Leitsatz (amtlich)

Zoologische Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 GZT müssen sich durch ihre Seltenheit oder ähnliche Merkmale und einen zoologisch-wissenschaftlichen Wert auszeichnen; ausgestopfte Tiere für Sammlungen genügen diesen Anforderungen nicht schon dadurch, daß sie als Anschauungsobjekte dienen können.

 

Normenkette

GZT Tarifnr 99.05; GZT Tarifnr 67.01; GZT Tarifnr 43.03

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 22.05.1984; Aktenzeichen III 254/82 Z 1, Z 2)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der ein Import-/Exportgeschäft insbesondere mit präparierten Tieren und Jagdtrophäen betreibt, führte verschiedentlich entsprechende Waren ein, die stets als solche der Tarifnr.99.05 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) --zollfreie zoologische Sammlungsstücke-- behandelt wurden. Am 23.Januar 1980 ließ der Kläger bei dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) einen Keilerkopf und verschieden präparierte Vögel, am 19.März 1980 nur präparierte Vögel zum freien Verkehr abfertigen, die als zoologische Sammlungsstücke angemeldet und behandelt wurden. Mit Bescheid vom 19.November 1981 forderte das HZA Zoll und Einfuhrumsatzsteuer mit der Begründung nach, die Waren seien als Präparate von Federtieren der Tarifst.67.01 B GZT bzw. als Präparate von Haartieren der Tarifst.43.03 B GZT zu tarifieren. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt: Die eingeführten Waren seien präparierte Tiere oder Teile von solchen, die aufgrund ihrer Aufmachung geeignet seien, als Anschauungsobjekte für Merkmale und Besonderheiten der betreffenden Tierarten zu dienen, somit zoologische Sammlungsstücke. Einen bestimmten wissenschaftlichen Wert brauchten zoologische Sammlungsstücke nicht zu haben.

Mit der Revision gegen dieses Urteil (Leitsatz veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 92, vgl. auch Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1984, 371) macht das HZA geltend, der Begriff "Sammlung" sei mit dem Merkmal "selten" oder verwandten Merkmalen zu verbinden. An diesem Erfordernis fehle es im Streitfall.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung). Die vom Kläger eingeführten Waren sind keine zoologischen Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 GZT, sondern, wie in den angefochtenen Bescheiden festgestellt, Erzeugnisse der Tarifst.67.01 B bzw. 43.03 B GZT.

Durch Urteile vom 10.Oktober 1985 Rs.200/84 und Rs.252/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1986, 431, ZfZ 1986, 14) hat der EuGH den Begriff "Sammlungsstücke" im Sinne der Tarifnr.99.05 GZT ausgelegt. Er hat entschieden, Sammlungsstücke im Sinne dieser Tarifnummer seien Gegenstände, die geeignet seien, in eine Sammlung aufgenommen zu werden. Dies seien verhältnismäßig seltene Gegenstände, die außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsartikeln ständen, einen hohen Wert hätten und normalerweise nicht ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung gemäß verwendet würden. Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Urteil vom 29.Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90, 92). Die Entscheidungen des EuGH betreffen zwar Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert. Die Auslegungsgrundsätze, von denen der EuGH ausgeht, sind jedoch allgemein bei der Beurteilung der Frage zu beachten, ob es sich um Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 handelt.

Die streitbefangenen Waren können unter Zugrundelegung dieser Grundsätze nicht als Sammlungsstücke anerkannt werden. Sie entsprechen nicht den dafür zu stellenden Anforderungen. Dies ergibt sich bereits daraus, daß sie --als gängige Tierpräparate-- nicht (verhältnismäßig) selten sind. Sie weisen auch keine der Seltenheit gleichzustellenden Besonderheiten auf. Die Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT), die zwar nicht rechtsverbindlich, wohl aber nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Senats wichtiges Erkenntnismittel bei der Auslegung des Zolltarifs sind, nennen neben der Seltenheit die Zusammenstellung und die Aufmachung von Gegenständen, auch mit bezug auf ausgestopfte Tiere für Sammlungen (ErlZT zu Tarifnr.99.05 Teil I Rdziff.1 und 3). Das FG will es genügen lassen, daß die Waren aufgrund ihrer Aufmachung --ihrer naturgetreuen Herrichtung-- geeignet sind, als Anschauungsobjekte zu dienen. Es verkennt dabei, daß die Aufmachung ein der Seltenheit assimiliertes Merkmal ist, das wie diese ein Interesse an den Waren begründen muß, ein Interesse, das im Hinblick auf die Art der Waren nur zoologischer Art sein kann. Ein derartiges besonderes Interesse kommt Waren aber nicht schon deshalb bei, weil sie als Anschauungsobjekte dienen können. Sie müssen vielmehr, sollen sie zolltariflich als Sammlungsstücke anerkannt werden, Besonderheiten für das betreffende Wissensgebiet aufweisen, sei es die Seltenheit als Einzelstück, die besondere Aufmachung bei anderen (nicht seltenen) Stücken oder --bei Sammlungen-- die Art und Weise ihrer Zusammenstellung (zu eng, weil nur auf die Seltenheit bezogen, ErlZT zu Kapitel 99 Teil IV --Nationale Anordnung-- Rdziff.3; Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung Z 82 12 Abs.95 Nr.1). Derartige Besonderheiten hat das FG im Streitfalle nicht festgestellt; sie sind auch nicht ersichtlich.

Die Waren haben auch keinen sie als Sammlungsstücke kennzeichnenden hohen Wert, auch keinen besonderen ideellen Wert, der es rechtfertigen könnte, Erzeugnisse mit verhältnismäßig geringem Materialwert als Sammlungsstücke zu tarifieren (vgl. ErlZT zu Tarifnr.99.05 Teil I Rdziff.1). Schließlich ist nicht ersichtlich, daß die Waren Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind.

Können die Waren schon aus diesen Gründen nicht als Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne anerkannt werden, so bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob sie einen zoologisch-wissenschaftlichen Wert verkörpern. Diese Frage, die eng mit der der Eignung zur Aufnahme in eine zoologische Sammlung zusammenhängt, wäre allerdings entscheidungserheblich, wenn die Tierpräparate den allgemeinen Anforderungen an Sammlungsstücke genügten. Der Senat teilt nicht die Ansicht des FG (erneut vertreten im Urteil vom 19.September 1986 III 122/84 U, EFG 1987, 94), naturkundliche Sammlungsstücke brauchten im Gegensatz zu Sammlungsstücken "von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem, völkerkundlichem oder münzkundlichem Wert" (Tarifnr.99.05) keinen bestimmten wissenschaftlichen Wert zu haben. Zwar trifft es zu, daß nach dem Wortlaut des GZT ein solcher Wert für zoologische, botanische, mineralogische oder anatomische Sammlungsstücke nicht gefordert wird. Er wird indessen durch die jeweilige Eigenschaft des Sammlungsstücks --z.B. zoologisches Sammlungsstück-- vorausgesetzt. Das ergibt sich aus Art.I Abs.1 Buchst.b Anhang B Nr.5 des UNESCO-Abkommens vom 22.November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters (BGBl II 1957, 171). Vorgesehen ist darin Zollfreiheit für eingeführte "wissenschaftliche" Sammlungsgegenstände (objets de collection interessant les sciences/collectors pieces in ... scientific fields), insbesondere auf den Gebieten der Zoologie ... Insoweit wird dieses Abkommen durch Kapitel 99 des Zolltarifs verwirklicht (vgl. auch Schlußanträge des Generalanwalts in den EuGH-Rechtssachen 200/84 und 252/84; noch nicht veröffentlicht). Demgemäß sprechen auch die ErlZT (zu Kapitel 99 Teil I Rdziff.5) von Sammlungsstücken aus bestimmten Gebieten der Wissenschaft (Zoologie ...).

 

Fundstellen

Haufe-Index 61943

BFHE 150, 97

BFHE 1987, 97

HFR 1987, 475-476 (ST)

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