Entscheidungsstichwort (Thema)

Schuldzinsenabzug für ein Darlehen, das nur zum Teil zur Baufinanzierung verwendet wird

 

Leitsatz (NV)

1. Verwendet ein Steuerpflichtiger ein Darlehen zum Teil zur Baufinanzierung, zum Teil für Privataufwendungen, so sind nur die auf den zur Baufinanzierung verwendeten Teil entfallenden Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

2. Der im Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) aufgestellte Grundsatz, demzufolge bei gemischten Kontokorrentkonten unterstellt werden kann, daß durch laufende Geldeingänge (Habenbuchungen) vorrangig die privaten Schuldenteile getilgt werden, kann nicht auf Tilgungszahlungen übertragen werden, die auf einen Festkredit geleistet werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichteten ein Zweifamilienhaus, das sie nach der Bezugsfertigkeit am 1. Juli 1983 zur Erzielung von Vermietungseinkünften nutzten. Die zunächst angefallenen Baukosten bestritten sie bis zur Höhe von ca. 400 000 DM mit Mitteln, die sie auf Festgeldkonten angespart hatten. Im Mai 1983 nahmen sie einen Bankkredit von 500 000 DM auf, den sie in Höhe von 311 127 DM zur Begleichung von Steuerschulden und zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen und im übrigen (188 873 DM) zur Baufinanzierung verwendeten. Sie lösten das Darlehen im August 1984 durch einen bei einer anderen Bank aufgenommenen Kredit ab. Hierauf leisteten sie in den Jahren 1984 und 1985 Tilgungen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte den Teil der Darlehenszinsen, der in den Streitjahren 1983 bis 1985 auf den Teilbetrag von 311 127 DM entfiel, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision, mit der sie Verletzung des § 21 Abs. 2 sowie des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 3. April 1991 für die Jahre 1984 und 1985 Änderungsbescheide erlassen und darin weitere Schuldzinsen von 1 089 DM (1984) und 4 705 DM (1985) als Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Den zusätzlichen Schuldzinsenabzug begründete es mit Tilgungen, die es aufgrund des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) vorrangig mit dem Teil der Darlehensschuld verrechnete, der nicht auf die Baufinanzierung entfiel. Die Kläger haben die Änderungsbescheide gemäß §§ 121, 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision der Kläger ist bezüglich des Streitjahres 1983 begründet; insoweit führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Das FG hat zutreffend die geltend gemachten Schuldzinsen nur insoweit als durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlaßt angesehen, als sie anteilig auf den Teil des Darlehens entfielen, den die Kläger zur Baufinanzierung verwendeten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG gehören Schuldzinsen zu den Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Maßgebend ist der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens (BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 823). Ein bloß rechtlicher Zusammenhang reicht nicht aus (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 IX R 229/87, BFH/NV 1993, 603 m. w. N.).

Im Streitfall haben die Kläger nur einen Teilbetrag von 188 873 DM für die Baufinanzierung benutzt. Lediglich die hierauf entfallenden Schuldzinsen sind durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlaßt, im übrigen fehlt es am wirtschaftlichen Zusammenhang i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Dieser läßt sich nicht durch eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen oder durch die einheitliche zivilrechtliche Vertragsgrundlage herstellen (BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824; Senatsurteil in BFH/NV 1993, 603).

Zu keiner anderen Betrachtung führt der Einwand der Kläger, sie hätten -- anstelle der gewählten Gestaltung -- die Privataufwendungen mit Eigenmitteln bestreiten und das Darlehen in vollem Umfang für den Hausbau verwenden können. Maßgeblich ist allein der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt, nicht ein gedachter (BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 826 m. w. N.). Werden Darlehensmittel zur Finanzierung von Aufwendungen eingesetzt, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem Einkünftetatbestand stehen, so entfällt die Zuordnung zum steuerrechtlich unbeachtlichen Bereich nicht deshalb, weil die Möglichkeit bestanden hätte, das Darlehen für Vermietungszwecke zu verwenden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 IV R 46/86, BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514).

2. Die Klage ist jedoch insoweit teilweise begründet, als in dem während des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangenen Änderungsbescheid 1983 vom 29. Oktober 1990 noch nicht die nach § 54 Abs. 1 EStG a. F. (Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes -- StÄndG -- 1991 vom 24. Juni 1991, BGBl I 1991, 1322) anzusetzenden erhöhten Kinderfreibeträge von 2 432 DM sowie 1 832 DM berücksichtigt worden sind.

II. Die Revision der Kläger ist bezüglich des Streitjahres 1984 ebenfalls begründet mit der Folge, daß das angefochtene Urteil aufzuheben ist und der Senat in der Sache selbst entscheidet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Gegenstand des Verfahrens ist aufgrund des Antrags der Kläger nach §§ 121, 123 Satz 2, § 68 FGO der geänderte Einkommensteuerbescheid 1984 vom 3. April 1991 geworden. Der Senat hält es nicht für geboten, die Sache nach § 127 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, da die Sache spruchreif ist und die tatsächlichen Grundlagen hinsichtlich des Streitpunktes durch den neuen Bescheid nicht berührt werden.

2. Das FG hat auch hinsichtlich des Streitjahres 1984 zutreffend angenommen, daß die in diesem Jahr angefallenen Schuldzinsen nur insoweit als Werbungskosten abziehbar sind, als sie anteilig auf den zur Baufinanzierung verwendeten Teil des Darlehens entfielen. Insoweit wird auf die das Jahr 1983 betreffenden Ausführungen verwiesen.

Die im Jahre 1984 vorgenommene Umschuldung hat auf die Aufteilung der Schuldzinsen in abziehbare und nicht abziehbare Aufwendungen keinen Einfluß. Wird ein Darlehen, das nur zum Teil mit Vermietungseinkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang steht, durch einen Kredit abgelöst, so ändert dies nichts daran, daß nur teilweise ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824; BFH-Urteile vom 15. November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226; vom 7. November 1991 IV R 57/90, BFHE 165, 545, BStBl II 1992, 141).

Auch durch die Tilgungszahlungen, die in den Jahren 1984 und 1985 geleistet wurden und die das FA -- zu Unrecht -- zu einer Änderung der Einkommensteuerbescheide 1984 und 1985 zugunsten der Kläger veranlaßt haben, wurde das Verhältnis der abziehbaren Schuldzinsen zu den nicht abziehbaren nicht berührt. Die Tilgungsleistungen minderten im Streitfall im gleichen Verhältnis sowohl den Teil des Darlehens, der in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Vermietungseinkünften stand, als auch denjenigen, der für Steuerzahlungen und andere Privataufwendungen verwendet wurde. Entgegen der Rechtsauffassung des FA läßt sich der im BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828 aufgestellte Grundsatz, wonach bei gemischten Kontokorrentkonten unterstellt werden kann, daß durch laufende Geldeingänge (Habenbuchungen) vorrangig die privaten Schuldenteile getilgt werden, nicht auf Tilgungszahlungen übertragen, die auf einen Festkredit geleistet werden. Hierzu wird auf das BFH-Urteil in BFHE 165, 545, BStBl II 1992, 141 verwiesen, dem sich der erkennende Senat anschließt.

3. Dennoch ist die Klage teilweise begründet, weil das FA die nach § 54 EStG a. F. erhöhten Kinderfreibeträge in dem Änderungsbescheid vom 3. April 1991 nicht berücksichtigt hat. Nach einer Saldierung mit den vom FA nach den vorstehenden Ausführungen zu Unrecht als Werbungskosten abgezogenen 1 089 DM ergibt sich folgende Einkommensteuer 1984: ...

III. Die Revision der Kläger ist bezüglich des Streitjahres 1985 im Ergebnis unbegründet.

1. Verfahrensgegenstand ist aufgrund des Antrags der Kläger nach §§ 121, 123 Satz 2 und § 68 FGO der geänderte Einkommensteuerbescheid 1985 vom 3. April 1991 geworden. Einer Zurückverweisung der Sache nach § 127 FGO bedarf es aus den gleichen Gründen wie im Streitjahr 1984 nicht.

2. Die Kläger können keine Herabsetzung der Einkommensteuer 1985 unter den Betrag lt. Änderungsbescheid vom 3. April 1991 erreichen. Wie aus den das Streitjahr 1984 betreffenden Ausführungen zu ersehen ist, hätte das FA keine weiteren Werbungskosten im Änderungsbescheid vom 3. April 1991 berücksichtigen dürfen. Der zusätzlich zum Abzug zugelassene Betrag von 4 705 DM übersteigt die auch für das Jahr 1984 vorzunehmende Erhöhung der Kinderfreibeträge von 3 400 DM. Eine Verböserung der Steuerfestsetzung ist dem Senat jedoch verwehrt (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 96 Rz. 5).

IV. Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist zu berücksichtigen, daß das FA durch die Änderungsbescheide 1984 und 1985 vom 3. April 1991 dem Klagebegehren zum Teil abgeholfen hat und die Kläger insoweit obsiegt haben (§ 136 Abs. 1 FGO). Der Senat hält es für angebracht, die Kostenentscheidung nach Zeitabschnitten zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 1984 II R 184/81, BFHE 141, 333, BStBl II 1985, 261). Durch die Änderungsbescheide hat das FA dem Klagebegehren in Höhe von 11 v. H. Rechnung getragen. Die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens sowie die bis zum Erlaß dieser Bescheide angefallenen Kosten des Revisionsverfahren sind daher den Klägern zu 89 v. H. und dem FA zu 11 v. H. aufzuerlegen. Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens haben entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens die Kläger zu 87 v. H. und das FA zu 13 v. H. zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420146

BFH/NV 1995, 203

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