Leitsatz (amtlich)

Zur Selbständigkeit oder Unselbständigkeit von Zeitungsausträgerinnen.

 

Normenkette

EStG § 19

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin, eine GmbH, druckt und verlegt eine Tageszeitung. Die Austragung der Zeitung in den einzelnen Orten des Verbreitungsgebiets wird durch Austrägerinnen besorgt. Ein Teil der Austrägerinnen wurde aufgrund mündlicher Vereinbarungen tätig. Ein anderer Teil hatte folgende Erklärung unterzeichnet:

"Der Unterzeichnete verpflichtet sich, die Zeitungen pünktlich auszutragen. Pro Exemplar vergütet der Verlag die im Impressum festgesetzte Provision. Der Unterzeichnete übernimmt die Kassierung der Bezugsgelder in eigenem Risiko und rechnet spätestens bis Monatsende mit dem Verlag ab. Der Verlag bezahlt dem Vertragspartner pro Neuabonnement DM ... Werbeprovision, desgleichen für vermittelte Anzeigenaufträge 10 % und für Inkasso 5 % Provision. Im Falle einer persönlichen Verhinderung ist der Unterzeichnete dazu angehalten, rechtzeitig für Ersatz zu sorgen. Bei eventuellem Ausscheiden erwartet der Verlag rechtzeitige Meldung."

Die Revisionsklägerin hat die Austrägerinnen zunächst als Arbeitnehmerinnen und damit als lohnsteuerpflichtig angesehen. Vom September 1960 ab hat sie auf die Bezüge der Austrägerinnen keine Lohnsteuer mehr einbehalten, weil sie meint, daß es sich nicht um Arbeitnehmer handle.

Aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung nahm das FA die Revisionsklägerin wegen nicht einbehaltener Lohnsteuer für die Zeit vom September 1960 bis 31. März 1962 als Haftende in Anspruch. Nach Ansicht des FA sind die Austrägerinnen Arbeitnehmer. Der Einspruch führte zwar zu einer Ermäßigung; das FA hielt aber an der Lohnsteuerpflicht als solcher fest.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das FG sah in den Austrägerinnen ebenfalls Arbeitnehmer. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege im täglichen Austragen der Zeitungen. Diese Tätigkeit müsse zu einer bestimmten Zeit erbracht werden. Die Vergütung sei zwar als Provision bezeichnet. Sie stehe aber von vornherein fest, weil sie mit einem bestimmten Betrag für jedes Abonnement bezahlt werde. Eine etwaige Werbung durch die Austrägerinnen betreffe nur Spitzen. In ihren Annoncen spreche die Klägerin von einem sicheren Monatsverdienst der Austrägerinnen. Die Austrägerinnen unterlägen dem Weisungs- und Prüfungsrecht der Klägerin, die für diese Zwecke einen Betriebsinspektor im Außendienst beschäftige. Zum Teil seien sie sozialversichert. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Sozialversicherungspflicht bei jeder Neueinstellung geprüft werde. Es sei zwar richtig, daß die Versicherungspflicht auch auf Angehörige bestimmter selbständiger Berufe ausgedehnt sei, die als sozial schutzbedürftig angesehen würden (§ 166 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Zum Personenkreis der versicherungspflichtigen Selbständigen (Hausgewerbetreibende, selbständige Lehrer und Musiker, Artisten, Hebammen und selbständige Krankenpfleger) gehörten die Trägerinnen der Klägerin aber nicht. Daraus folge, daß sie nur als Arbeitnehmerinnen versichert sein könnten und somit sowohl nach Auffassung der zuständigen Versicherungsbehörden wie auch der Vertragsbeteiligten unselbständig seien. Wenngleich diese Beurteilung für die steuerrechtliche Behandlung nicht bindend sei, sei sie doch innerhalb des Gesamtbildes zu berücksichtigen (Urteil des BFH VI 183/59 S vom 24. November 1961, BFH 74, 97, BStBl III 1962, 37, 39). Von Bedeutung sei auch, daß die Austrägerinnen so gut wie keine Aufwendungen hätten. Als Aufwendungen käme allenfalls Briefporto in Betracht. Ihre werbende Tätigkeit habe im allgemeinen keinen besonderen Umfang. Die Möglichkeit, durch Werbung die Einnahmen zu erhöhen, sei daher nur ein Anhängsel der Haupttätigkeit, d. h. der Arbeitnehmertätigkeit. Die Rechtsprechung rechne zwar die Möglichkeit, durch zusätzliche Leistungen die Einnahmen zu erhöhen, zu den Merkmalen für die Selbständigkeit (BFH-Urteile V 86/55 U vom 12. Januar 1956, BFH 62, 322, BStBl III 1956, 119, und V 100/60 vom 17. Januar 1963, HFR 1963, 315; Urteile des Hessischen FG IV 673/55 vom 2. Oktober 1956, EFG 1957, 121, und des Niedersächsischen FG V U 90-92/57 vom 15. August 1961, EFG 1962, 226). Dieser Auffassung könne jedoch, wenn - wie im Streitfall - der Trägerlohn der wesentliche Bestandteil der Gesamtvergütung sei und die Werbeprämien nur gelegentliche Zusatzeinnahmen bildeten, nicht gefolgt werden. Aus dem Fehlen eines Konkurrenzverbotes ergebe sich nichts für die Selbständigkeit der Austrägerinnen. Sehe man von bestimmten Sonderfällen, die hier nicht in Betracht kommen, ab, so sei es mit dem Arbeitnehmerbegriff durchaus vereinbar, wenn die Austrägerinnen auch für andere Arbeitgeber tätig seien (Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, 2. Aufl., § 20 III 1b). Im Streitfalle sei die Klägerin ohnehin mit dieser Tätigkeit für andere Verlage einverstanden. Nach den allgemeinen Grundsätzen der unselbständigen Arbeit sei diese zwar im Zweifel vom Arbeitnehmer in Person zu erbringen (§ 613 Satz 1 BGB). Hierbei handle es sich aber nur um eine Auslegungsregel. Wenn die Klägerin ihren Trägerinnen das Recht eingeräumt habe, die Arbeit auch durch einen Vertreter zu erbringen, so habe sie nur von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Arbeitsverhältnis entsprechend auszugestalten. Die Unselbständigkeit der Arbeit werde hierdurch nicht in Frage gestellt. Auch das von der Klägerin geltend gemachte Inkassorisiko könne nicht zugunsten der Selbständigkeit der Trägerinnen den Ausschlag geben. Nach der eigenen Darstellung der Klägerin beruhe das Risiko in der Hauptsache darauf, daß die Trägerinnen für den Verlust der bereits kassierten Bezugsgelder einzustehen hätten. Eine solche Haftung begründe jedoch kein unternehmerisches Risiko. Sie sei vielmehr für jede Verwaltung fremder Gelder durch Arbeitnehmer typisch. Der festangestellte Kassierer an der Ladenkasse und der Kellner unterlägen der gleichen Verantwortlichkeit, ohne daß damit ihre Unselbständigkeit in Frage gestellt werde. Hinsichtlich eines etwaigen Risikos durch die Nichtzahlung der Zeitungsgebühren durch einen Bezieher habe die Klägerin - bestätigt durch die Beweisaufnahme - vorgetragen, daß die Trägerinnen gehalten seien, spätestens in den ersten Tagen des Monats die laufenden Gebühren zu kassieren. Im Falle der Nichtzahlung werde dann die Lieferung sofort eingestellt. Eine Zahlungsverpflichtung und damit ein Risiko der Trägerin für die in den ersten Tagen des Monats bereits ausgelieferten Exemplare bestehe nicht. Der Sachverhalt weiche also von dem in dem BFH-Urteil V 86/55 U (a. a. O.) angeführten ab, wo von den Trägerinnen die Zeitungsgebühren hätten in jedem Fall abgeführt werden müssen, also auch dann, wenn die Abonnenten ihrerseits nicht bezahlt hätten. Im Streitfall könne die Nichtzahlung der Gebühren demnach nur dann zu Lasten der Trägerin gehen, wenn sie entgegen ihrem Auftrag die Zeitung trotz Nichtzahlung der Gebühr nicht abbestellt, sondern weiter ausgeliefert habe. Der BFH habe in seinem Urteil V 100/60 (a. a. O.) zwar angenommen, daß bei solcher Gestaltung das Risiko gemindert, nicht jedoch beseitigt sei und deswegen neben anderen Merkmalen als Argument für die Selbständigkeit diene. Im Streitfall habe die Klägerin nach ihren eigenen Angaben keinen Fall dieser Art feststellen können. Danach sei davon auszugehen, daß das Ausfallrisiko fast zur Bedeutungslosigkeit herabgemindert und praktisch nur als ganz entfernte Möglichkeit bestanden habe. Es würde eine Überbewertung dieses fast bedeutungslosen Risikos darstellen, wenn es als bedeutsames Merkmal für Selbständigkeit anerkannt würde. Endlich begründe auch der gelegentliche Verkauf von Einzelexemplaren kein Geschäftsrisiko der Trägerinnen. Dieser Verkauf komme ohnehin nur bei besonderen Anlässen (Wahlen, Staatsbesuchen, Sportgroßveranstaltungen usw.) in Betracht. Die Trägerinnen erhielten für jedes verkaufte Exemplar eine Vergütung, die nicht verkauften Exemplare gingen aber ohne Kostenpflicht der Trägerin an den Verlag zurück. Daß die Verträge über Urlaubsansprüche und Kündigungsschutz der Trägerinnen keine Bestimmung enthielten, besage nicht, daß entsprechende Arbeitnehmerrechte nicht bestünden. Diese Frage brauche aber nicht geprüft zu werden. Denn innerhalb des Gesamtbildes der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit der Zeitungsausträgerinnen seien diese Fragen von untergeordneter Bedeutung, zumal die Tätigkeit täglich nur kurze Zeit ausgeübt werde und wegen der Möglichkeit der Vertretung ohnehin eine Unterbrechung erlaube.

Mit ihrer Revision rügt die Revisionsklägerin die unrichtige Anwendung der §§ 19 und 38 EStG. Das FG, so macht sie geltend, habe die Stellung der Austrägerinnen verkannt. Diese bekämen kein festes Gehalt, sondern eine nach dem Leistungserfolg bemessene Provision. Je nachdem, ob die Austrägerin eine kleinere oder größere Agentur übernehme, sei ihr Verdienst kleiner oder größer. Im Hinblick darauf, daß ihr die Werbung und der Einzelverkauf von Zeitungen übertragen seien, habe sie auch ein echtes Unternehmerrisiko. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß gut die Hälfte aller Austrägerinnen Abonnenten würben, daß etwa ein Drittel Zeitungen auch frei verkaufe und daß ebenfalls etwa ein Drittel sich mit der Anzeigenwerbung befasse. Gut die Hälfte der Austrägerinnen sei auch für andere Verlage tätig. Daß die Austrägerinnen lediglich den Arbeitserfolg schuldeten, ergebe sich daraus, daß sie sich vertreten lassen könnten. Es sei auch allein ihre Sache, wann sie austrügen, sofern nur der Abonnent seine Zeitung rechtzeitig erhalte. Ein Anspruch auf Urlaub sei nicht gegeben, wie es auch an einem Kündigungsschutz fehle. Daß die nichtverkauften Zeitungen zurückgegeben werden könnten, spreche nicht gegen das Unternehmerrisiko; denn dieses Verfahren sei branchenüblich und auch dort angewandt, wo es sich einwandfrei um Zeitschriftenhändler handle. In bezug auf das Inkassorisiko ergebe sich eindeutig aus den Akten, daß das FA Ausfälle festgestellt habe. Eine von den vier gehörten Trägerinnen habe bekundet, daß sie "gelegentlich" habe Geld ersetzen müssen. Obwohl ihr Prozeßbevollmächtigter auf diesen Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung besonders hingewiesen habe, habe dieser Tatbestand keinen Niederschlag in den tatbestandsmäßigen Feststellungen des FG gefunden. Ihren Antrag auf Berichtigung des Urteilstatbestandes gemäß § 108 FGO habe das FG durch Beschluß II 38-40/64 vom 22. Januar 1968 abgelehnt, weil der Senat in den Urteilsgründen zugunsten der Klägerin davon ausgegangen sei, daß es gelegentlich vorgekommen sein könne, daß eine Trägerin für nicht gezahltes Zeitungsgeld habe einstehen müssen. Diese Begründung sei nicht schlüssig. Lege man allein das Urteil zugrunde, so könne der BFH als Revisionsgericht nicht berücksichtigen, daß die Vorinstanz in den Entscheidungsgründen günstigere Tatbestandsmerkmale zugrunde gelegt habe, als im Urteilstatbestand angegeben seien. Nach ihrer Auffassung sei daher der BFH an den vorliegenden Urteilstatbestand insoweit nicht gebunden, als eine nach den Gerichtsakten klar feststehende Tatsache nicht im Tatbestand des Urteils erwähnt worden sei (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 19 und 30 zu § 118 FGO). Es stehe also fest, daß die Austrägerinnen ein echtes Inkassorisiko zu tragen gehabt hätten und daß Ausfälle nicht selten gewesen seien. Das FG habe deshalb nicht zu dem Ergebnis kommen können, daß das Inkassorisiko "fast zur Bedeutungslosigkeit herabgemindert" sei und "nur als ganz entfernte Möglichkeit" bestanden habe. Im übrigen aber habe das FG insofern gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, als es den § 60 Abs. 3 FGO nicht beachtet habe. Nach dieser Vorschrift hätte ein Vertreter der Austrägerinnen beigeladen werden müssen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Was zunächst die Rüge der mangelnden Beiladung betrifft, so übersieht die Revisionsklägerin, daß zu dem Haftungsprozeß des Arbeitgebers eine Beiladung der Arbeitnehmer zwar erfolgen kann, aber nicht erfolgen muß. Es kann dahingestellt bleiben, ob es zweckmäßig gewesen wäre, die eine oder die andere Austrägerin beizuladen. Das wäre möglich gewesen, weil hinsichtlich dieser Arbeitnehmerinnen die "rechtlichen Interessen nach den Steuergesetzen" durch die Entscheidung insofern berührt werden, als es um ihre Lohnsteuerpflicht geht. Eine notwendige Beiladung im Sinne des § 60 Abs. 3 FGO kommt aber nicht in Betracht; denn die Entscheidung, um die es im vorliegenden Falle geht, kann nicht nur einheitlich ergehen: Auch wenn die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen ist (und die beigeladenen Arbeitnehmerinnen also "verurteilt" werden müßten), kann doch der Haftungsanspruch gegen die Revisionsklägerin verneint werden, z. B. weil es unbillig wäre, sie in Anspruch zu nehmen.

Nicht berechtigt ist auch die Rüge, daß das FG den Sachverhalt insofern unzutreffend festgestellt habe, als das Ausfallrisiko der Austrägerinnen nicht richtig wiedergegeben worden sei. Es ist zwar richtig, daß eine Austrägerin vor dem FA bekundet hat, sie habe "gelegentlich" Geld ersetzen müssen. Das FG hat sich aber in diesem Punkt - anders als bei der Wiedergabe der Aussagen des Zeugen A (des Betriebsleiters der Revisionsklägerin) - nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme bezogen, sondern ist bei seiner Beweiswürdigung trotz der Ergebnislosigkeit der Ermittlungen des Zeugen gerade auch von einem "gelegentlichen Ersatz" ausgegangen. Denn es sagt ausdrücklich, es würde, auch wenn es gelegentlich vorgekommen sein sollte, daß eine Austrägerin für das später von dem Abonnenten nicht gezahlte Zeitungsgeld habe einstehen müssen, an der Beurteilung des Senats nichts ändern, weil nach den tatsächlichen Verhältnissen des Streitfalles "dieses Ausfallrisiko fast zur Bedeutungslosigkeit herabgemindert" gewesen sei und "praktisch nur als ganz entfernte Möglichkeit" bestanden habe.

Was die Streitfrage selbst angeht, so hat das FG die Rechtsprechung des BFH zutreffend wiedergegeben. Für die Frage, ob jemand Arbeitnehmer oder aber selbständig Tätiger ist, sind die gegen oder für die eine oder die andere Stellung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Maßgebend ist dann das Gesamtbild, daß sich aufgrund dieser Abwägung ergibt.

Daß gerade Zeitungsausträgerinnen trotz einer Vergütung in Gestalt einer Provision Arbeitnehmerinnen sein können, hat bereits der RFH entschieden (vgl. RFH-Urteile VI A 1173/25 vom 21. April 1926, RStBl 1926, 220, und VI A 55/32 vom 1. Juni 1934, RStBl 1934, 1029). Demgegenüber hat allerdings der V. Senat des BFH in einer Umsatzsteuersache angenommen, daß die Zeitungsträger selbständig seien (vgl. BFH-Urteil V 86/55 U, a. a. O.). In demselben Sinne haben das Hessische FG (Urteil IV 673/55, a. a. O.) und das FG München (Urteil III [V] 66/61 vom 23. Mai 1962, EFG 1962, 510) entschieden. Hier wie dort ist aber das sich aufgrund der Abwägung aller Einzelumstände ergebende Gesamtbild als maßgebend angesehen worden.

Wenn das FG in dem vorliegenden Falle, in dem es in der gleichen Weise vorging, also die für die Selbständigkeit sprechenden Merkmale gegen die für die Unselbständigkeit sprechenden Merkmale abwog, zu dem Gesamtbild eines Arbeitsverhältnisses gelangte, so handelt es sich um eine Beweiswürdigung, wie sie gearde dem FG als Tatsachengericht obliegt. Ob man, um zu einem bestimmten Gesamtbild zu kommen, die Akzente so oder so setzt, gehört zu der Bildung der Überzeugung, nach der das FG entscheidet (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Daß das FG bei seiner Beweiswürdigung die Denkgesetze verletzt oder gegen den Akteninhalt verstoßen hätte, ist nicht ersichtlich. Das FG konnte zu seiner Überzeugung kommen. Es ist nicht erforderlich, daß es zu ihr kommen mußte.

Der Revisionsklägerin mag zuzugeben sein, daß nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihr und den Austrägerinnen, um deren Stellung es im Streitfall geht, bürgerlich-rechtlich kein Arbeitsverhältnis vorliegt. Wie bereits das FG ausgeführt hat, ist aber die steuerrechtliche Beurteilung, bei der es nicht um die zwischen den Beteiligten bestehenden bürgerlich-rechtlichen Ansprüche, sondern allein um die zutreffende steuerliche Erfassung (Einordnung der Einkünfte einerseits, Frage der Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht andererseits) geht, nicht so sehr von der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarung als vielmehr davon abhängig, wie das Verhältnis tatsächlich gestaltet ist. Im Streitfall sprechen verschiedene Merkmale für die Unselbständigkeit der Austrägerinnen und verschiedene Merkmale für die Selbständigkeit. Wenn die Revisionsklägerin im Gegensatz zum FG die letzteren betont und die ersteren als nebensächlich abtut, so handelt es sich lediglich um einen Angriff gegen die Beweiswürdigung, mit dem sie in dem Revisionsverfahren nicht durchdringen kann.

Soweit die Revisionsklägerin meint, daß die von dem FG für die Unselbständigkeit angeführten Merkmale überhaupt nicht gegeben wären, kann ihr nicht zugestimmt werden. Auch wenn die Entlohnung der Austrägerinnen nach einem bestimmten Betrag je Abonnent bemessen ist, kann doch, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wegen der von vornherein feststehenden Zahlen der Abonnenten nicht von einem je nach der Tätigkeit der Austrägerin schwankenden Leistungslohn, sondern eher von einem festen Monatsverdienst gesprochen werden. Mit Recht hat das FG auch in dem täglich gleichbleibenden Arbeitspensum ein Merkmal der Abhängigkeit gesehen. Wenn auch die Austrägerinnen die Möglichkeit einer ihren Bedürfnissen Rechnung tragenden Einteilung haben, so sind ihnen doch ihr Arbeitspensum durch die Zahl der Abonnenten und ihre Arbeitszeit durch bestimmte Mindestanforderungen vorgeschrieben. Zuzugeben ist der Revisionsklägerin, daß darin, daß Austrägerinnen auch für andere Verlage tätig sein dürfen, eine Werbung treiben können und ein gewisses Inkassorisiko tragen, Merkmale für die Selbständigkeit liegen. Diese sind aber nach den Feststellungen des FG nicht so gewichtig, daß es sie nicht als im Hinblick auf die eigentliche Tätigkeit der Austrägerinnen, nämlich das Austragen der Zeitungen, als von nebensächlicher Bedeutung ansehen konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68376

BStBl II 1969, 103

BFHE 1969, 189

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