Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitgeber, der für seine Verpflichtungen zur Zahlung von Ruhegehältern an seine Angestellten (laufende Pensionen und Pensionsanwartschaften) Rückdeckung durch Mitgliedschaft bei Versorgungskassen genommen hat, kann an Stelle seiner Ruhestandsverpflichtungen den Kapitalbetrag seiner Beiträge (Umlagen) an die Versorgungskassen als Schuld von seinem Betriebsvermögen nicht abziehen.

 

Normenkette

BewG §§ 62, 103

 

Tatbestand

Der Bg., ein eingetragener Verein, zahlt seinen Angestellten Gehälter nach den für Beamte im öffentlichen Dienst geltenden Besoldungsvorschriften (ß 2 des Dienstvertrages). Die Angestellten gelten bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres als fest angestellt. Außerdem sichert der Bg. seinen Angestellten - wie sich aus § 3 des Dienstvertrages ergibt - Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge nach den Grundsätzen der ..... Versorgungskassen (Ruhegehalts- und Unfallfürsorgekasse sowie Witwen- und Waisenkasse) für die Gemeinden und Gemeindeverbände ...... zu.

Der Bg. ist seit Jahren freiwilliges Mitglied der genannten Versorgungskassen (V-Kassen). Die eine Kasse (Ruhegehalts- und Unfallfürsorgekasse) hat den Zweck, Ruhegehaltslasten ihrer Mitglieder sowie Unfallfürsorgelasten derselben bei Dienstunfällen der Angestellten auszugleichen. Entsprechend bezweckt auch die Witwen- und Waisenkasse den Ausgleich der Hinterbliebenenversorgungslasten ihrer Mitglieder. Den genannten Kassen gehören bestimmte ämter, Gemeinden und Gemeindeverbände als Pflichtmitglieder an. Andere Gemeinden und Gemeindeverbände können freiwillig als Mitglieder beitreten. Rechtsfähigen gemeinnützigen Verbänden und Körperschaften mit Sitz im Bereich der V-Kassen kann der Beitritt gestattet werden. Die V-Kassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes. Nur Kassenmitglieder, nicht deren Versorgungsberechtigte, haben Ansprüche an die V-Kassen. Die Ruhegehalts- und Unfallfürsorgekasse trägt die von ihren Mitgliedern zu gewährenden Ruhegehaltsbezüge sowie bestimmte Leistungen bei Dienstunfällen, die Witwen- und Waisenkasse die von ihren Mitgliedern zu gewährenden Hinterbliebenenbezüge. Die Mittel zur Bestreitung der Ruhegehaltslasten und der Verwaltungskosten der Ruhegehaltskasse werden durch Umlagen aufgebracht, die sich auf die Mitglieder nach dem Gesamtbetrage der ungekürzten ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge aller Beamtenstellen verhältnismäßig verteilen und, soweit dadurch nicht erfaßt, aller versorgungsberechtigten Beamten sowie nach dem Gesamtbetrage des Wartegeldes der Wartestandsbeamten. Die Unfallfürsorgekosten einschließlich des auf sie entfallenden Verwaltungskostenanteiles werden besonders umgelegt. Bei der Witwen- und Waisenkasse werden die Mittel zur Bestreitung der Hinterbliebenenversorgungslasten und der Verwaltungskosten ebenfalls durch eine Umlage aufgebracht, die sich nach einem bestimmten Verhältnis auf die Mitglieder dieser Kasse verteilt.

Der Bg. hat in seiner Vermögensaufstellung zum 21. Juni 1948 seine Umlageverpflichtung gegenüber den genannten V-Kassen mit 23.498 DM (dreijähriger Durchschnitt) beziffert und den als Schuld des Betriebsvermögens angesetzten Kapitalwert der Umlage mit 211.482 DM (9 x 23.498 DM) errechnet. Demgegenüber war das Finanzamt der Auffassung, der Kapitalwert der Umlage an die V-Kassen stelle eine Rückstellung im Sinne des § 8 des Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Kalenderjahre 1949 bis 1951 (VBewG) dar und sei daher nur insoweit abzugsfähig, als er in der DM-Eröffnungsbilanz angesetzt worden sei; das sei nicht geschehen. Ein Abzug komme daher nicht in Betracht.

Der Einspruch blieb erfolglos. Dagegen hatte die Berufung Erfolg. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß der Bg. in mehrfacher Hinsicht belastet ist. In § 3 des jeweils abgeschlossenen Dienstvertrages habe sich der Bg. gegenüber seinen Angestellten zur Zahlung von Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge verpflichtet, sobald diese das 65. Lebensjahr erreicht hätten. Diesen Lasten hätten aber am Stichtag jeweils Ansprüche an die V-Kassen in gleicher Höhe gegenübergestanden. Damit seien die laufenden Lasten am Stichtage ausgeglichen gewesen. Weiter sei der Bg. mit künftigen Ruhegehältern und Hinterbliebenenfürsorge seiner am Stichtage noch im Dienst befindlichen Angestellten belastet gewesen. Bei diesen sogenannten Pensionsanwartschaften habe es sich um aufschiebend bedingte Lasten gehandelt, für die der Bg. in seiner DM-Eröffnungsbilanz eine Rückstellung hätte bilden können. Da ein solcher Passivposten nicht gebildet worden sei, brauche auch nicht untersucht zu werden, inwieweit der Bf. andernfalls auch einen entsprechenden Aktivposten für seine ebenfalls bedingten, weil ungewiß zukünftigen Ansprüche auf Zahlung der Ruhegehälter gegen die V-Kassen gegenüberzustellen habe. Schließlich habe der Bg. durch seine Mitgliedschaft bei den V-Kassen noch eine Verpflichtung zur Zahlung von laufenden Umlagebeträgen übernommen. Es bestünden auf Grund der vom Reichsfinanzhof in den Urteilen III A 36/36 vom 26. März 1936 (RStBl 1936 S. 689) und III 184/41 vom 26. Februar 1942 (RStBl 1942 S. 511) entwickelten Grundsätze keine Bedenken, diese Umlagebeträge als Betriebsschuld anzuerkennen. Die durch den Beitritt zu den V-Kassen vertraglich übernommene Pflicht des Bg., die Umlage zu entrichten, stelle eine Last dar, die am Stichtage endgültig und unbedingt bestanden habe. Ein diese Belastung ausgleichender Gegenwert stehe ihr nicht gegenüber. Der Bg. hätte die Umlage in seiner DM-Eröffnungsbilanz mit dem entsprechenden Kapitalwert, der dem Mindestwerte entspreche, einsetzen müssen. Die DM-Eröffnungsbilanz sei insoweit unrichtig und müsse berichtigt werden. Als Jahreswert der Umlageschuld sei der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich geleistet werden müsse. Danach ergebe sich eine Jahresumlage von 24.154 DM. Der Wert der Umlageverpflichtung sei, da es sich um eine Leistung von unbestimmter Dauer handle, mit dem Neunfachen der Jahresumlage, mithin mit 217.386 DM anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamtes führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

I. - Der Bg. war am maßgebenden Stichtage (21. Juni 1948 mit folgenden Verpflichtungen belastet:

gegenüber Personen, bei denen der Versorgungsfall schon eingetreten war (Pensionsansprüche der pensionierten Angestellten und Versorgungsansprüche der Hinterbliebenen von ehemaligen Angestellten), sowie

gegenüber Personen, bei denen der Versorgungsfall noch nicht eingetreten war (Anwartschaften der aktiven Angestellten auf eigene Versorgung und auf Versorgung ihrer Angehörigen).

Für diese Verpflichtungen besteht für den Bg. eine Rückdeckung bei den V-Kassen. Hierdurch werden jedoch die Ansprüche der Angestellten (Hinterbliebenen von Angestellten) in keiner Weise berührt; denn die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bg. und seinen Angestellten bestehen unabhängig von der Rückdeckung durch die V-Kassen. Die Zahl der Angestellten bzw. deren Dienstbezüge bilden lediglich die Berechnungsgrundlage für die Beiträge (Umlagen) des Bg.

Die Verpflichtung des Bg. gegenüber denjenigen Angestellten, bei denen der Versorgungsfall am Stichtage bereits eingetreten war (oben zu a), bedeutet - wie auch von keiner Seite bestritten wird - eine echte Schuld. Eine solche Schuld mindert das Betriebsvermögen des Bg. und ist deshalb bei der Feststellung des Einheitswertes seines Betriebsvermögens abzugsfähig (ß 62 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -).

Was die Belastung mit den sogenannten Anwartschaften (oben zu b) betrifft, so ist hierzu folgendes zu sagen: Die Frage, ob und inwieweit Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abzugsfähig sind, war lange Zeit umstritten. Auch die Rechtsprechung der Steuergerichte zu dieser Frage ist nicht einheitlich verlaufen. Betriebliche Pensionszusagen an Arbeitnehmer enthalten einzeln und in ihrer Gesamtheit aufschiebend bedingte Verpflichtungen. Der Abzug derartiger Lasten vom Betriebsvermögen ist durch § 6 Abs. 1 BewG ausgeschlossen, obwohl wirtschaftlich in der Verpflichtung zur Erfüllung von Pensionsanwartschaften eine Last auf dem Betriebe ruht. Der erkennende Senat ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Lage für diejenigen Unternehmer, die eine Verpflichtung zu Pensionszahlungen übernommen haben, mit derjenigen von Versicherungsunternehmen vergleichbar ist, deren vom Versorgungsgedanken bestimmte Geschäfte mit dem Versicherungswagnis verbunden und die daher wegen des Gläubigerschutzes zur Bildung versicherungstechnischer Rücklagen gezwungen sind. Er hat es daher für zulässig und geboten gehalten, die Vorschrift des § 62 Abs. 2 BewG in dem durch die Vorschrift selbst gezogenen engen Rahmen auf Rückstellungen für Pensionsanwartschaften anzuwenden (vgl. Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961, BStBl 1962 III S. 19). Demgemäß ist davon auszugehen, daß auch die Pensionszusagen des Bg. an seine am Stichtage noch im Dienst befindlichen Angestellten im Rahmen des genannten Urteils bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigt werden müssen.

II. - Die weitere Frage, ob der Bg. an Stelle seiner Ruhestandsverpflichtungen den Kapitalbetrag seiner Beiträge an die Versorgungskassen (Umlagen) als Schuld von seinem Betriebsvermögen abziehen kann, hat das Finanzgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bejaht.

Im Falle des Urteils III 184/41 vom 26. Februar 1942, auf das sich das Finanzgericht beruft, hatte die Steuerpflichtige kraft Gesetzes für die Altersversorgung ihrer Beamten alljährlich bestimmte Beiträge und Umlagen an Pensionsanstalten zu leisten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfange jeweils Ruhestandsbeamte vorhanden waren. Der Streitfall ist anders gelagert, so daß die Entscheidung der Vorinstanz auf dieses Urteil nicht gestützt werden kann.

Im Urteil III A 36/36 vom 26. März 1936 hat allerdings der Reichsfinanzhof entschieden, daß bei einem Gemeindebetriebe, für dessen Beamte und Dauerangestellte Ruhegehaltsberechtigung bestand, an Stelle der Ruhegehaltsverpflichtung die Beiträge des Betriebes an einen Pensionsverband vom Betriebsvermögen abgezogen werden können. Diese Entscheidung wird auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die das Steuerrecht beherrsche, gestützt, obwohl zugegeben wird, daß die Zahlungen an den Pensionsverband im Rechtssinne keine eigentlichen Ruhegehälter seien. Den Schwierigkeiten, die sich bei diesem Vorgehen in der Ermittlung eines zutreffenden Vervielfältigers ergeben, begegnete der Reichsfinanzhof in der Weise, daß er als Durchschnittszahl im Wege der Schätzung die Zahl fünf ermittelte. Demgegenüber hat die Vorinstanz ohne nähere Begründung den Kapitalwert der Umlagen mit dem Neunfachen des Jahreswertes (Leistung von unbestimmter Dauer) angesetzt. Unter Berufung auf die vorgenannte Entscheidung vom 26. März 1936 hat der Reichsfinanzhof in einem weiteren Urteil III 58/41 vom 15. Januar 1942 (RStBl 1942 S. 507) erneut entschieden, daß der Kapitalwert von Ruhegehaltszahlungen eines gewerblichen Unternehmers an seine Arbeitnehmer beim Betriebsvermögen auch insoweit abzugsfähig sei, als das Unternehmen durch Versicherung oder Mitgliedschaft bei Ruhestandskassen und dergleichen Rückdeckung genommen habe. Dabei ist der Reichsfinanzhof sogar soweit gegangen, daß er es für belanglos erklärt hat, ob die Zahlung von Beiträgen an die Ruhestandskassen und dergleichen für laufende oder für zukünftige Ruhegehaltsverpflichtungen gezahlt werden. Diese Rechtsauffassung hat der Reichsfinanzhof jedoch in einem späteren Urteil (III 39/43 vom 9. März 1944, RStBl 1944 S. 180) aufgegeben und dahin entschieden, daß ein Arbeitgeber, der seine Verpflichtung zur Zahlung von Ruhegehältern auf ein Versicherungsunternehmen abgewälzt hat, die Verpflichtung zur Zahlung der laufenden Versicherungsbeiträge nicht als Schuld von seinem Betriebsvermögen abziehen kann (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs III 108/55 U vom 9. August 1957, BStBl 1957 III S. 338, Slg. Bd. 65 S. 272). Zuzugeben ist, daß der Bg. durch seine laufenden Zahlungen an die V-Kassen (Umlagen) am Stichtage belastet war. Dieser Last standen aber Ansprüche des Bg. an die V-Kassen zur Bezahlung der Ruhegehaltsbezüge gegenüber, die die vorgenannte Belastung - wenn nicht im einzelnen Jahr, so doch im Durchschnitt der Jahre - ausgleichen. Ein Abzug der Umlageverpflichtung neben den Ruhestandsverpflichtungen kommt nicht in Betracht. Der Bg. kann daher nur seine Verpflichtungen zur Zahlung von Ruhegehältern an seine Angestellten und die Hinterbliebenen von Angestellten (s. oben unter I), nicht jedoch den Kapitalbetrag seiner Beiträge zu den V-Kassen als Schuld von seinem Betriebsvermögen abziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410309

BStBl III 1962, 98

BFHE 1962, 254

BFHE 74, 254

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