Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Durchlaufende Posten liegen nicht vor, wenn der Unternehmer entweder selbst einen Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden hat oder wenn der Zahlungsempfänger den Betrag von ihm selbst fordern kann. Liegen solche unmittelbaren Rechtsbeziehungen mit dem Unternehmer vor, so sind Rechtsbeziehungen ohne Bedeutung, die zwischen dem Zahlungsempfänger und der Person bestehen, die an den Unternehmer leistet oder zu leisten verpflichtet ist.

Die Frage, ob der Unternehmer Beträge im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt, kann nicht nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise entschieden werden.

 

Normenkette

UStG § 5 Abs. 3, § 10/1/4

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Stpfl.) ist Generalvertreterin der G für einen bestimmten Bezirk.

Streitig ist, ob die Stpfl. Provisionen in Höhe von 78.224 DM, die im Jahre 1953 an ihre Untervertreter gezahlt wurden, als durchlaufende Posten gemäß § 5 Abs. 3 UStG behandeln durfte.

Das Finanzamt (FA) hat die Stpfl. mit den gesamten von den G ausbezahlten Provisionen zur Umsatzsteuer herangezogen.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) stützt seine Rechtsauffassung ebenso wie das FA auf den zwischen den G und der Stpfl. abgeschlossenen Vertretungsvertrag vom August 1949. Nach diesem Vertrag haben die G der Stpfl. die Alleinvertretung für G-Erzeugnisse für ein bestimmtes Gebiet übertragen und sich verpflichtet, der Stpfl. "sämtliche Anfragen, Aufträge auf ... (G-Erzeugnisse) aus oben genanntem Gebiet zu überweisen". Die Stpfl. konnte die Erzeugnisse der G zum Eigenhandel beziehen oder Abschlüsse gegen Provision vermitteln. In jedem Fall erhielt sie einen sogenannten "Rabatt", der für die einzelnen Erzeugnisse verschieden hoch (15 - 20 %) festgesetzt war. Die Stpfl. konnte sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten sog. "Untervertreter" bedienen. Hierüber war im Vertretungsvertrag lediglich folgendes bestimmt:

"Die Vertretung verpflichtet sich, ihren Untervertretern einen angemessenen Rabatt einzuräumen. Besondere Beachtung hat die Vertretung ihrem Kundendienst zu widmen und ihre Untervertreter immer wieder anzuhalten. Als Untervertreter kommen nur wirkliche Fachkräfte in Frage."

Für die Rabattgewährung an die Untervertreter hatten die G Richtlinien aufgestellt. Nach den Feststellungen des FG hat die Stpfl. Untervertreter nur für sich selbst verpflichtet.

Der Vertretungsvertrag wurde im Jahre 1954 durch einen Werksvertreter- und Bezirksvertretervertrag ersetzt.

Das FG hat geprüft, ob und gegebenenfalls welchen Einfluß die von der Stpfl. vorgetragenen Tatsachen auf den Vertretungsvertrag gehabt haben. Es kam unter Würdigung des Vorbringens der Stpfl. zu dem Ergebnis, daß die Stpfl. im Streitjahr auf die an die Untervertreter ausgezahlten Provisionen einen eigenen Anspruch hatte.

Mit der Rb. rügt die Stpfl. fehlerhafte Rechtsanwendung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Stpfl., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§§ 184 Abs. 2, 115 f. FGO) ist unbegründet.

Die Stpfl. erbringt nach dem Vertretungsvertrag sonstige Leistungen im Sinne des § 1 Ziff. 1 UStG, die der Umsatzsteuer unterliegen. Bemessungsgrundlage ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG das vereinnahmte Entgelt. Zum Entgelt gehören nach § 5 Abs. 3 UStG nicht die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt ("durchlaufende Posten").

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Zahlungen an die Untervertreter der Stpfl. keine durchlaufenden Posten sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH hängt die Anwendung des § 5 Abs. 3 UStG davon ab, daß der Unternehmer im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mittelsperson ausübt. An dieser Eigenschaft fehlt es ihm, wenn er entweder selbst einen Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden hat oder wenn der Zahlungsempfänger den Betrag von ihm selbst fordern kann. Liegen solche unmittelbaren Rechtsbeziehungen mit dem Unternehmer vor, so sind Rechtsbeziehungen ohne Bedeutung, die zwischen dem Zahlungsempfänger und der Person bestehen, die an den Unternehmer leistet. Denn in diesen Fällen wird immer auch entweder die eigene Forderung oder die eigene Schuld des Unternehmers getilgt. Geschieht dies, so ist für die Anwendung des § 5 Abs. 3 UStG kein Raum.

Das FG hat zutreffend aus Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 und 6 des Vertretungsvertrages vom August 1949 geschlossen, daß die Stpfl. die Beträge, die den Untervertretern zugeflossen sind, in eigenem Namen und für eigene Rechnung von den G fordern konnte. Die Stpfl. hat nicht behauptet, daß diese Vertragsbestimmung nach dem Vertragsabschluß, aber vor dem 1. Januar 1954 aufgehoben oder geändert worden wäre.

Bei dieser Sachlage scheidet somit die Anwendung des § 5 Abs. 3 UStG schon deshalb aus, weil die Stpfl. die den Untervertretern zufließenden Beträge selbst beanspruchen konnte. Der Einwand der Stpfl., daß durch die Vermittlung unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Käufern und den G hergestellt worden sind, berührt nicht die hier allein entscheidende Frage, ob die G der Stpfl. ein Entgelt schuldeten. Diese Rechtsfrage muß aus den Rechtsbeziehungen zwischen den G und der Stpfl. entschieden werden.

Es kommt auch nicht darauf an, ob bereits vor Abschluß des Vertretungsvertrages zwischen den Untervertretern und den G unmittelbare Rechtsbeziehungen bestanden hatten; denn auch für diese Fälle haben die G der Stpfl. im Vertretungsvertrag den Anspruch auf den vollen, auch das Entgelt für die Untervertreter einschließenden Rabattbetrag eingeräumt (Abs. 5 und 6 des Vertretungsvertrages).

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG, § 10 UStDB gehört zum Entgelt alles, was der Empfänger einer sonstigen Leistung aufwendet, um die sonstige Leistung zu erhalten. Nach dem Vertretungsvertrag hatten die G der Stpfl. den Anspruch auf den vollen Rabattbetrag gewährt; infolgedessen besteht das Entgelt aus dem ungekürzten Betrag. Die Vereinbarung in Abs. 6 des Vertretungsvertrages, daß die Stpfl. sich verpflichtete, ihren Untervertretern einen angemessenen Betrag einzuräumen, und die Festlegung dieses Betrages durch Provisionsrichtlinien der G führte wohl wirtschaftlich zu dem Ergebnis, daß die Stpfl., wenn sie Untervertreter beschäftigte, für ihre Tätigkeit mit einem geringeren Entgelt vorliebnehmen mußte; diesem Gesichtspunkt kommt aber im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 UStG keine Bedeutung zu. Die Wertung der Zahlungsvorgänge nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung verstieße gegen den klaren Wortlaut und das gesetzgeberische Ziel des § 5 Abs. 3 UStG.

Ob nach Abschluß des Vertretungsvertrages vom August 1949 alle Untervertreter oder nur ein Teil von ihnen zur Stpfl. in Rechtsbeziehungen getreten sind oder ob etwa die Untervertreter der Stpfl. gegenüber keinerlei Verpflichtungen übernommen haben, ist für die hier zu entscheidende Frage letzten Endes nicht erheblich. Die Verpflichtung der Stpfl. gegenüber den G, den Untervertretern angemessene Rabatte einzuräumen (Abs. 6 des Vertretungsvertrages), wirkte unabhängig von den Vereinbarungen zwischen der Stpfl. und den Untervertretern als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB). Dadurch konnten die Untervertreter nunmehr außer den G auch die Stpfl. in Anspruch nehmen. Aus dieser Rechtslage folgt, daß die G, wenn sie unmittelbar an die Untervertreter zahlten, nicht nur etwaige eigene Verpflichtungen gegenüber den Untervertretern erfüllten, sondern jedenfalls auch die Ansprüche der Untervertreter gegenüber der Stpfl. zum Erlöschen brachten.

Da es somit auf die Rechtsbeziehungen der Untervertreter zu den G nicht ankommt, greift auch die Rüge, das FG habe diese Rechtsbeziehungen verkannt, nicht durch.

Eine andere Beurteilung des Falles kann schließlich auch das Vorbringen der Stpfl. nicht rechtfertigen, die G hätten in einem Rundschreiben (Vertriebsmitteilung Nr. 152 vom 13. Juli 1951) an alle Werks- und Untervertreter mitgeteilt, daß die von den G unmittelbar an die Untervertreter bezahlten Provisionen bei der Bemessung der Umsatzsteuer des Werksvertreters außer Betracht zu bleiben hätten. Diese äußerung läßt nur erkennen, daß Zweifel an den steuerlichen Auswirkungen des Vertragssystems aufgetreten waren. Eine vertragsändernde Bedeutung kommt ihr aber nicht zu. Stimmen zwei Vertragspartner in der Beurteilung der steuerlichen Folgen eines Sachverhalts überein, ist aber die Beurteilung fehlerhaft, so vermag die übereinstimmung über die rechtliche Wertung weder die tatsächlichen Verhältnisse noch die steuerlichen Folgen zu verändern. Nur wenn die Vertragsverhältnisse so gestaltet worden wären, daß die Stpfl. keinen eigenen Rechtsanspruch auf Zahlung der vollen Rabatte gehabt hätte, wären ihre Zahlungen an die Untervertreter durchlaufende Posten gewesen.

Die Revisionsklägerin ist somit im Veranlagungszeitraum für die strittigen Zahlungen nicht bloße Mittelsperson gewesen. Die Rabatte waren daher in übereinstimmung mit dem FG in voller Höhe als Entgelt für die Tätigkeit als Werksvertreter zu beurteilen. Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412499

BStBl III 1967, 377

BFHE 1967, 306

BFHE 88, 306

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