mögliche Veräußerung des Betriebes in die Betrachtung einbezieht, da der nur für landwirtschaftliche Zwecke nutzbare Grund und Boden sowie das vorhandene Inventar stille Reserven in einer für den Ausgleich der Verluste erforderlichen Höhe nicht enthalten konnten.

4. Die fehlende Gewinnerzielungsmöglichkeit spricht gegen eine Gewinnerzielungsabsicht auf seiten der Klägerin. Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte, daß die Klägerin die tatsächlichen Gegebenheiten verkannt und fälschlich von der Möglichkeit nachhaltiger Gewinnerzielung ausgegangen ist. Hiergegen mußten bereits die hohen Verluste ihres Vaters sprechen, die der Klägerin spätestens mit Übernahme der Höfe bekannt wurden.

Die tatsächliche Vermutung wird auch nicht durch den Umstand beeinträchtigt, daß die Klägerin zunächst im Wirtschaftsjahr 1965/66 und danach im Wirtschaftsjahr 1970/71 umfangreiche Investitionen vorgenommen hat. Derartige Investitionen ergeben sich aus der zunehmenden Mechanisierung der Landwirtschaft und dem Bestreben, die daraus erwachsenen Produktivitätsvorteile wahrzunehmen. Wiederum bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin sich daraus eine grundlegende Änderung der Ertragssituation und auch die Abdeckung der vorher entstandenen Verluste versprochen hat.

Anders als bei der Unterhaltung eines Gewerbebetriebs (vgl. dazu Urteil in BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289) spricht im Falle einer landwirtschaftlichen Tätigkeit auch nicht der Beweis des ersten Anscheins für die Absicht der Gewinnerzielung. Fachfremde Steuerpflichtige übernehmen einen landwirtschaftlichen Hof überwiegend aufgrund persönlicher Neigungen, selbst wenn damit nicht ein besonderes Interesse an der Pferdehaltung verbunden ist. Letztlich läßt sich auch im Streitfall nicht anders erklären, daß die Klägerin umfangreiche Mittel unter Verzicht auf eine ertragbringende Anlage zur Unterhaltung der Höfe eingesetzt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415657

BFH/NV 1989, 90

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