Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung eines VW-Großhändlers, unter bestimmten Voraussetzungen bei übernahme des Kundendienstes an neuverkauften Fahrzeugen durch eine Werkstatt außerhalb seines Vertragsgebiets eine Ausgleichsvergütung zu zahlen, rechtfertigt es nicht, in Abweichung von den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 105/63 S vom 22. August 1963 (BStBl 1963 III S. 560) eine Rückstellung für Mehrkosten des Wartungsdienstes zuzulassen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6/1/3

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1950 bis 1955 über die Zulässigkeit von Rückstellungen für den entgeltlichen Wartungsdienst von Kraftfahrzeugen.

Der Bf., ein Vw-Großhändler mit Reparaturwerkstatt, verkaufte in den Veranlagungszeiträumen 1950 bis 1955 etwa 2/3 seiner Neuwagen über Händler und etwa 1/3 unmittelbar an Endabnehmer. Im Vertrag mit dem VW-Werk verpflichtete er sich, durch einen Kundendienst für einwandfreie Betreuung der VW-Besitzer Sorge zu tragen. Im Rahmen dieses Kundendienstes führte der Bf. in seiner Reparaturwerkstatt zu den vom VW-Werk vorgeschriebenen Preisen Wartungsdienste durch, die nach seinen Berechnungen in den Jahren 1950 und 1951 4 DM, später 6 DM Mehraufwand gegenüber den vorgeschriebenen Preisen verursachten. Die Bilanzen enthalten deshalb Rückstellungen, die der Bf. nach der Anzahl der verkauften Wagen und der zu erwartenden Wartungsdienste berechnete.

Das Finanzamt erkannte die Rückstellungen für die entgeltlichen Wartungsdienste (Scheckheftzusatzkosten) nicht an, weil der Anfall dieser Mehrkosten nicht nachgewiesen sei. Außerdem hielt es die Rückstellungen aus Rechtsgründen für unzulässig, da der Verkauf als Ereignis der abgelaufenen Wirtschaftsjahre mit dem späteren Wartungsdienst nichts zu tun habe.

Der Einspruch des Bf. blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht wies die Berufung des Bf. unter Hinweis auf das Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs IV 105/63 S vom 22. August 1963 (BStBl 1963 III S. 560, Slg. Bd. 77 S. 655) als unbegründet zurück. Der Hinweis des Bf. auf die sog. Ausgleichsvergütung von 5 v. H. des Bruttolistenpreises im Falle der Abwanderung der Kunden in einen anderen Bezirk innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Verkauf könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Diese Vergütung solle nicht die mit der übernahme des Kundendienstes verbundenen Belastungen ausgleichen. Es handle sich um eine Gebietsverletzungsentschädigung, weil die "Ausgleichsvergütung" in keinem Verhältnis zu den angeblichen Mehraufwendungen des Kundendienstes stünden

Mit der Rb. rügt der Bf., das Finanzgericht habe den Inhalt des VW-Großhändlervertrages unrichtig gewürdigt. Es übersehe die zusätzliche Verpflichtung des verkaufenden Händlers im Falle der Kundendienstdurchführung durch eine andere Werkstatt. Im Großhändlervertrag mit dem VW-Werk habe er sich verpflichtet, 5 v. H. des Bruttolistenpreises als Ausgleichsvergütung an denjenigen zu zahlen, der einen im Vertragsgebiet des Bf. gekauften und dorthin gelieferten VW innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Zulassung zum öffentlichen Verkehr im Vertragsgebiet eines anderen Großhändlers ganz oder überwiegend kundendienstmäßig betreue. Diese Ausgleichsvergütung solle die zusätzlichen Kosten des entgeltlichen Wartungsdienstes für die gesamte Laufzeit des Fahrzeuges abgelten. Im übrigen könnten die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 105/63 S nicht angewandt werden, da bei ihm (dem Bf.) zwischen dem Neuwagenverkauf und der zu übernehmenden Kundendienstverpflichtung ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Finanziell stellten Verkauf und Kundendienstverpflichtung eine Einheit dar, weil der verkaufende Händler nur bei übernahme des Kundendienstes im Besitz des vollen Werkrabatts bleibe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Im Urteil IV 105/63 S lehnte der erkennende Senat die Anerkennung einer Rückstellung für zusätzliche Kosten des Wartungsdienstes bei einem VW-Einzelhändler mit der Begründung ab, der Wartungsdienst stehe in Zusammenhang mit dem Händlervertrag. Der Händlervertrag bilde keine ausreichende Grundlage für die Rückstellung, weil sich bei ihm grundsätzlich die auf ein Wirtschaftsjahr bezogenen Leistungen und Gegenleistungen ausglichen. Etwaige Belastungen durch Kundendienstleistungen unter Selbstkosten müßten dem laufenden Aufwand des Jahres der Vornahme im Rahmen des Händlervertrags zugerechnet werden.

Die Rb. bringt keine Gründe, die es rechtfertigen, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Daß zwischen dem Kraftwagenverkauf und der Kundendienstleistung ein gewisser Zusammenhang besteht, räumt auch das bezeichnete Urteil ein. Dieser Zusammenhang tritt jedoch beim Bf., der als VW-Großhändler auftritt, ebenso wie bei einem VW-Einzelhändler gegenüber dem Händlervertrag in den Hintergrund. Soweit Fahrzeuge im Großhandel verkauft wurden, darf der Bf. schon deshalb keine Rückstellungen für Wartungsdienste bilden, weil die Wartungsdienste von den VW-Einzelhändlern ausgeführt werden, denen der Bf. dafür keine Vergütung zahlt. Soweit der Bf. Endabnehmer beliefert und für diese Fahrzeuge den Wartungsdienst durchführt, unterscheidet er sich nicht von einem VW-Einzelhändler.

Der weitere Einwand des Bf., bei ihm glichen sich die Leistungen und Gegenleistungen aus dem Händlervertrag nicht aus, weil er nach Auslaufen des Händlervertrags den Kundendienst weiter übernehmen müsse, führt zu keiner anderen steuerlichen Beurteilung. Es besteht kein Anlaß, aus diesem Grunde Rückstellungen für Bilanzstichtage zuzulassen, an denen ein Ende des Vertrages nicht zu erwarten ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob und wann bei Auslaufen des Händlervertrages für einen zu erwartenden Aufwand eine Rückstellung gebildet werden darf.

Auch die zusätzliche Verpflichtung des Bf. im Großhändlervertrag mit dem VW-Werk, in bestimmten Fällen eine Ausgleichsvergütung zu zahlen, rechtfertigt keine Rückstellung für die zusätzlichen Kosten des Wartungsdienstes. Die Ausgleichsvergütung wird nicht als Ausgleich für etwaige Mehrkosten des Kundendienstes gezahlt. Denn der Bf. wird mit der Ausgleichsvergütung nicht belastet, wenn er ein Fahrzeug verkauft und eine VW-Werkstatt innerhalb seines Großhandelsgebietes den Kundendienst übernimmt. Das ist bei weitem der Regelfall. Auch dieser Werkstatt entstehen, wenn das Entgelt nicht ausreicht, durch den vom Werk vorgeschriebenen Preis ungedeckte Kosten für den Wartungsdienst. Schon diese Tatsache spricht dafür, mit dem Finanzgericht die Ausgleichsvergütung als Gebietsverletzungsentschädigung anzusehen. Auch die Höhe der Rückstellungen zeigt, daß die Ausgleichsvergütung nicht dazu bestimmt ist, einen Verlust aus dem entgeltlichen Wartungsdienst zu decken. Denn nach den eigenen Berechnungen des Bf. verursacht jeder Wartungsdienst Mehrkosten von 6 DM. Da etwa 22 Wartungsdienste während der Lebensdauer eines VW zu erwarten sind, betragen die Mehrkosten des Wartungsdienstes für jeden Wagen nicht mehr als etwa 132 DM. Demgegenüber beträgt die Ausgleichsvergütung 5 v. H. des Endverkaufspreises. Das sind rd. 230 DM. Daß der Bf. bei Aufstellung seiner Bilanzen die Ausgleichsvergütung selbst nicht mit Mehrkosten des Wartungsdienstes in Verbindung brachte, ergibt sich daraus, daß er für die zu erwartenden Ausgleichsvergütungen eine besondere Rückstellung für "übergrenzprovisionen" bildete, die das Finanzamt teilweise anerkannte und deren Höhe in diesem Verfahren nicht streitig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411882

BStBl III 1966, 144

BFHE 1966, 396

BFHE 84, 396

BB 1966, 359

DB 1966, 526

DStR 1966, 346

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