Leitsatz (amtlich)

Vereinnahmt ein Unternehmer mit niedrigem Gesamtumsatz im Sinn des § 19 UStG 1967 Entgelte aus Umsätzen, die er vor dem 1. Januar 1968 bewirkt hat, so können ihm die Freibeträge des § 19 Abs. 2 UStG 1967 und des § 7a UStG 1951 nebeneinander gewährt werden.

 

Normenkette

UStG 1951 § 7a; UStG 1967 §§ 19, 27 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und inwieweit dem Steuerpflichtigen (Kläger und Revisionsbeklagter) neben dem Freibetrag nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 der Freibetrag nach § 7a Abs. 2 UStG 1951 zusteht.

Der Steuerpflichtige ist Rechtsanwalt, der seine Umsätze nach § 19 UStG 1967 versteuert. Er erklärte für 1968 einen Umsatz von ... DM. Darin waren Entgelte in Höhe von ... DM enthalten, die auf Umsätze entfielen, die vor dem 1. Januar 1968 bewirkt worden waren. Der Steuerpflichtige machte einen Freibetrag von 12 000 DM nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 und einen weiteren Freibetrag von 8 000 DM nach § 7a Abs. 2 UStG 1951 geltend.

Das FA (Beklagter und Revisionskläger) war unter Bezugnahme auf Abschn. B 2c des Erlasses des BdF vom 19. Dezember 1967 (BStBl I 1968, 169) der Ansicht, die Freibeträge nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 und § 7a Abs. 2 UStG 1951 dürften nicht nebeneinander gewährt werden. Es veranlagte den Steuerpflichtigen zur Umsatzsteuer 1968, indem es lediglich den (höheren) Freibetrag von ... DM nach § 7a Abs. 2 UStG 1951 berücksichtigte.

Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1970, 256, veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 und 2 UStG 1967 dürften die Freibeträge des § 19 Abs. 2 UStG 1967 und des § 7a Abs. 2 UStG 1951 in voller Höhe nebeneinander geltend gemacht werden. Einer solchen Doppelvergünstigung müsse aber durch eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes begegnet werden. Im Bereich des § 19 UStG 1967 habe kein Systemwechsel stattgefunden. Daher sei es nicht gerechtfertigt, beide Freibeträge uneingeschränkt nebeneinander zu gewähren. Allerdings sei die Freibetragsregelung nicht so weit einzuschränken, daß mit dem BdF-Erlaß (a. a. O.) dem Steuerpflichtigen lediglich der Freibetrag nach § 7a UStG 1951 oder nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 zugestanden werde. Das wäre nicht mit dem möglichen Wortsinn des § 27 Abs. 1 und 2 UStG 1967 vereinbar, wonach die Vorschriften des UStG 1967 und des UStG 1951 anwendbar seien. Als Lösung biete sich an, beide Freibeträge zu gewähren, insgesamt jedoch nur bis zur Höhe des Freibetrags nach § 7a UStG 1951. Sonach stehe dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 12 000 DM nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 und ein weiterer Freibetrag von 8 000 DM nach § 7a Abs. 2 UStG 1951 zu.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung der §§ 27, 19 Abs. 2 UStG 1967 und des § 7a UStG 1951. Es macht geltend, der Freibetrag nach § 7a UStG 1951 bestehe in den Fällen des § 19 UStG 1967 in der durch § 19 Abs. 2 UStG 1967 abgewandelten Form weiter. Für eine Anwendung des § 7a UStG 1951 ab 1. Januar 1968 sei kein Raum. Die darüber hinausgehende BdF-Regelung beruhe auf § 131 AO.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Steuerpflichtige beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er schließt sich der Auffassung des FG an.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.

Auf Umsätze, die nach dem 31. Dezember 1967 ausgeführt sind, sind die Vorschriften des UStG 1967 anzuwenden (§ 27 Abs. 1 UStG 1967), auf Umsätze, die vor dem 1. Januar 1968 bewirkt sind, die Vorschriften des UStG 1951 (§ 27 Abs. 2 UStG 1967). Danach stehen dem Steuerpflichtigen, der unter § 19 UStG 1967 fällt und in 1968 auch Entgelte aus vor dem 1. Januar 1968 bewirkten Umsätzen vereinnahmte, Freibeträge nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 und nach § 7a UStG 1951 zu. Der Senat hat bereits in dem Urteil V R 43/69 vom 26. Juni 1969 (BFH 96, 144, BStBl II 1969, 573) ausgesprochen, des § 7a UStG 1951 im Rahmen des § 27 Abs. 2 UStG 1967 anwendbar bleibt.

Die Auffassung des FA, in den Fällen des § 19 UStG 1967 scheide eine Anwendung des § 7a UStG 1951 aus, ist unzutreffend. Der Wortlaut der Übergangsvorschrift gibt keinen Anhalt für eine solche Einschränkung. Obwohl § 19 UStG 1967 das System der kumulativen Allphasensteuer beibehalten hat, führt er nicht teilweise das UStG 1951 fort. Er ist vielmehr Teil des UStG 1967 und unterliegt hinsichtlich der allgemeinen Übergangsvorschriften keinem Sonderrecht. Hätte der Gesetzgeber für Unternehmer, die ihre Umsätze im Rahmen des neuen Rechts nach § 19 UStG 1967 versteuern, eine Anwendung des § 7a UStG 1951 ausschließen wollen, so hätte er insoweit eine von § 27 UStG 1967 abweichende, besondere Übergangsregelung treffen müssen. Das aber ist nicht geschehen.

Das FG hat zutreffend herausgestellt, daß die Gewährung zweier Freibeträge nur durch eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 27 Abs. 1 und 2 UStG 1967 beschränkt werden kann. Es hat gemeint, "Sinn und Zweck der Übergangsregelung" erforderten eine solche Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes; die Lösung des BdF (alternative Inanspruchnahme) sei abzulehnen, weil sie "mit dem möglichen Wortsinn der Vorschrift (§ 27 UStG 1967) nicht zu vereinbaren sei". Diese Betrachtungsweise verletzt die allgemeinen Grundsätze der Gesetzesauslegung. Das FG scheint der Auffassung zu sein, daß seine Lösung (Freibetragsanrechnung) mit dem möglichen Wortsinn des § 27 UStG 1967 vereinbar ist. Dann hätte es aber keiner Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes bedurft. Eine Auslegung, die sich innerhalb des möglichen Wortsinns hält, ist "Auslegung im engeren Sinne" (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969, S. 304). Wird aber eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes in Betracht gezogen, genügt nicht eine bloße Sinn- und Zweckwidrigkeit des Wortsinns. Wie sich aus der vom FG zitierten Rechtsprechung ergibt, muß darüber hinaus die wortgetreue Auslegung zu einem so unverständlichen Ergebnis führen, daß ein verständiger Steuerpflichtiger das Gesetz nicht so auffassen kann (u. a. Urteil des BFH III 193/60 S vom 11. Dezember 1964, BFH 81, 222, BStBl III 1965, 82).

Dem FG ist einzuräumen, daß die Alternativregelung des BdF nicht mit dem Wortsinn des § 27 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 vereinbar ist. Diese Bestimmungen schließen weder den Freibetrag nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 noch den Freibetrag nach § 7a UStG 1951 aus; erst recht kann aus ihnen kein Wahlrecht hergeleitet werden. Gleiches gilt aber auch von der Lösung des FG. Nach § 27 Abs. 1 UStG 1967 ist der Freibetrag des § 19 Abs. 2 UStG 1967 ohne Einschränkung zu gewähren; es sind lediglich die Einschränkungen zu machen, die sich aus § 19 Abs. 2 UStG 1967 selbst ergeben. Ebenso ist nach § 27 Abs. 2 UStG 1967 mit dem Freibetrag des § 7a UStG 1951 zu verfahren.

Eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 27 Abs. 1 und 2 UStG 1967 ist nicht geboten. Der Senat hat für § 28 UStG 1967 ausgesprochen, daß der Gesetzgeber anläßlich des Systemwechsels äußerst schwierige Aufgaben des Übergangs zu lösen hatte und Unabgestimmtheiten in Kauf nehmen mußte (BFH-Urteil V R 51/69 vom 30. Oktober 1969, BFH 97, 209, BStBl II 1970, 75). Es ist kaum anzunehmen, daß der Gesetzgeber, wenn er die Streitfrage gesehen hätte, sich ihrer angenommen und die Übergangsregelung erweitert hätte. Die steuerliche Auswirkung ist gering. Die wortgetreue Auslegung kann äußerstenfalls dazu führen, daß einem freiberuflich Tätigen, Handelsvertreter oder Makler ein Freibetrag von 12 000 DM nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 für seine nach dem 31. Dezember 1967 ausgeführten Umsätze und ein weiterer Freibetrag von 20 000 DM nach § 7a Abs. 2 UStG 1951 für seine vor dem 1. Januar 1968 bewirkten Umsätze gewährt wird. Abgesehen davon, daß dieser Fall selten sein wird, kann darin keine unangemessene Bevorzugung gesehen werden. Betroffen wird eine gering verdienende Unternehmergruppe (Unternehmer, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 60 000 DM nicht überstiegen hat), die zudem mit der Ermäßigung des Freibetrags von 20 000 DM auf 12 000 DM durch das UStG 1967 eine zusätzliche Belastung erfahren hat. Unter diesen Umständen kann das Ergebnis weder als sinn- noch zweckwidrig, noch als unverständlich angesehen werden.

Der Freibetrag nach § 19 Abs. 2 UStG 1967 beträgt 12 000 DM. Der Gesamtumsatz liegt unter 40 000 DM. Die Entgelte, die 1968 aus vor dem 1. Januar 1968 bewirkten Umsätzen vereinnahmt wurden, sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 19 Abs. 3 UStG 1967 nicht in den Gesamtumsatz einzubeziehen. Der Freibetrag nach § 7a Abs. 2 UStG 1951 beträgt ... DM. Er wird begrenzt durch die Entgelte, die in 1968 für vor dem 1. Januar 1968 bewirkte Umsätze vereinnahmt wurden.

Der Steuerpflichtige hat lediglich Freibeträge in einer Gesamthöhe von 20 000 DM beantragt und das FG-Urteil, das ihm Freibeträge von nur 20 000 DM zusprach, nicht angegriffen. Der Senat muß es bei der Festsetzung des FG belassen. Er hat keine Möglichkeit, dem Steuerpflichtigen Freibeträge von über 20 000 DM zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69167

BStBl II 1970, 857

BFHE 1971, 231

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