Leitsatz (amtlich)

Der Runderlaß des Reichsministers der Finanzen zur Neufassung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz S 4015 -- 1 III vom 20. Januar 1939 (RStBl 1939 S. 129 ff.) enthält in Abschn. B Nr. 20 Abs. 7 (a. a. O. S. 136) eine Anweisung zur Verwaltungsvereinfachung, die die Gerichte nicht bindet.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 10 Buchst. a S. 2; UStDB § 38

 

Tatbestand

Die inzwischen verstorbene Frau A. (Erblasserin) war Inhaberin eines Textilwaren-Einzelhandelsgeschäfts und Eigentümerin eines Einfamilienhauses.

Im Jahre 1961 hatte bei ihr eine Betriebsprüfung stattgefunden. Dabei hat der Prüfer u. a. festgestellt, daß der Höhe nach unstreitige Einnahmen aus der Vermietung zweier Zimmer des Einfamilienhauses mit fünf Betten an Feriengäste in der Umsatzsteuererklärung 1960 nicht enthalten waren. Das Finanzamt (FA) sah diese Einnahmen als steuerpflichtig an und zog sie ebenso wie die übrigen Umsätze zur Umsatzsteuer heran.

Die Erblasserin war der Meinung, die Einnahmen aus der Zimmervermietung unterlägen nicht der Umsatzsteuer. Ihr Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Nach dem Tode seiner Mutter ist der Sohn A. (Revisionskläger; Steuerpflichtiger -- Stpfl. --) als Alleinerbe in das Verfahren eingetreten. Auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache hat das Finanzgericht (FG) die Rb. zugelassen.

Mit der Rb., die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), beantragt der Stpfl., bei der Festsetzung der Umsatzsteuer die Einnahmen aus der Zimmervermietung außer Betracht zu lassen. Er ist im Gegensatz zu FA und FG der Auffassung, auf diese Einnahmen sei der Runderlaß des Reichsministers der Finanzen (RdF) zur Neufassung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz S 4015 -- 1 III vom 20. Januar 1939 (RStBl 1939, 129) anwendbar; das FA dürfe daher die Einnahmen aus der Vermietung nicht zur Umsatzsteuer heranziehen. Bei diesem Erlaß handele es sich um einen auch von den Gerichten zu beachtenden Milderungserlaß.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG die Einnahmen aus der Vermietung der Zimmer an Sommergäste als im Rahmen des Unternehmens erzielt angesehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Einnahmen aus der Zimmervermietung sind auch nicht nach § 4 Ziff. 10 UStG umsatzsteuerfrei, weil die Erblasserin die Zimmer nach dem unstreitigen Sachverhalt zur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereit gehalten hat (§ 38 UStDB) und für diese Fälle die Steuerfreiheit nicht vorgesehen ist (§ 4 Ziff. 10 Buchst. a Satz 2 UStG). Der Stpfl. kann sich nicht darauf berufen, daß das FA und das FG Verwaltungsanweisungen zu Unrecht nicht angewendet hätten.

Nach ständiger Rechtsprechung können die Gerichte Verwaltungsanweisungen nur anwenden, wenn sie Steuermilderungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zum Inhalt haben (vgl. Entscheidung des BFH V 251/58 U vom 17. Dezember 1959, BFH 70, 264, BStBl III 1960, 97, und die dort angeführten Urteile; Bescheid und Urteil des BFH I 275/60 U vom 7. Februar 1961/24. Juli 1962 BFH 75, 473, BStBl III 1962, 440). Der RdF-Erlaß vom 20. Januar 1939 ist ein Erlaß zur Verwaltungsvereinfachung, soweit er in Abschn. B Nr. 20 Abs. 7 (a. a. O. S. 136) ausdrückt, der RdF sei "aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung" damit einverstanden, "daß Unternehmer, die weniger als vier Zimmer oder weniger als sechs Betten zu vermieten haben, mit diesen Einnahmen nicht zur Umsatzsteuer herangezogen werden, sofern neben dieser Vermietung nicht auch Verpflegung gewährt wird". Diese Bestimmung dient nach Wortlaut, Sinn und Zweck erkennbar der Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit. Durch sie soll -- wie das FG zutreffend ausführt -- vermieden werden, daß durch die Heranziehung kleinster Beherbergungsunternehmer zur Umsatzsteuer den unteren Finanzbehörden ein Sach- und Arbeitsaufwand verursacht wird, der in keinem Verhältnis zum Steueraufkommen steht. Da es sich um einen Vereinfachungserlaß handelt, erwachsen dem Stpfl. daraus keine unmittelbar im Rechtsbehelfsverfahren verfolgbaren subjektiven Rechte. Verwaltungsanweisungen dieser Art binden zwar kraft der aus dem Behördenaufbau sich ergebenden Weisungsbefugnisse die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen. Die Steuer gerichte haben einen Sachverhalt aber nur darauf zu prüfen, ob die Finanzämter die Steuer dem Gesetz entsprechend festgesetzt, nicht auch darauf, ob sie sich dabei an ihre innerdienstlichen Weisungen gehalten haben. Gegen Verstöße der letzteren Art kann der Steuerpflichtige im Wege der Dienstaufsichtsbeschwerde vorgehen.

Auch mittelbar -- z. B. aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben -- kann der Stpfl. aus dem Erlaß keine Rechte ableiten. Die Heranziehung der Einnahmen aus der Vermietung verstößt weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Wenn das FA der Auffassung ist, der Erlaß beziehe sich nicht auf die Mieteinnahmen von Personen, die schon aus anderen Gründen Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sind, so zeigt dies, daß es den Erlaß nicht willkürlich außer Betracht läßt, sondern nur im Streitfall für nicht anwendbar hält. Das FA verletzt also das Willkürverbot nicht etwa dadurch, daß es im Streitfall einen Erlaß grundlos nicht berücksichtigt. Es verstößt mit seiner Begründung auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, denn es behandelt nicht Gleiches ungleich. Die Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen, die wegen des Vermietens die Unternehmereigenschaft erlangen, und Steuerpflichtigen, die bereits aus anderen Gründen Unternehmer sind, stellt eine sachliche Abgrenzung dar. Zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Vereinfachungen gelten sollen, ist Sache der Verwaltungsbehörden. Der Erlaß hat schließlich auch kein Verhalten des Stpfl. ausgelöst, durch das das Unterbleiben der Besteuerung aus Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigt wäre.

Der Stpfl. kann sich auch nicht auf das Urteil des Senats V 251/58 U vom 17. Dezember 1959 (letzter Absatz; BFH 70, 264, BStBl III 1960, 97) berufen, weil dort der Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht anders gelagert war. Aus diesem Grunde erübrigt es sich auch, auf die Ausführungen der Vorinstanz zu diesem Urteil einzugehen. Es genügt, in diesem Zusammenhange auf das Urteil des Senats V 83/62 vom 26. November 1964 (HFR 1966, 135) zu verweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412504

BStBl III 1967, 352

BFHE 1967, 263

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